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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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Gebalt bei den Theatern ersten Ranges übersteigt nicht drei Guineen
für die Woche; von dieser Summe müssen sie außerdem noch ihre
Reisekosten von Stadt zu Stadt bestreiten, sowie den Ankauf und die
Instandhaltung ihrer Kostüme. Die wandernden Schallspieler sind
den Reglements der Jahrmärkte unterworfen; sie nehmen von den
Localbehörden Erlaubnißscheine. Obgleich sie nicht zahlreich sind,
sterben sie vor Hunger, -- aber, sagt ein Zeuge, sie sind mäßig. -- Die
Provinzialtheater, fügt einer der ausgezeichnetsten wandernden Schau¬
spieler hinzu, haben mich und meine Familie niemals ernährt. Ich
war stets bei den unzureichenden Hilfsquellen, welche sie mir darbo¬
ten, in Noth. Die großen Theater senden nach allen Theilen Eng¬
lands Leute zur Aufsuchung von Talenten und rekrutiren sich aus
den Provinzialtruppen, welche für eine bessere Schule gelten, als die
Theater zweiten Ranges von London; indeß kann nicht ein Sechstel
der guten Schauspieler auf ein Engagement in Coventgarden oder
Drurylane, das letzte Ziel ihres Ehrgeizes, hoffen.

Bei allen diesen Verhältnissen, welche wir geschildert haben, lei¬
den die Theater und machen vergebliche Bestrebungen, dem Ruine zu
entgehen. Die Londoner sind in dem beklagenswerthesten Zustande;
merkwürdiger Weise geht die Masse des Publicums hauptsächlich nach
dem Italien-Opera-House und dem l'tMtre in"-.".-.-"", und auf den
Bühnen zweiten Ranges sind die meisten der aufgeführten Stücke
Übersetzungen aus dem Französischen. Von den beiden National¬
theatern ist das eine zu wiederholten Malen geschlossen worden:
Coventgarden nämlich; das andere, Drurylane, hat trotz der Direk¬
tion Macready'ö keine guten Geschäfte machen können. Die Unter¬
suchung von 1832 hat den Gang und die Ursachen dieses Verfalls
enthüllt. Schon zu jener Zeit unterlag Drurylane einer Schuldenlast,
die auf sechs bis sieben Millionen Pfund Sterling geschätzt wurde.
Von 1809 bis 1832 waren die Einnahmen von Coventgarden be¬
ständig gesunken, in den zehn ersten Jahren dieses Zeitraumes war
die Durchschnittseinnahme dreiundachtzig bis vierundachtzig tausend
Pfund Sterling jährlich, in den letzten zehn war sie auf dreiundfünfzig
bis vierunvfünfzig tausend herabgesunken. Die blühendste Periode war
die von 18IV bis 181b, gerade die Zeit der nationalen Bestrebun¬
gen und Opfer, aber auch des inneren Flors Englands, was einen


Gebalt bei den Theatern ersten Ranges übersteigt nicht drei Guineen
für die Woche; von dieser Summe müssen sie außerdem noch ihre
Reisekosten von Stadt zu Stadt bestreiten, sowie den Ankauf und die
Instandhaltung ihrer Kostüme. Die wandernden Schallspieler sind
den Reglements der Jahrmärkte unterworfen; sie nehmen von den
Localbehörden Erlaubnißscheine. Obgleich sie nicht zahlreich sind,
sterben sie vor Hunger, — aber, sagt ein Zeuge, sie sind mäßig. — Die
Provinzialtheater, fügt einer der ausgezeichnetsten wandernden Schau¬
spieler hinzu, haben mich und meine Familie niemals ernährt. Ich
war stets bei den unzureichenden Hilfsquellen, welche sie mir darbo¬
ten, in Noth. Die großen Theater senden nach allen Theilen Eng¬
lands Leute zur Aufsuchung von Talenten und rekrutiren sich aus
den Provinzialtruppen, welche für eine bessere Schule gelten, als die
Theater zweiten Ranges von London; indeß kann nicht ein Sechstel
der guten Schauspieler auf ein Engagement in Coventgarden oder
Drurylane, das letzte Ziel ihres Ehrgeizes, hoffen.

Bei allen diesen Verhältnissen, welche wir geschildert haben, lei¬
den die Theater und machen vergebliche Bestrebungen, dem Ruine zu
entgehen. Die Londoner sind in dem beklagenswerthesten Zustande;
merkwürdiger Weise geht die Masse des Publicums hauptsächlich nach
dem Italien-Opera-House und dem l'tMtre in»-.«.-.-««, und auf den
Bühnen zweiten Ranges sind die meisten der aufgeführten Stücke
Übersetzungen aus dem Französischen. Von den beiden National¬
theatern ist das eine zu wiederholten Malen geschlossen worden:
Coventgarden nämlich; das andere, Drurylane, hat trotz der Direk¬
tion Macready'ö keine guten Geschäfte machen können. Die Unter¬
suchung von 1832 hat den Gang und die Ursachen dieses Verfalls
enthüllt. Schon zu jener Zeit unterlag Drurylane einer Schuldenlast,
die auf sechs bis sieben Millionen Pfund Sterling geschätzt wurde.
Von 1809 bis 1832 waren die Einnahmen von Coventgarden be¬
ständig gesunken, in den zehn ersten Jahren dieses Zeitraumes war
die Durchschnittseinnahme dreiundachtzig bis vierundachtzig tausend
Pfund Sterling jährlich, in den letzten zehn war sie auf dreiundfünfzig
bis vierunvfünfzig tausend herabgesunken. Die blühendste Periode war
die von 18IV bis 181b, gerade die Zeit der nationalen Bestrebun¬
gen und Opfer, aber auch des inneren Flors Englands, was einen


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[0769] Gebalt bei den Theatern ersten Ranges übersteigt nicht drei Guineen für die Woche; von dieser Summe müssen sie außerdem noch ihre Reisekosten von Stadt zu Stadt bestreiten, sowie den Ankauf und die Instandhaltung ihrer Kostüme. Die wandernden Schallspieler sind den Reglements der Jahrmärkte unterworfen; sie nehmen von den Localbehörden Erlaubnißscheine. Obgleich sie nicht zahlreich sind, sterben sie vor Hunger, — aber, sagt ein Zeuge, sie sind mäßig. — Die Provinzialtheater, fügt einer der ausgezeichnetsten wandernden Schau¬ spieler hinzu, haben mich und meine Familie niemals ernährt. Ich war stets bei den unzureichenden Hilfsquellen, welche sie mir darbo¬ ten, in Noth. Die großen Theater senden nach allen Theilen Eng¬ lands Leute zur Aufsuchung von Talenten und rekrutiren sich aus den Provinzialtruppen, welche für eine bessere Schule gelten, als die Theater zweiten Ranges von London; indeß kann nicht ein Sechstel der guten Schauspieler auf ein Engagement in Coventgarden oder Drurylane, das letzte Ziel ihres Ehrgeizes, hoffen. Bei allen diesen Verhältnissen, welche wir geschildert haben, lei¬ den die Theater und machen vergebliche Bestrebungen, dem Ruine zu entgehen. Die Londoner sind in dem beklagenswerthesten Zustande; merkwürdiger Weise geht die Masse des Publicums hauptsächlich nach dem Italien-Opera-House und dem l'tMtre in»-.«.-.-««, und auf den Bühnen zweiten Ranges sind die meisten der aufgeführten Stücke Übersetzungen aus dem Französischen. Von den beiden National¬ theatern ist das eine zu wiederholten Malen geschlossen worden: Coventgarden nämlich; das andere, Drurylane, hat trotz der Direk¬ tion Macready'ö keine guten Geschäfte machen können. Die Unter¬ suchung von 1832 hat den Gang und die Ursachen dieses Verfalls enthüllt. Schon zu jener Zeit unterlag Drurylane einer Schuldenlast, die auf sechs bis sieben Millionen Pfund Sterling geschätzt wurde. Von 1809 bis 1832 waren die Einnahmen von Coventgarden be¬ ständig gesunken, in den zehn ersten Jahren dieses Zeitraumes war die Durchschnittseinnahme dreiundachtzig bis vierundachtzig tausend Pfund Sterling jährlich, in den letzten zehn war sie auf dreiundfünfzig bis vierunvfünfzig tausend herabgesunken. Die blühendste Periode war die von 18IV bis 181b, gerade die Zeit der nationalen Bestrebun¬ gen und Opfer, aber auch des inneren Flors Englands, was einen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/769>, abgerufen am 23.12.2024.