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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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der Held in ein geift- und gefühlvolles Gespräch mit einer Heldin
verwickelt ist; am treffendsten sind gerade die Verwicklungen oder
Katastrophen, welche das Peinliche der konventionellen Entfernung,
das Schwierige der Annäherung zwischen den spielenden Personen
ausdrücken. Den Mann in seinem Kern und Wesen darzustellen,
kann man von einer Schriftstellerin nicht verlangen: das Weib in
rücksichtsloser Wahrheit zu geben, ist sie zu weiblich zart und partei¬
isch. Komische Eigenheiten, stereotype Aeußerlichkeiten, namentlich an
philiströsen Hausfrauen und Strickstrumpfseclen, wird sie mit unnach¬
ahmlicher Feinheit zeichnen; damit werden wir aber auch abgespeist.
Der Mann, wenn er schreibt, ist im Stande, jede Rücksicht auf sein
oder das andere Geschlecht zu vergessen: ich glaube nicht, daß eine
Schriftstellerin aufhören kann, beim Schreiben an ihren männlichen
Leser zu denken. Die Liebe ist ein unerschöpfliches Thema, aber nicht
für ein und dasselbe Buch, worin sich ein ganzes Leben spiegeln soll.
Den Mann faßt der weibliche Autor fast nur in seinem Verhältniß
zu den Frauen auf: alle die unzähligen anderen Seiten seines Lebens
sind gleichgiltig, oder bleiben unverstanden.Die Poesie des Weibes
aber ist ja eben nur die Liebe; entweder die Hoffnung der glücklichen,
die Erinnerung der unglücklichen, oder die Trauer und die Reue we¬
gen der verlorenen oder verschmähten Liebe. -- Kurz, ich möchte den
Frauen mehr dauerndes Glück in der Lyrik prophezeihen, als im
Roman.

Dies ist die Literatur "aus der Gesellschaft", in der die Frauen
Herren des Tages sind. Gönnt ihnen doch das kleine Feld, ihr bit¬
teren Literaturrichter, klagt nicht so unmännlich, als wärt ihr vom
Parnaß und vom Meßkatalog ausgeschlossen, ihr Männer, die ihr
mit der Feder ackert oder strickt, näht oder streitet. Wenn das Pub¬
likum, wie ihr sagt, wirklich nur noch den Frauen horcht und zu ih¬
ren Füßen sitzt, so ist es euere Schuld. HM ihr die wetteifernde
Frauenindustrie auch im historischen oder im Volksroman zu fürch¬
ten? Ob wohl Wilibald Aleris sein weibliches Gegenstück fin¬
det? Ob wohl Scott ein weibliches Echo weckt? Ich zweifle sehr,



Merkwürdig ist, daß sowohl bei der Goczun wie bei der Hahn die
Lieblingshelden, die Phantasie- und Gemüthsmenschen sast immer -- Diploma¬
ten sein müssen. Es sind freilich junge Diplomaten. Dieser Stand, der sonst
so viel mißhandelt wird, ist den beiden Damen nicht wenig Dank schuldi-z.

der Held in ein geift- und gefühlvolles Gespräch mit einer Heldin
verwickelt ist; am treffendsten sind gerade die Verwicklungen oder
Katastrophen, welche das Peinliche der konventionellen Entfernung,
das Schwierige der Annäherung zwischen den spielenden Personen
ausdrücken. Den Mann in seinem Kern und Wesen darzustellen,
kann man von einer Schriftstellerin nicht verlangen: das Weib in
rücksichtsloser Wahrheit zu geben, ist sie zu weiblich zart und partei¬
isch. Komische Eigenheiten, stereotype Aeußerlichkeiten, namentlich an
philiströsen Hausfrauen und Strickstrumpfseclen, wird sie mit unnach¬
ahmlicher Feinheit zeichnen; damit werden wir aber auch abgespeist.
Der Mann, wenn er schreibt, ist im Stande, jede Rücksicht auf sein
oder das andere Geschlecht zu vergessen: ich glaube nicht, daß eine
Schriftstellerin aufhören kann, beim Schreiben an ihren männlichen
Leser zu denken. Die Liebe ist ein unerschöpfliches Thema, aber nicht
für ein und dasselbe Buch, worin sich ein ganzes Leben spiegeln soll.
Den Mann faßt der weibliche Autor fast nur in seinem Verhältniß
zu den Frauen auf: alle die unzähligen anderen Seiten seines Lebens
sind gleichgiltig, oder bleiben unverstanden.Die Poesie des Weibes
aber ist ja eben nur die Liebe; entweder die Hoffnung der glücklichen,
die Erinnerung der unglücklichen, oder die Trauer und die Reue we¬
gen der verlorenen oder verschmähten Liebe. — Kurz, ich möchte den
Frauen mehr dauerndes Glück in der Lyrik prophezeihen, als im
Roman.

Dies ist die Literatur „aus der Gesellschaft", in der die Frauen
Herren des Tages sind. Gönnt ihnen doch das kleine Feld, ihr bit¬
teren Literaturrichter, klagt nicht so unmännlich, als wärt ihr vom
Parnaß und vom Meßkatalog ausgeschlossen, ihr Männer, die ihr
mit der Feder ackert oder strickt, näht oder streitet. Wenn das Pub¬
likum, wie ihr sagt, wirklich nur noch den Frauen horcht und zu ih¬
ren Füßen sitzt, so ist es euere Schuld. HM ihr die wetteifernde
Frauenindustrie auch im historischen oder im Volksroman zu fürch¬
ten? Ob wohl Wilibald Aleris sein weibliches Gegenstück fin¬
det? Ob wohl Scott ein weibliches Echo weckt? Ich zweifle sehr,



Merkwürdig ist, daß sowohl bei der Goczun wie bei der Hahn die
Lieblingshelden, die Phantasie- und Gemüthsmenschen sast immer — Diploma¬
ten sein müssen. Es sind freilich junge Diplomaten. Dieser Stand, der sonst
so viel mißhandelt wird, ist den beiden Damen nicht wenig Dank schuldi-z.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/555>, abgerufen am 23.12.2024.