Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

Bild:
<< vorherige Seite
Mit einer ungeheuren Woge.
Wie Ihr die Blumen des Feldes:
So bindet Euch,
Den Herrn, den Knecht,
Den Meister und den Schüler,
Die Gleichheit in einen Strauß zusammen
Und reicht ihn selig dem Ewigen,
Der ihn lächelnd steckt an seine Brust
Und unerkannt
Auf Erden wallt,
Im schlichten Kleide."



"Auf den Gebirgen wirst Du leben,
Trinken die Lüste mit mächtigem Zuge,
Die quellende Ammenmilch der Natur.
Dein höchstes Verbrechen, Dein tiefstes Verschulden.-
Daß Du vom Aste das Blättchen reißest,
Ein Blümlein der schweifende Fuß zertritt.
Wie die keusche, antlitzverhüllende Nonne
Im Klostergarten den Schleier hebt,
Im eingefriedigten, unbelauschten:
Wird Deine schüchterne Thräne sein --
Hier darfst Du weinen, ja weinen in Gottes
sorgenfreier Einsiedelei.
Seine Züge, die fremd Dir geworden,
Hier erkennst Du sie wiederum;
Tauchest Dein Haupt, das adlerumkreistc,
In der Gezweige rauschend Gebet.
Seine kindlichen ersten Laute
Redet hier der erquickende Quell ;
Heilende Kräuter und die Gewitter
Wachsen in Deiner Nähe auf.
Und die Genesung, die reiche Pathe,
Hebt Dich aus der Taufe der Thränen,
Und mit den Lerchen schwörest Du wieder

Mit einer ungeheuren Woge.
Wie Ihr die Blumen des Feldes:
So bindet Euch,
Den Herrn, den Knecht,
Den Meister und den Schüler,
Die Gleichheit in einen Strauß zusammen
Und reicht ihn selig dem Ewigen,
Der ihn lächelnd steckt an seine Brust
Und unerkannt
Auf Erden wallt,
Im schlichten Kleide."



„Auf den Gebirgen wirst Du leben,
Trinken die Lüste mit mächtigem Zuge,
Die quellende Ammenmilch der Natur.
Dein höchstes Verbrechen, Dein tiefstes Verschulden.-
Daß Du vom Aste das Blättchen reißest,
Ein Blümlein der schweifende Fuß zertritt.
Wie die keusche, antlitzverhüllende Nonne
Im Klostergarten den Schleier hebt,
Im eingefriedigten, unbelauschten:
Wird Deine schüchterne Thräne sein —
Hier darfst Du weinen, ja weinen in Gottes
sorgenfreier Einsiedelei.
Seine Züge, die fremd Dir geworden,
Hier erkennst Du sie wiederum;
Tauchest Dein Haupt, das adlerumkreistc,
In der Gezweige rauschend Gebet.
Seine kindlichen ersten Laute
Redet hier der erquickende Quell ;
Heilende Kräuter und die Gewitter
Wachsen in Deiner Nähe auf.
Und die Genesung, die reiche Pathe,
Hebt Dich aus der Taufe der Thränen,
Und mit den Lerchen schwörest Du wieder

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0625" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180338"/>
          <lg xml:id="POEMID_22" prev="#POEMID_21" type="poem">
            <l> Mit einer ungeheuren Woge.<lb/>
Wie Ihr die Blumen des Feldes:<lb/>
So bindet Euch,<lb/>
Den Herrn, den Knecht,<lb/>
Den Meister und den Schüler,<lb/>
Die Gleichheit in einen Strauß zusammen<lb/>
Und reicht ihn selig dem Ewigen,<lb/>
Der ihn lächelnd steckt an seine Brust<lb/>
Und unerkannt<lb/>
Auf Erden wallt,<lb/>
Im schlichten Kleide."<lb/></l>
          </lg><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <lg xml:id="POEMID_23" type="poem" next="#POEMID_24">
            <l> &#x201E;Auf den Gebirgen wirst Du leben,<lb/>
Trinken die Lüste mit mächtigem Zuge,<lb/><lb/>
Die quellende Ammenmilch der Natur.<lb/>
Dein höchstes Verbrechen, Dein tiefstes Verschulden.-<lb/><lb/>
Daß Du vom Aste das Blättchen reißest,<lb/>
Ein Blümlein der schweifende Fuß zertritt.<lb/><lb/>
Wie die keusche, antlitzverhüllende Nonne<lb/><lb/>
Im Klostergarten den Schleier hebt,<lb/><lb/>
Im eingefriedigten, unbelauschten:<lb/>
Wird Deine schüchterne Thräne sein &#x2014;<lb/><lb/>
Hier darfst Du weinen, ja weinen in Gottes<lb/>
sorgenfreier Einsiedelei.<lb/><lb/>
Seine Züge, die fremd Dir geworden,<lb/><lb/>
Hier erkennst Du sie wiederum;<lb/>
Tauchest Dein Haupt, das adlerumkreistc,<lb/><lb/>
In der Gezweige rauschend Gebet.<lb/>
Seine kindlichen ersten Laute<lb/><lb/>
Redet hier der erquickende Quell ;<lb/><lb/>
Heilende Kräuter und die Gewitter<lb/><lb/>
Wachsen in Deiner Nähe auf.<lb/><lb/>
Und die Genesung, die reiche Pathe,<lb/><lb/>
Hebt Dich aus der Taufe der Thränen,<lb/>
Und mit den Lerchen schwörest Du wieder<lb/></l>
          </lg><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0625] Mit einer ungeheuren Woge. Wie Ihr die Blumen des Feldes: So bindet Euch, Den Herrn, den Knecht, Den Meister und den Schüler, Die Gleichheit in einen Strauß zusammen Und reicht ihn selig dem Ewigen, Der ihn lächelnd steckt an seine Brust Und unerkannt Auf Erden wallt, Im schlichten Kleide." „Auf den Gebirgen wirst Du leben, Trinken die Lüste mit mächtigem Zuge, Die quellende Ammenmilch der Natur. Dein höchstes Verbrechen, Dein tiefstes Verschulden.- Daß Du vom Aste das Blättchen reißest, Ein Blümlein der schweifende Fuß zertritt. Wie die keusche, antlitzverhüllende Nonne Im Klostergarten den Schleier hebt, Im eingefriedigten, unbelauschten: Wird Deine schüchterne Thräne sein — Hier darfst Du weinen, ja weinen in Gottes sorgenfreier Einsiedelei. Seine Züge, die fremd Dir geworden, Hier erkennst Du sie wiederum; Tauchest Dein Haupt, das adlerumkreistc, In der Gezweige rauschend Gebet. Seine kindlichen ersten Laute Redet hier der erquickende Quell ; Heilende Kräuter und die Gewitter Wachsen in Deiner Nähe auf. Und die Genesung, die reiche Pathe, Hebt Dich aus der Taufe der Thränen, Und mit den Lerchen schwörest Du wieder

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/625
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/625>, abgerufen am 22.12.2024.