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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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haben, die er dem Sohne eines Unterthans vor den Augen des Vol¬
kes zu Theil werden läßt.

Dieser Sohn aus dem Volke muß entweder etwas Außerordent¬
liches sein, oder er muß auf die wunderbarste Weise in ein näheres
Verhältniß zu dem Grafen gerathen sein.

Das Außerordentliche wäre: ein großer Dichter, Maler, Bild¬
hauer oder Schauspieler; aber der Himmel bewahre Se. Excellenz
vor einem großen Dichter; aber bewahre ihn auch vor Malern, Bild¬
hauern, Schauspielern, denn er steht auf einem bedeutenden Staats¬
posten -- und da weiß man schon --

Das Außerordentliche ferner wäre: daß der junge Sohn aus
dem Volke einen bedeutenderen Staatsposten bekleide als Se. Excel¬
lenz, die doch gut in den Vierzigern -- aber, du gütiger Himmel!
an diesem Gedanken ist das Außerordentliche so außerordentlich, daß
eS unmöglich so kommen kann. Auch da weiß man schon --

Oder das Außerordentliche wäre gar: dieser Sohn aus dem
Volke sei ein Virtuos, oder Komponist, oder Sänger, bedeutend durch
die Mode im Schwung -- und der jungen musikalischen Frau
Gräfin vorzüglicher Günstling. Das wäre möglich. Diese gang¬
barste Modefirma öffnet alle Zugänge. Man weiß es.

Wie dem aber sei, wollen wir die Begebenheit weiter verfolgen.

Der gräfliche Wagen hat indessen unseren glücklichen Dorfsohn
eine gute Strecke entführt und beide Freunde haben viel und lebhaft
über verschiedene Dinge gesprochen.

Se. Excellenz stellt eben die eitle Frage, ob sich denn sein jun¬
ger Begleiter seit seinem Aufenthalte schon umgesehen, und wie er
die Besitzung finde, und so weiter.

Diese Frage zu beantworten, scheint der Gefragte ein wenig
nachdenken zu müssen. Er erwiedert erst nach einer längeren Pause:

-- Ich lebe nicht gerne ohne Bekanntschaft mit meinen Umge¬
bungen. Diese kennen zu lernen, lasse ich mir lieber eine Weile so¬
gar den Vorwurf von Zudringlichkeit machen, halte mich dann an's
Gute und ziehe mich vom Schlechten zurück. Ja. Schöne, einträg¬
liche Gegend, viel Wald, fleißige Menschen.

-- Nicht wahr?

-- Ja. -- Doch wird der Boden mehr benutzt, wie ich glaube,
als die Menschen.


haben, die er dem Sohne eines Unterthans vor den Augen des Vol¬
kes zu Theil werden läßt.

Dieser Sohn aus dem Volke muß entweder etwas Außerordent¬
liches sein, oder er muß auf die wunderbarste Weise in ein näheres
Verhältniß zu dem Grafen gerathen sein.

Das Außerordentliche wäre: ein großer Dichter, Maler, Bild¬
hauer oder Schauspieler; aber der Himmel bewahre Se. Excellenz
vor einem großen Dichter; aber bewahre ihn auch vor Malern, Bild¬
hauern, Schauspielern, denn er steht auf einem bedeutenden Staats¬
posten — und da weiß man schon —

Das Außerordentliche ferner wäre: daß der junge Sohn aus
dem Volke einen bedeutenderen Staatsposten bekleide als Se. Excel¬
lenz, die doch gut in den Vierzigern — aber, du gütiger Himmel!
an diesem Gedanken ist das Außerordentliche so außerordentlich, daß
eS unmöglich so kommen kann. Auch da weiß man schon —

Oder das Außerordentliche wäre gar: dieser Sohn aus dem
Volke sei ein Virtuos, oder Komponist, oder Sänger, bedeutend durch
die Mode im Schwung — und der jungen musikalischen Frau
Gräfin vorzüglicher Günstling. Das wäre möglich. Diese gang¬
barste Modefirma öffnet alle Zugänge. Man weiß es.

Wie dem aber sei, wollen wir die Begebenheit weiter verfolgen.

Der gräfliche Wagen hat indessen unseren glücklichen Dorfsohn
eine gute Strecke entführt und beide Freunde haben viel und lebhaft
über verschiedene Dinge gesprochen.

Se. Excellenz stellt eben die eitle Frage, ob sich denn sein jun¬
ger Begleiter seit seinem Aufenthalte schon umgesehen, und wie er
die Besitzung finde, und so weiter.

Diese Frage zu beantworten, scheint der Gefragte ein wenig
nachdenken zu müssen. Er erwiedert erst nach einer längeren Pause:

— Ich lebe nicht gerne ohne Bekanntschaft mit meinen Umge¬
bungen. Diese kennen zu lernen, lasse ich mir lieber eine Weile so¬
gar den Vorwurf von Zudringlichkeit machen, halte mich dann an's
Gute und ziehe mich vom Schlechten zurück. Ja. Schöne, einträg¬
liche Gegend, viel Wald, fleißige Menschen.

— Nicht wahr?

— Ja. — Doch wird der Boden mehr benutzt, wie ich glaube,
als die Menschen.


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[0052] haben, die er dem Sohne eines Unterthans vor den Augen des Vol¬ kes zu Theil werden läßt. Dieser Sohn aus dem Volke muß entweder etwas Außerordent¬ liches sein, oder er muß auf die wunderbarste Weise in ein näheres Verhältniß zu dem Grafen gerathen sein. Das Außerordentliche wäre: ein großer Dichter, Maler, Bild¬ hauer oder Schauspieler; aber der Himmel bewahre Se. Excellenz vor einem großen Dichter; aber bewahre ihn auch vor Malern, Bild¬ hauern, Schauspielern, denn er steht auf einem bedeutenden Staats¬ posten — und da weiß man schon — Das Außerordentliche ferner wäre: daß der junge Sohn aus dem Volke einen bedeutenderen Staatsposten bekleide als Se. Excel¬ lenz, die doch gut in den Vierzigern — aber, du gütiger Himmel! an diesem Gedanken ist das Außerordentliche so außerordentlich, daß eS unmöglich so kommen kann. Auch da weiß man schon — Oder das Außerordentliche wäre gar: dieser Sohn aus dem Volke sei ein Virtuos, oder Komponist, oder Sänger, bedeutend durch die Mode im Schwung — und der jungen musikalischen Frau Gräfin vorzüglicher Günstling. Das wäre möglich. Diese gang¬ barste Modefirma öffnet alle Zugänge. Man weiß es. Wie dem aber sei, wollen wir die Begebenheit weiter verfolgen. Der gräfliche Wagen hat indessen unseren glücklichen Dorfsohn eine gute Strecke entführt und beide Freunde haben viel und lebhaft über verschiedene Dinge gesprochen. Se. Excellenz stellt eben die eitle Frage, ob sich denn sein jun¬ ger Begleiter seit seinem Aufenthalte schon umgesehen, und wie er die Besitzung finde, und so weiter. Diese Frage zu beantworten, scheint der Gefragte ein wenig nachdenken zu müssen. Er erwiedert erst nach einer längeren Pause: — Ich lebe nicht gerne ohne Bekanntschaft mit meinen Umge¬ bungen. Diese kennen zu lernen, lasse ich mir lieber eine Weile so¬ gar den Vorwurf von Zudringlichkeit machen, halte mich dann an's Gute und ziehe mich vom Schlechten zurück. Ja. Schöne, einträg¬ liche Gegend, viel Wald, fleißige Menschen. — Nicht wahr? — Ja. — Doch wird der Boden mehr benutzt, wie ich glaube, als die Menschen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/52>, abgerufen am 23.12.2024.