Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

Bild:
<< vorherige Seite

digst herab, sich zu amüsiren, aber sie selbst hielt sich in gemessener
Ferne. Die Menge folgte dem Beispiel aus Unselbständigkeit oder
aus Ungeschick, das ganze Treiben war zu neu, die Menschen ein¬
ander zu fremd, hie und da die Kunst selbst noch in keinem Credit,
so zerfielen die Versuche.

Wahre Geselligkeit kann nur im ungezwungenen Verkehr beider
Geschlechter stattfinden. Allein auch hier treffen wir auf Mißbestand und
Schwierigkeiten. Durch die bisherige große Trennung beider Geschlechter
fühlen sich diese, theils noch zu befangen einander gegenüber, theils
finden sie kein Interesse oder keine Beziehungen in der Unterhaltung
gemischter Gesellschaften; ein großer Theil, selbst der gebildeteren
Klasse, ist noch zu fremd mit den Ideen der Zeit, zu entfernt von den
Mitteln, die als Grundlage einer guten Unterhaltung erforderlich sind.

Wir sind mitunter noch so weit zurück, daß wir nicht einmal
zu disputiren vermögen, ohne Gefahr, persönlich und persönlich belei¬
digend zu werden.

Wie Wenige vermögen die Sache von der Person zu trennen.
Meistens glaubt man sich selbst angegriffen, und Ente werden sogar
schon durch die bloße Meinungsverschiedenheit beleidigt. Viele, oft
die Begabtesten, sind ohne alle gesellige Verbindungen und eben da¬
rum aller Mittel beraubt, ihre geselligen Talente auszubilden, haupt¬
sächlich aber ist im Allgemeinen der Mangel gemischter Gesellschaft
fühlbar. Der weibliche Theil, wenn nicht wirklich gehemmt durch
häusliche Verhältnisse, ist doch oft zu gleichgiltig für Bestrebungen
und Interessen, die ihn nicht unmittelbar selbst berühren, um sich einem
belebteren Gedankenaustausch hinzugeben. Es ist gar nicht zu läugnen,
daß die Vorurtheile und die Unduldsamkeit des weiblichen Geschlechts
das mächtigste Hinderniß einer harmonischen, freien, ungezwungenerer
und genußreicheren Geselligkeit sind, obgleich diese Unduldsamkeit wieder
eine natürliche Folge von dessen eigenthümlicher Stellung ist, die mit
der des Spielers identisch, dessen Gewinn nur auf den Verlust des
Anderen gebaut werden kann. Ferner sind viele junge Männer zu
bequem, sich einen leichten Zwang anzuthun, und ziehen daher die
ungebundenere Unterhaltung unter Ihresgleichen - - nur allzuhäufig
im Gasthaus - vor.

Im Hause, in der Familie, ist noch wenig Sinn für eine intel-


digst herab, sich zu amüsiren, aber sie selbst hielt sich in gemessener
Ferne. Die Menge folgte dem Beispiel aus Unselbständigkeit oder
aus Ungeschick, das ganze Treiben war zu neu, die Menschen ein¬
ander zu fremd, hie und da die Kunst selbst noch in keinem Credit,
so zerfielen die Versuche.

Wahre Geselligkeit kann nur im ungezwungenen Verkehr beider
Geschlechter stattfinden. Allein auch hier treffen wir auf Mißbestand und
Schwierigkeiten. Durch die bisherige große Trennung beider Geschlechter
fühlen sich diese, theils noch zu befangen einander gegenüber, theils
finden sie kein Interesse oder keine Beziehungen in der Unterhaltung
gemischter Gesellschaften; ein großer Theil, selbst der gebildeteren
Klasse, ist noch zu fremd mit den Ideen der Zeit, zu entfernt von den
Mitteln, die als Grundlage einer guten Unterhaltung erforderlich sind.

Wir sind mitunter noch so weit zurück, daß wir nicht einmal
zu disputiren vermögen, ohne Gefahr, persönlich und persönlich belei¬
digend zu werden.

Wie Wenige vermögen die Sache von der Person zu trennen.
Meistens glaubt man sich selbst angegriffen, und Ente werden sogar
schon durch die bloße Meinungsverschiedenheit beleidigt. Viele, oft
die Begabtesten, sind ohne alle gesellige Verbindungen und eben da¬
rum aller Mittel beraubt, ihre geselligen Talente auszubilden, haupt¬
sächlich aber ist im Allgemeinen der Mangel gemischter Gesellschaft
fühlbar. Der weibliche Theil, wenn nicht wirklich gehemmt durch
häusliche Verhältnisse, ist doch oft zu gleichgiltig für Bestrebungen
und Interessen, die ihn nicht unmittelbar selbst berühren, um sich einem
belebteren Gedankenaustausch hinzugeben. Es ist gar nicht zu läugnen,
daß die Vorurtheile und die Unduldsamkeit des weiblichen Geschlechts
das mächtigste Hinderniß einer harmonischen, freien, ungezwungenerer
und genußreicheren Geselligkeit sind, obgleich diese Unduldsamkeit wieder
eine natürliche Folge von dessen eigenthümlicher Stellung ist, die mit
der des Spielers identisch, dessen Gewinn nur auf den Verlust des
Anderen gebaut werden kann. Ferner sind viele junge Männer zu
bequem, sich einen leichten Zwang anzuthun, und ziehen daher die
ungebundenere Unterhaltung unter Ihresgleichen - - nur allzuhäufig
im Gasthaus - vor.

Im Hause, in der Familie, ist noch wenig Sinn für eine intel-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0617" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180330"/>
          <p xml:id="ID_1629" prev="#ID_1628"> digst herab, sich zu amüsiren, aber sie selbst hielt sich in gemessener<lb/>
Ferne. Die Menge folgte dem Beispiel aus Unselbständigkeit oder<lb/>
aus Ungeschick, das ganze Treiben war zu neu, die Menschen ein¬<lb/>
ander zu fremd, hie und da die Kunst selbst noch in keinem Credit,<lb/>
so zerfielen die Versuche.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1630"> Wahre Geselligkeit kann nur im ungezwungenen Verkehr beider<lb/>
Geschlechter stattfinden. Allein auch hier treffen wir auf Mißbestand und<lb/>
Schwierigkeiten. Durch die bisherige große Trennung beider Geschlechter<lb/>
fühlen sich diese, theils noch zu befangen einander gegenüber, theils<lb/>
finden sie kein Interesse oder keine Beziehungen in der Unterhaltung<lb/>
gemischter Gesellschaften; ein großer Theil, selbst der gebildeteren<lb/>
Klasse, ist noch zu fremd mit den Ideen der Zeit, zu entfernt von den<lb/>
Mitteln, die als Grundlage einer guten Unterhaltung erforderlich sind.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1631"> Wir sind mitunter noch so weit zurück, daß wir nicht einmal<lb/>
zu disputiren vermögen, ohne Gefahr, persönlich und persönlich belei¬<lb/>
digend zu werden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1632"> Wie Wenige vermögen die Sache von der Person zu trennen.<lb/>
Meistens glaubt man sich selbst angegriffen, und Ente werden sogar<lb/>
schon durch die bloße Meinungsverschiedenheit beleidigt. Viele, oft<lb/>
die Begabtesten, sind ohne alle gesellige Verbindungen und eben da¬<lb/>
rum aller Mittel beraubt, ihre geselligen Talente auszubilden, haupt¬<lb/>
sächlich aber ist im Allgemeinen der Mangel gemischter Gesellschaft<lb/>
fühlbar. Der weibliche Theil, wenn nicht wirklich gehemmt durch<lb/>
häusliche Verhältnisse, ist doch oft zu gleichgiltig für Bestrebungen<lb/>
und Interessen, die ihn nicht unmittelbar selbst berühren, um sich einem<lb/>
belebteren Gedankenaustausch hinzugeben. Es ist gar nicht zu läugnen,<lb/>
daß die Vorurtheile und die Unduldsamkeit des weiblichen Geschlechts<lb/>
das mächtigste Hinderniß einer harmonischen, freien, ungezwungenerer<lb/>
und genußreicheren Geselligkeit sind, obgleich diese Unduldsamkeit wieder<lb/>
eine natürliche Folge von dessen eigenthümlicher Stellung ist, die mit<lb/>
der des Spielers identisch, dessen Gewinn nur auf den Verlust des<lb/>
Anderen gebaut werden kann. Ferner sind viele junge Männer zu<lb/>
bequem, sich einen leichten Zwang anzuthun, und ziehen daher die<lb/>
ungebundenere Unterhaltung unter Ihresgleichen - - nur allzuhäufig<lb/>
im Gasthaus - vor.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1633" next="#ID_1634"> Im Hause, in der Familie, ist noch wenig Sinn für eine intel-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0617] digst herab, sich zu amüsiren, aber sie selbst hielt sich in gemessener Ferne. Die Menge folgte dem Beispiel aus Unselbständigkeit oder aus Ungeschick, das ganze Treiben war zu neu, die Menschen ein¬ ander zu fremd, hie und da die Kunst selbst noch in keinem Credit, so zerfielen die Versuche. Wahre Geselligkeit kann nur im ungezwungenen Verkehr beider Geschlechter stattfinden. Allein auch hier treffen wir auf Mißbestand und Schwierigkeiten. Durch die bisherige große Trennung beider Geschlechter fühlen sich diese, theils noch zu befangen einander gegenüber, theils finden sie kein Interesse oder keine Beziehungen in der Unterhaltung gemischter Gesellschaften; ein großer Theil, selbst der gebildeteren Klasse, ist noch zu fremd mit den Ideen der Zeit, zu entfernt von den Mitteln, die als Grundlage einer guten Unterhaltung erforderlich sind. Wir sind mitunter noch so weit zurück, daß wir nicht einmal zu disputiren vermögen, ohne Gefahr, persönlich und persönlich belei¬ digend zu werden. Wie Wenige vermögen die Sache von der Person zu trennen. Meistens glaubt man sich selbst angegriffen, und Ente werden sogar schon durch die bloße Meinungsverschiedenheit beleidigt. Viele, oft die Begabtesten, sind ohne alle gesellige Verbindungen und eben da¬ rum aller Mittel beraubt, ihre geselligen Talente auszubilden, haupt¬ sächlich aber ist im Allgemeinen der Mangel gemischter Gesellschaft fühlbar. Der weibliche Theil, wenn nicht wirklich gehemmt durch häusliche Verhältnisse, ist doch oft zu gleichgiltig für Bestrebungen und Interessen, die ihn nicht unmittelbar selbst berühren, um sich einem belebteren Gedankenaustausch hinzugeben. Es ist gar nicht zu läugnen, daß die Vorurtheile und die Unduldsamkeit des weiblichen Geschlechts das mächtigste Hinderniß einer harmonischen, freien, ungezwungenerer und genußreicheren Geselligkeit sind, obgleich diese Unduldsamkeit wieder eine natürliche Folge von dessen eigenthümlicher Stellung ist, die mit der des Spielers identisch, dessen Gewinn nur auf den Verlust des Anderen gebaut werden kann. Ferner sind viele junge Männer zu bequem, sich einen leichten Zwang anzuthun, und ziehen daher die ungebundenere Unterhaltung unter Ihresgleichen - - nur allzuhäufig im Gasthaus - vor. Im Hause, in der Familie, ist noch wenig Sinn für eine intel-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/617
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/617>, abgerufen am 23.12.2024.