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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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beschränkt wissen! Aber man wird uns am Ende auch darin nach¬
geben und nur verlangen, daß eine entsprechende, würdige Idee da¬
bei zu Grunde liege. Wenn wir uns auch hierin mit unsern Geg¬
nern einverstanden erklären, so können wir doch ihre ätherischen An¬
sichten über jene Ideen nicht theilen. Außer der Vaterlandsliebe
sollen Wissenschaftlichkeit und Sittlichkeit die alleinigen leitenden Ideen,
das einzige Band sein, welches die Mitglieder der studentischen Ver¬
bindungen umschlingt. Ohne die hohe Bedeutung dieser Ideen zu
verkennen, erlauben wir uns die Frage, ob diese allgemeinen, abstrac-
ten Ideen, welche den Menschen mit dem Menschen überhaupt
verketten sollen, genügen, um die alleinigen Principien eines spe¬
ciellen, unter ganz besonderen Verhältnissen geschlossenen Freund¬
schaftsbundes zu bilden, der um so mehr an Intensität verlieren muß,
je mehr sich seine Basis extensiv erweitert. Ich meine, es gibt außer
der allgemeinen Menschenliebe noch eine pathologische Liebe, die auf
einer individuellen Basis ruhen will. Findet man im gewöhnlichen
Leben ein Beispiel, daß ein rein wissenschaftlicher Verein, wenn
nicht besondere Schattirungen, feinere Nüancen hinzukommen, die
einzelnen Mitglieder eng mit einander verknüpfen konnte? Da aber,
wo uns ein "Tugendbund" in der Geschichte begegnet, da waren
es ganz andere, ungleich speciellere Interessen, welche den Verein zu¬
sammenhielten. Aber, wird man uns erwiedern, eben dasselbe speci¬
fische Moment des Tugendbundeö soll auch für die deutschen studen¬
tischen Verbindungen die specielle Grundlage sein, -- das Moment
der Vaterlandsliebe. Und wie ist doch, fährt man fort, gerade in
der Konstitution der Corps und der Landsmannschaften,
dieses wesentliche Element so ganz unbeachtet geblieben? Freilich je¬
nen dogmatischen Patriotismus, wie er uns in der Burschenschaft
entgegentritt, welche eine ängstlich genau abgegrenzte politische Ansicht
als verpflichtendes Symbol bei der Aufnahme in ihren Bund aner¬
kennt, den sucht Ihr bei den Corps vergeblich. Solch unisone Ein¬
heit, oder richtiger gesagt, Einförmigkeit, verschmähen diese mit schö¬
nem Stolze und fordern dafür nur die unendlich höhere Einheit eines
harmonischen Zusammenklingens der verschiedensten Individuen
in einen gemeinschaftlichen, echt deutschen Grundton. Sie suchen das
eigentliche Wesen des Patriotismus nicht in solchen äußern bestimm
ten positiven Satzungen (und doch wirft man ihnen den crassesten


beschränkt wissen! Aber man wird uns am Ende auch darin nach¬
geben und nur verlangen, daß eine entsprechende, würdige Idee da¬
bei zu Grunde liege. Wenn wir uns auch hierin mit unsern Geg¬
nern einverstanden erklären, so können wir doch ihre ätherischen An¬
sichten über jene Ideen nicht theilen. Außer der Vaterlandsliebe
sollen Wissenschaftlichkeit und Sittlichkeit die alleinigen leitenden Ideen,
das einzige Band sein, welches die Mitglieder der studentischen Ver¬
bindungen umschlingt. Ohne die hohe Bedeutung dieser Ideen zu
verkennen, erlauben wir uns die Frage, ob diese allgemeinen, abstrac-
ten Ideen, welche den Menschen mit dem Menschen überhaupt
verketten sollen, genügen, um die alleinigen Principien eines spe¬
ciellen, unter ganz besonderen Verhältnissen geschlossenen Freund¬
schaftsbundes zu bilden, der um so mehr an Intensität verlieren muß,
je mehr sich seine Basis extensiv erweitert. Ich meine, es gibt außer
der allgemeinen Menschenliebe noch eine pathologische Liebe, die auf
einer individuellen Basis ruhen will. Findet man im gewöhnlichen
Leben ein Beispiel, daß ein rein wissenschaftlicher Verein, wenn
nicht besondere Schattirungen, feinere Nüancen hinzukommen, die
einzelnen Mitglieder eng mit einander verknüpfen konnte? Da aber,
wo uns ein „Tugendbund" in der Geschichte begegnet, da waren
es ganz andere, ungleich speciellere Interessen, welche den Verein zu¬
sammenhielten. Aber, wird man uns erwiedern, eben dasselbe speci¬
fische Moment des Tugendbundeö soll auch für die deutschen studen¬
tischen Verbindungen die specielle Grundlage sein, — das Moment
der Vaterlandsliebe. Und wie ist doch, fährt man fort, gerade in
der Konstitution der Corps und der Landsmannschaften,
dieses wesentliche Element so ganz unbeachtet geblieben? Freilich je¬
nen dogmatischen Patriotismus, wie er uns in der Burschenschaft
entgegentritt, welche eine ängstlich genau abgegrenzte politische Ansicht
als verpflichtendes Symbol bei der Aufnahme in ihren Bund aner¬
kennt, den sucht Ihr bei den Corps vergeblich. Solch unisone Ein¬
heit, oder richtiger gesagt, Einförmigkeit, verschmähen diese mit schö¬
nem Stolze und fordern dafür nur die unendlich höhere Einheit eines
harmonischen Zusammenklingens der verschiedensten Individuen
in einen gemeinschaftlichen, echt deutschen Grundton. Sie suchen das
eigentliche Wesen des Patriotismus nicht in solchen äußern bestimm
ten positiven Satzungen (und doch wirft man ihnen den crassesten


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[0501] beschränkt wissen! Aber man wird uns am Ende auch darin nach¬ geben und nur verlangen, daß eine entsprechende, würdige Idee da¬ bei zu Grunde liege. Wenn wir uns auch hierin mit unsern Geg¬ nern einverstanden erklären, so können wir doch ihre ätherischen An¬ sichten über jene Ideen nicht theilen. Außer der Vaterlandsliebe sollen Wissenschaftlichkeit und Sittlichkeit die alleinigen leitenden Ideen, das einzige Band sein, welches die Mitglieder der studentischen Ver¬ bindungen umschlingt. Ohne die hohe Bedeutung dieser Ideen zu verkennen, erlauben wir uns die Frage, ob diese allgemeinen, abstrac- ten Ideen, welche den Menschen mit dem Menschen überhaupt verketten sollen, genügen, um die alleinigen Principien eines spe¬ ciellen, unter ganz besonderen Verhältnissen geschlossenen Freund¬ schaftsbundes zu bilden, der um so mehr an Intensität verlieren muß, je mehr sich seine Basis extensiv erweitert. Ich meine, es gibt außer der allgemeinen Menschenliebe noch eine pathologische Liebe, die auf einer individuellen Basis ruhen will. Findet man im gewöhnlichen Leben ein Beispiel, daß ein rein wissenschaftlicher Verein, wenn nicht besondere Schattirungen, feinere Nüancen hinzukommen, die einzelnen Mitglieder eng mit einander verknüpfen konnte? Da aber, wo uns ein „Tugendbund" in der Geschichte begegnet, da waren es ganz andere, ungleich speciellere Interessen, welche den Verein zu¬ sammenhielten. Aber, wird man uns erwiedern, eben dasselbe speci¬ fische Moment des Tugendbundeö soll auch für die deutschen studen¬ tischen Verbindungen die specielle Grundlage sein, — das Moment der Vaterlandsliebe. Und wie ist doch, fährt man fort, gerade in der Konstitution der Corps und der Landsmannschaften, dieses wesentliche Element so ganz unbeachtet geblieben? Freilich je¬ nen dogmatischen Patriotismus, wie er uns in der Burschenschaft entgegentritt, welche eine ängstlich genau abgegrenzte politische Ansicht als verpflichtendes Symbol bei der Aufnahme in ihren Bund aner¬ kennt, den sucht Ihr bei den Corps vergeblich. Solch unisone Ein¬ heit, oder richtiger gesagt, Einförmigkeit, verschmähen diese mit schö¬ nem Stolze und fordern dafür nur die unendlich höhere Einheit eines harmonischen Zusammenklingens der verschiedensten Individuen in einen gemeinschaftlichen, echt deutschen Grundton. Sie suchen das eigentliche Wesen des Patriotismus nicht in solchen äußern bestimm ten positiven Satzungen (und doch wirft man ihnen den crassesten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/501>, abgerufen am 23.12.2024.