Dieses Hamburg, diese Burg der Hunnen ist übrigens auch noch aus einem ganz anderen Grunde interessant und zwar, weil es noch heute seine mächtige Zwingherrschaft weit und breit ausdehnt. Wenn auch der gewaltige Etzel längst zu seinen Vätern eingegangen ist: sein alter Wohnsitz bleibt dennoch eine Zwingburg für den grö߬ ten Theil Oesterreichs. Hier ist nämlich die Hauptfabrik für den österreichischen Tabak, den bekanntlich in den deutschen, böhmischen und gallizischen Erbländern der Staat allein das Recht hat, zu fab- riziren und zu verkaufen; ein Privilegium, welches einen Hauptzweig des österreichischen Staatseinkommens bildet. Ueber hunderttausend grausame Centner dieses Fabrikats stürzen sich jährlich, wie die Schaa- ren der alten Hunnen, über die friedlichen Gefilde Oesterreichs und zwingen ihm Tribut ab. "Schwarzer drei König", "rother drei Kö¬ nig" -- der eingefleischteste Royalist könnte durch diese Könige aus dein Stammhause Attila's zur Verzweiflung gebracht werden; nur der patriarchalische Oesterreicher schmaucht diese Sorten (die übrigens noch die Aristokratie des österreichischen Tabaks bilden) mit patriotischem Behagen, ja sogar der "Ordinäre" hat unter dem Volke Popularität errungen. Man sieht, Völker und Tabakraucher werden erzogen. Man könnte daraus den Schluß machen, daß der österreichische Staat auf der festesten Basis stehe, weil eine Nation, die solchen Tabak verträgt, -- unerschütterlich in ihrer Treue sein muß. Aber auch Frank¬ reich raucht Regietabak, schlechtem noch, als der österreichische ist, und doch hat es zwei Revolutionen gemacht. Also auch nicht aus Tabakwolken können die politische!: Auguren die Zukunft prophezeiten.
Um drei Uhr Nachmittag fährt das Dampfschiff von Wien ab und um sechs Uhr Abends landet es in Preßburg. Ich hatte einen Freund von meiner Ankunft in Kenntniß gesetzt, und dieser erwartete mich gleich beim Aussteigen aus dem Schiffe, um mich uach dem Hotel zu begleiten, wo ein Zimmer bereits für mich bestellt war. Diese Vorsichtsmaßregel ist in Preßburg während des Landtags noth¬ wendig, da die kleine Stadt bisweilen, nicht alle Magnaten und Fremden beherbergen kann, die bei wichtigen Fragen zum Reichstag strömen. Die Einwohner von Preßburg haben die Verpflichtung, die Mitglieder des Reichstags Fi-uis zu beherbergen. Die Zahl die¬ ser Mitglieder hat aber keine bestimmten Grenzen, da jeder Magnat, d, h. jeder ungarische Fürst, Graf oder Baron Mitglied des Reichs-
Dieses Hamburg, diese Burg der Hunnen ist übrigens auch noch aus einem ganz anderen Grunde interessant und zwar, weil es noch heute seine mächtige Zwingherrschaft weit und breit ausdehnt. Wenn auch der gewaltige Etzel längst zu seinen Vätern eingegangen ist: sein alter Wohnsitz bleibt dennoch eine Zwingburg für den grö߬ ten Theil Oesterreichs. Hier ist nämlich die Hauptfabrik für den österreichischen Tabak, den bekanntlich in den deutschen, böhmischen und gallizischen Erbländern der Staat allein das Recht hat, zu fab- riziren und zu verkaufen; ein Privilegium, welches einen Hauptzweig des österreichischen Staatseinkommens bildet. Ueber hunderttausend grausame Centner dieses Fabrikats stürzen sich jährlich, wie die Schaa- ren der alten Hunnen, über die friedlichen Gefilde Oesterreichs und zwingen ihm Tribut ab. „Schwarzer drei König", „rother drei Kö¬ nig" — der eingefleischteste Royalist könnte durch diese Könige aus dein Stammhause Attila's zur Verzweiflung gebracht werden; nur der patriarchalische Oesterreicher schmaucht diese Sorten (die übrigens noch die Aristokratie des österreichischen Tabaks bilden) mit patriotischem Behagen, ja sogar der „Ordinäre" hat unter dem Volke Popularität errungen. Man sieht, Völker und Tabakraucher werden erzogen. Man könnte daraus den Schluß machen, daß der österreichische Staat auf der festesten Basis stehe, weil eine Nation, die solchen Tabak verträgt, — unerschütterlich in ihrer Treue sein muß. Aber auch Frank¬ reich raucht Regietabak, schlechtem noch, als der österreichische ist, und doch hat es zwei Revolutionen gemacht. Also auch nicht aus Tabakwolken können die politische!: Auguren die Zukunft prophezeiten.
Um drei Uhr Nachmittag fährt das Dampfschiff von Wien ab und um sechs Uhr Abends landet es in Preßburg. Ich hatte einen Freund von meiner Ankunft in Kenntniß gesetzt, und dieser erwartete mich gleich beim Aussteigen aus dem Schiffe, um mich uach dem Hotel zu begleiten, wo ein Zimmer bereits für mich bestellt war. Diese Vorsichtsmaßregel ist in Preßburg während des Landtags noth¬ wendig, da die kleine Stadt bisweilen, nicht alle Magnaten und Fremden beherbergen kann, die bei wichtigen Fragen zum Reichstag strömen. Die Einwohner von Preßburg haben die Verpflichtung, die Mitglieder des Reichstags Fi-uis zu beherbergen. Die Zahl die¬ ser Mitglieder hat aber keine bestimmten Grenzen, da jeder Magnat, d, h. jeder ungarische Fürst, Graf oder Baron Mitglied des Reichs-
<TEI><text><body><div><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0494"corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180207"/><pxml:id="ID_1336"> Dieses Hamburg, diese Burg der Hunnen ist übrigens auch<lb/>
noch aus einem ganz anderen Grunde interessant und zwar, weil es<lb/>
noch heute seine mächtige Zwingherrschaft weit und breit ausdehnt.<lb/>
Wenn auch der gewaltige Etzel längst zu seinen Vätern eingegangen<lb/>
ist: sein alter Wohnsitz bleibt dennoch eine Zwingburg für den grö߬<lb/>
ten Theil Oesterreichs. Hier ist nämlich die Hauptfabrik für den<lb/>
österreichischen Tabak, den bekanntlich in den deutschen, böhmischen<lb/>
und gallizischen Erbländern der Staat allein das Recht hat, zu fab-<lb/>
riziren und zu verkaufen; ein Privilegium, welches einen Hauptzweig<lb/>
des österreichischen Staatseinkommens bildet. Ueber hunderttausend<lb/>
grausame Centner dieses Fabrikats stürzen sich jährlich, wie die Schaa-<lb/>
ren der alten Hunnen, über die friedlichen Gefilde Oesterreichs und<lb/>
zwingen ihm Tribut ab. „Schwarzer drei König", „rother drei Kö¬<lb/>
nig" — der eingefleischteste Royalist könnte durch diese Könige aus dein<lb/>
Stammhause Attila's zur Verzweiflung gebracht werden; nur der<lb/>
patriarchalische Oesterreicher schmaucht diese Sorten (die übrigens noch<lb/>
die Aristokratie des österreichischen Tabaks bilden) mit patriotischem<lb/>
Behagen, ja sogar der „Ordinäre" hat unter dem Volke Popularität<lb/>
errungen. Man sieht, Völker und Tabakraucher werden erzogen.<lb/>
Man könnte daraus den Schluß machen, daß der österreichische Staat<lb/>
auf der festesten Basis stehe, weil eine Nation, die solchen Tabak<lb/>
verträgt, — unerschütterlich in ihrer Treue sein muß. Aber auch Frank¬<lb/>
reich raucht Regietabak, schlechtem noch, als der österreichische ist,<lb/>
und doch hat es zwei Revolutionen gemacht. Also auch nicht aus<lb/>
Tabakwolken können die politische!: Auguren die Zukunft prophezeiten.</p><lb/><pxml:id="ID_1337"next="#ID_1338"> Um drei Uhr Nachmittag fährt das Dampfschiff von Wien ab<lb/>
und um sechs Uhr Abends landet es in Preßburg. Ich hatte einen<lb/>
Freund von meiner Ankunft in Kenntniß gesetzt, und dieser erwartete<lb/>
mich gleich beim Aussteigen aus dem Schiffe, um mich uach dem<lb/>
Hotel zu begleiten, wo ein Zimmer bereits für mich bestellt war.<lb/>
Diese Vorsichtsmaßregel ist in Preßburg während des Landtags noth¬<lb/>
wendig, da die kleine Stadt bisweilen, nicht alle Magnaten und<lb/>
Fremden beherbergen kann, die bei wichtigen Fragen zum Reichstag<lb/>
strömen. Die Einwohner von Preßburg haben die Verpflichtung,<lb/>
die Mitglieder des Reichstags Fi-uis zu beherbergen. Die Zahl die¬<lb/>
ser Mitglieder hat aber keine bestimmten Grenzen, da jeder Magnat,<lb/>
d, h. jeder ungarische Fürst, Graf oder Baron Mitglied des Reichs-</p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[0494]
Dieses Hamburg, diese Burg der Hunnen ist übrigens auch
noch aus einem ganz anderen Grunde interessant und zwar, weil es
noch heute seine mächtige Zwingherrschaft weit und breit ausdehnt.
Wenn auch der gewaltige Etzel längst zu seinen Vätern eingegangen
ist: sein alter Wohnsitz bleibt dennoch eine Zwingburg für den grö߬
ten Theil Oesterreichs. Hier ist nämlich die Hauptfabrik für den
österreichischen Tabak, den bekanntlich in den deutschen, böhmischen
und gallizischen Erbländern der Staat allein das Recht hat, zu fab-
riziren und zu verkaufen; ein Privilegium, welches einen Hauptzweig
des österreichischen Staatseinkommens bildet. Ueber hunderttausend
grausame Centner dieses Fabrikats stürzen sich jährlich, wie die Schaa-
ren der alten Hunnen, über die friedlichen Gefilde Oesterreichs und
zwingen ihm Tribut ab. „Schwarzer drei König", „rother drei Kö¬
nig" — der eingefleischteste Royalist könnte durch diese Könige aus dein
Stammhause Attila's zur Verzweiflung gebracht werden; nur der
patriarchalische Oesterreicher schmaucht diese Sorten (die übrigens noch
die Aristokratie des österreichischen Tabaks bilden) mit patriotischem
Behagen, ja sogar der „Ordinäre" hat unter dem Volke Popularität
errungen. Man sieht, Völker und Tabakraucher werden erzogen.
Man könnte daraus den Schluß machen, daß der österreichische Staat
auf der festesten Basis stehe, weil eine Nation, die solchen Tabak
verträgt, — unerschütterlich in ihrer Treue sein muß. Aber auch Frank¬
reich raucht Regietabak, schlechtem noch, als der österreichische ist,
und doch hat es zwei Revolutionen gemacht. Also auch nicht aus
Tabakwolken können die politische!: Auguren die Zukunft prophezeiten.
Um drei Uhr Nachmittag fährt das Dampfschiff von Wien ab
und um sechs Uhr Abends landet es in Preßburg. Ich hatte einen
Freund von meiner Ankunft in Kenntniß gesetzt, und dieser erwartete
mich gleich beim Aussteigen aus dem Schiffe, um mich uach dem
Hotel zu begleiten, wo ein Zimmer bereits für mich bestellt war.
Diese Vorsichtsmaßregel ist in Preßburg während des Landtags noth¬
wendig, da die kleine Stadt bisweilen, nicht alle Magnaten und
Fremden beherbergen kann, die bei wichtigen Fragen zum Reichstag
strömen. Die Einwohner von Preßburg haben die Verpflichtung,
die Mitglieder des Reichstags Fi-uis zu beherbergen. Die Zahl die¬
ser Mitglieder hat aber keine bestimmten Grenzen, da jeder Magnat,
d, h. jeder ungarische Fürst, Graf oder Baron Mitglied des Reichs-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:
Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.
Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;
Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/494>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.