ungen großen Wirkens. Besonders siel mir ans, was sie von der leichtsinnigen Vergeudung der Zeit sagte, und noch nie hatte ich von einer Frau solche Anempfehlung des Fleißes und'der Ordnung, als GrundetenedesStrebenseört.
der, Aehnliches kam über Gentz zur Sprache, jedoch in sehr verschie¬ dener Weise. Dann sprachen wir von Brinkmann, den ich gegen manche Urtheile, die ich über ihn gehört hatte, vertheidigen wollte. Aber Demoiselle Levin entriß mir diese Vertheidigung und führte sie kräftiger. Schwächen und Fehler! rief sie aus; wer hat die nicht, und wer sieht nicht leicht und scharf die fremden, wenn sie sich auch noch so sehr verstecken, um so mehr die, welche sich gutwillig und offen zeigen. Aber um's Himmelswillen! lassen Sie sich das gesagt sein, denn es ist im Leben eine Hauptsache, reagiren sie niemals ei¬ nen Menschen nach seinen Gebrechen, sondern nach seinem Guten und Tüchtigen; dahin richten Sie den Blick, und je größer die¬ ses ist, um so weniger dürfen jene gelten. Die Gemeinen ma¬ chen es umgekehrt, und weil sie das thun, sind sie die Gemei¬ nen. Sehen Sie Brinkmann's regen Geist und offenen Sinn, seinen vielseitigen Eifer, seine schönen Talente, und dann seine treue, unzer¬ störbare Freundschaft, sein Bedürfniß der Anhänglichkeit; erwägen Sie, was er ist und leistet, und dann blicken Sie umher, wie we¬ nige Menschen Sie von solchem Werth ersehen können. Hören Sie nicht auf die seichten Tadler! Die Besten wissen ihn wohl zu schäz- zen; fragen Sie Schleiermacher, fragen Sie Friedrich Schlegel, der so schwer Jemanden anerkennt, und von mir -- denn ich darf mich auälen -- hören Sie es schon, wie ich von ihm denke.
z Ich war auf solchen Lobeseifer fast neidisch und fand ihn doch so schön und richtig. Nach einigen Zwischenreden konnte ich nicht umhin, Demoiselle Levin zu preisen, daß sie der Mittelpunkt eines solchen Kreises sei, wie ich ihn gestern um sie versammelt gesehen. eerllenatei.
emg,g Aber kaum ausgesprochen, bereute ich das Wort schon. Die Saite, die ich berührt hatte, klang unerwartet heftig und schmerzvoll, und ich würde mich in großer Verlegenheit befunden haben, hätte ich nicht bald erkannt, daß ich doch nur unpersönlich bei den Aeußerun¬ gen dastand, die mir den Blick in das Innere dieses Gemüths er¬ öntn.
ee Grenzboten 1844. I. gg
ungen großen Wirkens. Besonders siel mir ans, was sie von der leichtsinnigen Vergeudung der Zeit sagte, und noch nie hatte ich von einer Frau solche Anempfehlung des Fleißes und'der Ordnung, als GrundetenedesStrebenseört.
der, Aehnliches kam über Gentz zur Sprache, jedoch in sehr verschie¬ dener Weise. Dann sprachen wir von Brinkmann, den ich gegen manche Urtheile, die ich über ihn gehört hatte, vertheidigen wollte. Aber Demoiselle Levin entriß mir diese Vertheidigung und führte sie kräftiger. Schwächen und Fehler! rief sie aus; wer hat die nicht, und wer sieht nicht leicht und scharf die fremden, wenn sie sich auch noch so sehr verstecken, um so mehr die, welche sich gutwillig und offen zeigen. Aber um's Himmelswillen! lassen Sie sich das gesagt sein, denn es ist im Leben eine Hauptsache, reagiren sie niemals ei¬ nen Menschen nach seinen Gebrechen, sondern nach seinem Guten und Tüchtigen; dahin richten Sie den Blick, und je größer die¬ ses ist, um so weniger dürfen jene gelten. Die Gemeinen ma¬ chen es umgekehrt, und weil sie das thun, sind sie die Gemei¬ nen. Sehen Sie Brinkmann's regen Geist und offenen Sinn, seinen vielseitigen Eifer, seine schönen Talente, und dann seine treue, unzer¬ störbare Freundschaft, sein Bedürfniß der Anhänglichkeit; erwägen Sie, was er ist und leistet, und dann blicken Sie umher, wie we¬ nige Menschen Sie von solchem Werth ersehen können. Hören Sie nicht auf die seichten Tadler! Die Besten wissen ihn wohl zu schäz- zen; fragen Sie Schleiermacher, fragen Sie Friedrich Schlegel, der so schwer Jemanden anerkennt, und von mir — denn ich darf mich auälen — hören Sie es schon, wie ich von ihm denke.
z Ich war auf solchen Lobeseifer fast neidisch und fand ihn doch so schön und richtig. Nach einigen Zwischenreden konnte ich nicht umhin, Demoiselle Levin zu preisen, daß sie der Mittelpunkt eines solchen Kreises sei, wie ich ihn gestern um sie versammelt gesehen. eerllenatei.
emg,g Aber kaum ausgesprochen, bereute ich das Wort schon. Die Saite, die ich berührt hatte, klang unerwartet heftig und schmerzvoll, und ich würde mich in großer Verlegenheit befunden haben, hätte ich nicht bald erkannt, daß ich doch nur unpersönlich bei den Aeußerun¬ gen dastand, die mir den Blick in das Innere dieses Gemüths er¬ öntn.
ee Grenzboten 1844. I. gg
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einer Frau solche Anempfehlung des Fleißes und'der Ordnung, als
GrundetenedesStrebenseört.
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Aehnliches kam über Gentz zur Sprache, jedoch in sehr verschie¬
dener Weise. Dann sprachen wir von Brinkmann, den ich gegen
manche Urtheile, die ich über ihn gehört hatte, vertheidigen wollte.
Aber Demoiselle Levin entriß mir diese Vertheidigung und führte sie
kräftiger. Schwächen und Fehler! rief sie aus; wer hat die nicht,
und wer sieht nicht leicht und scharf die fremden, wenn sie sich auch
noch so sehr verstecken, um so mehr die, welche sich gutwillig und
offen zeigen. Aber um's Himmelswillen! lassen Sie sich das gesagt
sein, denn es ist im Leben eine Hauptsache, reagiren sie niemals ei¬
nen Menschen nach seinen Gebrechen, sondern nach seinem Guten
und Tüchtigen; dahin richten Sie den Blick, und je größer die¬
ses ist, um so weniger dürfen jene gelten. Die Gemeinen ma¬
chen es umgekehrt, und weil sie das thun, sind sie die Gemei¬
nen. Sehen Sie Brinkmann's regen Geist und offenen Sinn, seinen
vielseitigen Eifer, seine schönen Talente, und dann seine treue, unzer¬
störbare Freundschaft, sein Bedürfniß der Anhänglichkeit; erwägen
Sie, was er ist und leistet, und dann blicken Sie umher, wie we¬
nige Menschen Sie von solchem Werth ersehen können. Hören Sie
nicht auf die seichten Tadler! Die Besten wissen ihn wohl zu schäz-
zen; fragen Sie Schleiermacher, fragen Sie Friedrich Schlegel, der
so schwer Jemanden anerkennt, und von mir — denn ich darf mich
auälen — hören Sie es schon, wie ich von ihm denke.
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Ich war auf solchen Lobeseifer fast neidisch und fand ihn doch
so schön und richtig. Nach einigen Zwischenreden konnte ich nicht
umhin, Demoiselle Levin zu preisen, daß sie der Mittelpunkt eines
solchen Kreises sei, wie ich ihn gestern um sie versammelt gesehen.
eerllenatei.
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Aber kaum ausgesprochen, bereute ich das Wort schon. Die
Saite, die ich berührt hatte, klang unerwartet heftig und schmerzvoll,
und ich würde mich in großer Verlegenheit befunden haben, hätte ich
nicht bald erkannt, daß ich doch nur unpersönlich bei den Aeußerun¬
gen dastand, die mir den Blick in das Innere dieses Gemüths er¬
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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/749>, abgerufen am 23.12.2024.
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