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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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denn die Anderen thun würden. Die Prinzessin wurde roth bis
in die Augen vor Zorn, brach die Unterredung ab und ließ den
Schalk seiner Wege gehen. Ich mußte die kaustische Energie dieser
Geistesgegenwart anerkennen, jedoch abermals bedauern, daß so schöne
Gaben sich im üblen Stoffe verschwendeten.

Unterdessen hatte sich die Gesellschaft durch einige Frauenzimmer
vermehrt, mit denen auch Brinkmann sich gleich zu thun machte. Sie
gehörten zum Hause; die eine nahm sich des Theemachens an, der
anderen wurde ich vorgestellt, sie war die Schwägerin der Demoiselle
Levin, mit der sie übrigens keine Geistesverwandtschaft zeigte. Um
so mehr fiel mir die liebevolle und sorgsame Art auf, mit der diese
sie behandelte, in das Gespräch zog und ihre unbedeutenden Aeuße¬
rungen geltend machte. Brinkmann, der wieder zu mir getreten war,
sagte mir, das sei kein Wunder, seine vortreffliche Freundin habe so
viel Geist, daß sie dessen von Niemanden verlange und mit anderen
guten Eigenschaften zufrieden sei. Zudem aber hege sie die stärkste
und zärtlichste Zuneigung für ihre ganze Familie, darin sei sie die
echte Orientalin, für die Mutter, die in der That eine äußerst gute
und würdige Frau sei, für die Geschwister; besonders aber liebe sie
leidenschaftlich zwei kleine Nichten, Töchter dieser Schwägerin.

Er schilderte mir in wenigen Worten die Brüder; der jüngste
war in der weiten Welt, von den beiden anwesenden war mir der
ältere als Kaufmann angegeben worden, er benahm sich zurückhaltend
und abgemessen, gefiel mir aber nicht; der jüngere hingegen, Ludwig
Robert, zeigte ein bequemes Dasein, eine lässige Gleichgiltigkeit, die
gesellschaftlich einen angenehmen Eindruck machte; seine Physiogno¬
mie war bedeutend, der scharfe Denker und Beobachter blickte selbst
aus der Lässigkeit hervor. Beide Brüder machten zu der herzlichen
Wärme und edlen Freiheit der Schwester ein um so stärkeres Gegen¬
bild, als ihr besonders für diese Brüder eine stets thätige und bei¬
nahe zärtliche Sorge immer anzumerken war.

Das Gespräch wurde sehr lebhaft und wogte, zwischen den Per¬
sonen wechselnd, über die mannigfachsten Gegenstände hin. Ich wäre
nicht fähig, die raschen Wendungen und den verschiedenartigen In¬
halt hier wiederzugeben und wage den Versuch nicht. Man sprach
vom Theater, von Fleck, dessen Krankheit und wahrscheinlich nahen


denn die Anderen thun würden. Die Prinzessin wurde roth bis
in die Augen vor Zorn, brach die Unterredung ab und ließ den
Schalk seiner Wege gehen. Ich mußte die kaustische Energie dieser
Geistesgegenwart anerkennen, jedoch abermals bedauern, daß so schöne
Gaben sich im üblen Stoffe verschwendeten.

Unterdessen hatte sich die Gesellschaft durch einige Frauenzimmer
vermehrt, mit denen auch Brinkmann sich gleich zu thun machte. Sie
gehörten zum Hause; die eine nahm sich des Theemachens an, der
anderen wurde ich vorgestellt, sie war die Schwägerin der Demoiselle
Levin, mit der sie übrigens keine Geistesverwandtschaft zeigte. Um
so mehr fiel mir die liebevolle und sorgsame Art auf, mit der diese
sie behandelte, in das Gespräch zog und ihre unbedeutenden Aeuße¬
rungen geltend machte. Brinkmann, der wieder zu mir getreten war,
sagte mir, das sei kein Wunder, seine vortreffliche Freundin habe so
viel Geist, daß sie dessen von Niemanden verlange und mit anderen
guten Eigenschaften zufrieden sei. Zudem aber hege sie die stärkste
und zärtlichste Zuneigung für ihre ganze Familie, darin sei sie die
echte Orientalin, für die Mutter, die in der That eine äußerst gute
und würdige Frau sei, für die Geschwister; besonders aber liebe sie
leidenschaftlich zwei kleine Nichten, Töchter dieser Schwägerin.

Er schilderte mir in wenigen Worten die Brüder; der jüngste
war in der weiten Welt, von den beiden anwesenden war mir der
ältere als Kaufmann angegeben worden, er benahm sich zurückhaltend
und abgemessen, gefiel mir aber nicht; der jüngere hingegen, Ludwig
Robert, zeigte ein bequemes Dasein, eine lässige Gleichgiltigkeit, die
gesellschaftlich einen angenehmen Eindruck machte; seine Physiogno¬
mie war bedeutend, der scharfe Denker und Beobachter blickte selbst
aus der Lässigkeit hervor. Beide Brüder machten zu der herzlichen
Wärme und edlen Freiheit der Schwester ein um so stärkeres Gegen¬
bild, als ihr besonders für diese Brüder eine stets thätige und bei¬
nahe zärtliche Sorge immer anzumerken war.

Das Gespräch wurde sehr lebhaft und wogte, zwischen den Per¬
sonen wechselnd, über die mannigfachsten Gegenstände hin. Ich wäre
nicht fähig, die raschen Wendungen und den verschiedenartigen In¬
halt hier wiederzugeben und wage den Versuch nicht. Man sprach
vom Theater, von Fleck, dessen Krankheit und wahrscheinlich nahen


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[0722] denn die Anderen thun würden. Die Prinzessin wurde roth bis in die Augen vor Zorn, brach die Unterredung ab und ließ den Schalk seiner Wege gehen. Ich mußte die kaustische Energie dieser Geistesgegenwart anerkennen, jedoch abermals bedauern, daß so schöne Gaben sich im üblen Stoffe verschwendeten. Unterdessen hatte sich die Gesellschaft durch einige Frauenzimmer vermehrt, mit denen auch Brinkmann sich gleich zu thun machte. Sie gehörten zum Hause; die eine nahm sich des Theemachens an, der anderen wurde ich vorgestellt, sie war die Schwägerin der Demoiselle Levin, mit der sie übrigens keine Geistesverwandtschaft zeigte. Um so mehr fiel mir die liebevolle und sorgsame Art auf, mit der diese sie behandelte, in das Gespräch zog und ihre unbedeutenden Aeuße¬ rungen geltend machte. Brinkmann, der wieder zu mir getreten war, sagte mir, das sei kein Wunder, seine vortreffliche Freundin habe so viel Geist, daß sie dessen von Niemanden verlange und mit anderen guten Eigenschaften zufrieden sei. Zudem aber hege sie die stärkste und zärtlichste Zuneigung für ihre ganze Familie, darin sei sie die echte Orientalin, für die Mutter, die in der That eine äußerst gute und würdige Frau sei, für die Geschwister; besonders aber liebe sie leidenschaftlich zwei kleine Nichten, Töchter dieser Schwägerin. Er schilderte mir in wenigen Worten die Brüder; der jüngste war in der weiten Welt, von den beiden anwesenden war mir der ältere als Kaufmann angegeben worden, er benahm sich zurückhaltend und abgemessen, gefiel mir aber nicht; der jüngere hingegen, Ludwig Robert, zeigte ein bequemes Dasein, eine lässige Gleichgiltigkeit, die gesellschaftlich einen angenehmen Eindruck machte; seine Physiogno¬ mie war bedeutend, der scharfe Denker und Beobachter blickte selbst aus der Lässigkeit hervor. Beide Brüder machten zu der herzlichen Wärme und edlen Freiheit der Schwester ein um so stärkeres Gegen¬ bild, als ihr besonders für diese Brüder eine stets thätige und bei¬ nahe zärtliche Sorge immer anzumerken war. Das Gespräch wurde sehr lebhaft und wogte, zwischen den Per¬ sonen wechselnd, über die mannigfachsten Gegenstände hin. Ich wäre nicht fähig, die raschen Wendungen und den verschiedenartigen In¬ halt hier wiederzugeben und wage den Versuch nicht. Man sprach vom Theater, von Fleck, dessen Krankheit und wahrscheinlich nahen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/722>, abgerufen am 23.12.2024.