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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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Aus Berlin

Pauperismus. -- Mundt, Eichhorn und Nauwerk. -- Theater.--Hagn.-- Adol¬
phine Neumann. -- Döring. -- Pariser Tanriemes und deutsche.

Da sammeln sie nun jetzt aller Orten für die schlesischen Weber,
>n Concerten wird für sie gesiedelt, in langweiligen Broschüren für
sie geschrieben, ganze Vereine und organisirte Gesellschaften mit Prä¬
sidenten und Aktenträgern werden gebildet, natürlich Alles mit "hoher
Bewilligung". Kommt aber Jemand, der zu wissenschaftlichem Zweck
einen Verein bilden, der mit Andern den himmlischen Rechtszustand
menschlicher Institutionen besprechen will, dem klopfen sie, gleich ei¬
nem Schulbübchen, mit ihrem hölzernen Lineal auf die Finger. Es
ist keine Rede davon, ob die Lage der armen Weber nicht in jeder
Hinsicht eine hilfsbedürftige, wohl aber, wessen Sache es ist,
die Hilfe zu leisten. Ich frage, kann die Armuth eines ganzen Volks¬
theiles der Gegenstand von Privatmildthätigkeit sein? Es ist schon
so jämmerlich klein, im Ueberfluß Großmuth zu üben, die Brosamen
von der Tafel dem Bettler zuzuwerfen, doch säyigt es vielleicht diesen
Einzelnen. Aber ein Volk, eine "Kaste"! Naturgemäß ist der, wel¬
cher den Vortheil eines Anderen theilt, zur Abhilfe in der Noth ge¬
halten, und wenn die Weide in dürren Jahren Nichts bietet, so füt¬
tert der Bauer den Ochsen im Stall, der ihm die Fruchtwagen her¬
einzieht. Wenn eine Provinz reich und blühend ist, so wird ein
weiser Staat diesen Bortheil benutzen, wer tadelt das? Aber dann
soll er sich ihrer auch annehmen, wenn sie mit Noth und Mangel
ringt*).



*) Die Noth der schlesischen Weber ist keine alleinstehende; in dem säch¬
sischen und böhmischen Erzgebirge zeigt sich dieselbe Erscheinung aus eine herz-
Tage b u clj.
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Aus Berlin

Pauperismus. — Mundt, Eichhorn und Nauwerk. — Theater.—Hagn.— Adol¬
phine Neumann. — Döring. — Pariser Tanriemes und deutsche.

Da sammeln sie nun jetzt aller Orten für die schlesischen Weber,
>n Concerten wird für sie gesiedelt, in langweiligen Broschüren für
sie geschrieben, ganze Vereine und organisirte Gesellschaften mit Prä¬
sidenten und Aktenträgern werden gebildet, natürlich Alles mit „hoher
Bewilligung". Kommt aber Jemand, der zu wissenschaftlichem Zweck
einen Verein bilden, der mit Andern den himmlischen Rechtszustand
menschlicher Institutionen besprechen will, dem klopfen sie, gleich ei¬
nem Schulbübchen, mit ihrem hölzernen Lineal auf die Finger. Es
ist keine Rede davon, ob die Lage der armen Weber nicht in jeder
Hinsicht eine hilfsbedürftige, wohl aber, wessen Sache es ist,
die Hilfe zu leisten. Ich frage, kann die Armuth eines ganzen Volks¬
theiles der Gegenstand von Privatmildthätigkeit sein? Es ist schon
so jämmerlich klein, im Ueberfluß Großmuth zu üben, die Brosamen
von der Tafel dem Bettler zuzuwerfen, doch säyigt es vielleicht diesen
Einzelnen. Aber ein Volk, eine „Kaste"! Naturgemäß ist der, wel¬
cher den Vortheil eines Anderen theilt, zur Abhilfe in der Noth ge¬
halten, und wenn die Weide in dürren Jahren Nichts bietet, so füt¬
tert der Bauer den Ochsen im Stall, der ihm die Fruchtwagen her¬
einzieht. Wenn eine Provinz reich und blühend ist, so wird ein
weiser Staat diesen Bortheil benutzen, wer tadelt das? Aber dann
soll er sich ihrer auch annehmen, wenn sie mit Noth und Mangel
ringt*).



*) Die Noth der schlesischen Weber ist keine alleinstehende; in dem säch¬
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[0541] Tage b u clj. i Aus Berlin Pauperismus. — Mundt, Eichhorn und Nauwerk. — Theater.—Hagn.— Adol¬ phine Neumann. — Döring. — Pariser Tanriemes und deutsche. Da sammeln sie nun jetzt aller Orten für die schlesischen Weber, >n Concerten wird für sie gesiedelt, in langweiligen Broschüren für sie geschrieben, ganze Vereine und organisirte Gesellschaften mit Prä¬ sidenten und Aktenträgern werden gebildet, natürlich Alles mit „hoher Bewilligung". Kommt aber Jemand, der zu wissenschaftlichem Zweck einen Verein bilden, der mit Andern den himmlischen Rechtszustand menschlicher Institutionen besprechen will, dem klopfen sie, gleich ei¬ nem Schulbübchen, mit ihrem hölzernen Lineal auf die Finger. Es ist keine Rede davon, ob die Lage der armen Weber nicht in jeder Hinsicht eine hilfsbedürftige, wohl aber, wessen Sache es ist, die Hilfe zu leisten. Ich frage, kann die Armuth eines ganzen Volks¬ theiles der Gegenstand von Privatmildthätigkeit sein? Es ist schon so jämmerlich klein, im Ueberfluß Großmuth zu üben, die Brosamen von der Tafel dem Bettler zuzuwerfen, doch säyigt es vielleicht diesen Einzelnen. Aber ein Volk, eine „Kaste"! Naturgemäß ist der, wel¬ cher den Vortheil eines Anderen theilt, zur Abhilfe in der Noth ge¬ halten, und wenn die Weide in dürren Jahren Nichts bietet, so füt¬ tert der Bauer den Ochsen im Stall, der ihm die Fruchtwagen her¬ einzieht. Wenn eine Provinz reich und blühend ist, so wird ein weiser Staat diesen Bortheil benutzen, wer tadelt das? Aber dann soll er sich ihrer auch annehmen, wenn sie mit Noth und Mangel ringt*). *) Die Noth der schlesischen Weber ist keine alleinstehende; in dem säch¬ sischen und böhmischen Erzgebirge zeigt sich dieselbe Erscheinung aus eine herz-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/541>, abgerufen am 22.12.2024.