sind die weichen kränklichen Gesichter nicht zu finden, die man auf deutschen Reisen so oft findet. Blondinen gehören zu den Raritäten. Hier ist das Reich der Braunen; hier ist Alles dunkel, feurig: Augen, Haare, Teint. In diesem Punkte ist die Magyarin wie die Walla¬ chin, die Wienerin wie die Griechin sich gleich.
Es war an einem schönen März Nachmittag, als ich mich nach Preßburg einschiffte. Die Sonne kämpfte mit ihrer frühzeitigen Wärme eifrig gegen die kalten Winde, die aus der Gegend des Kahlenberges herwehten. Mantel und Sonnenschirm waren fast zu gleicher Zeit nöthig. Eine passende Introduction zur Reise in ein Land, das so viele Widersprüche vereint, und wo die Begriffe der modernen Frei¬ heit so frühlingslustig und doch nur halbmächtig mit den Winden und Winterrcsten mittelalterlicher Privilegien und Confusionen käm¬ pfen. Auf dem Reichstage war eine wichtige Gesetzverhandlung der Magnatentafel übergeben worden, und viele von den in Wien lebenden ungarischen Großen fuhren nach Preßburg, um der Sitzung des andern Tages beizuwohnen. Ich kannte einige dieser Herren persönlich: da war der Graf Franz Palfy, dem die eine Hälfte von Preßburg (der so¬ genannte Schloßberg) gehört; der Graf S-mdor, der berühmteste Reiter Europas, der seinem Schwiegervater, dem Fürsten Metternich, vor der Trauung mit dessen Tochter die Hand geben mußte, daß er wenigstens keine tollkühne Reiterkunststücke mehr machen werde; der geniale Fürst Friedrich Schwarzenberg, den die Leser dieser Blätter unter der Maske des "verabschiedeten Lanzenknechts" wohl kennen, und der -- eigentlich böhmischer Standesherr -- seit einiger Zeit in Ungarn sich angekauft hat und Mitglied der Magnatentafel ist; der Graf Joseph Esterhazy, der vor einigen Jahren im Prater einen Polizeimann niedergeritten und darüber in einen schweren Prozeß verwickelt wurde, der mit einem Spruch auf zwei Jahre Erik endigte; der Domherr Wurda, Mitglied der Ständetafel (Bruder des Ham¬ burger Tenoristen), einer der freisinnigsten Geistlichen Ungarns, der durch seine Rede über die gemischten Ehen viel Zorn von seinen College" sich zugezogen hat. Ich erwähne diese Herren blos, um die The- mam anzudeuten, die auf einer Reise nach Preßburg auf dem Schiffe besprochen werden. Das Thema, um welches sich diesmal der größte Theil der Conversation drehte, war die Besteuerung des Adels. Diese wichtige Maßregel, ohne die Ungarn keinen Schritt zu seiner Eman-
sind die weichen kränklichen Gesichter nicht zu finden, die man auf deutschen Reisen so oft findet. Blondinen gehören zu den Raritäten. Hier ist das Reich der Braunen; hier ist Alles dunkel, feurig: Augen, Haare, Teint. In diesem Punkte ist die Magyarin wie die Walla¬ chin, die Wienerin wie die Griechin sich gleich.
Es war an einem schönen März Nachmittag, als ich mich nach Preßburg einschiffte. Die Sonne kämpfte mit ihrer frühzeitigen Wärme eifrig gegen die kalten Winde, die aus der Gegend des Kahlenberges herwehten. Mantel und Sonnenschirm waren fast zu gleicher Zeit nöthig. Eine passende Introduction zur Reise in ein Land, das so viele Widersprüche vereint, und wo die Begriffe der modernen Frei¬ heit so frühlingslustig und doch nur halbmächtig mit den Winden und Winterrcsten mittelalterlicher Privilegien und Confusionen käm¬ pfen. Auf dem Reichstage war eine wichtige Gesetzverhandlung der Magnatentafel übergeben worden, und viele von den in Wien lebenden ungarischen Großen fuhren nach Preßburg, um der Sitzung des andern Tages beizuwohnen. Ich kannte einige dieser Herren persönlich: da war der Graf Franz Palfy, dem die eine Hälfte von Preßburg (der so¬ genannte Schloßberg) gehört; der Graf S-mdor, der berühmteste Reiter Europas, der seinem Schwiegervater, dem Fürsten Metternich, vor der Trauung mit dessen Tochter die Hand geben mußte, daß er wenigstens keine tollkühne Reiterkunststücke mehr machen werde; der geniale Fürst Friedrich Schwarzenberg, den die Leser dieser Blätter unter der Maske des „verabschiedeten Lanzenknechts" wohl kennen, und der — eigentlich böhmischer Standesherr — seit einiger Zeit in Ungarn sich angekauft hat und Mitglied der Magnatentafel ist; der Graf Joseph Esterhazy, der vor einigen Jahren im Prater einen Polizeimann niedergeritten und darüber in einen schweren Prozeß verwickelt wurde, der mit einem Spruch auf zwei Jahre Erik endigte; der Domherr Wurda, Mitglied der Ständetafel (Bruder des Ham¬ burger Tenoristen), einer der freisinnigsten Geistlichen Ungarns, der durch seine Rede über die gemischten Ehen viel Zorn von seinen College» sich zugezogen hat. Ich erwähne diese Herren blos, um die The- mam anzudeuten, die auf einer Reise nach Preßburg auf dem Schiffe besprochen werden. Das Thema, um welches sich diesmal der größte Theil der Conversation drehte, war die Besteuerung des Adels. Diese wichtige Maßregel, ohne die Ungarn keinen Schritt zu seiner Eman-
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deutschen Reisen so oft findet. Blondinen gehören zu den Raritäten.
Hier ist das Reich der Braunen; hier ist Alles dunkel, feurig: Augen,
Haare, Teint. In diesem Punkte ist die Magyarin wie die Walla¬
chin, die Wienerin wie die Griechin sich gleich.
Es war an einem schönen März Nachmittag, als ich mich nach
Preßburg einschiffte. Die Sonne kämpfte mit ihrer frühzeitigen Wärme
eifrig gegen die kalten Winde, die aus der Gegend des Kahlenberges
herwehten. Mantel und Sonnenschirm waren fast zu gleicher Zeit
nöthig. Eine passende Introduction zur Reise in ein Land, das so
viele Widersprüche vereint, und wo die Begriffe der modernen Frei¬
heit so frühlingslustig und doch nur halbmächtig mit den Winden
und Winterrcsten mittelalterlicher Privilegien und Confusionen käm¬
pfen. Auf dem Reichstage war eine wichtige Gesetzverhandlung der
Magnatentafel übergeben worden, und viele von den in Wien lebenden
ungarischen Großen fuhren nach Preßburg, um der Sitzung des andern
Tages beizuwohnen. Ich kannte einige dieser Herren persönlich: da war
der Graf Franz Palfy, dem die eine Hälfte von Preßburg (der so¬
genannte Schloßberg) gehört; der Graf S-mdor, der berühmteste
Reiter Europas, der seinem Schwiegervater, dem Fürsten Metternich,
vor der Trauung mit dessen Tochter die Hand geben mußte, daß er
wenigstens keine tollkühne Reiterkunststücke mehr machen werde;
der geniale Fürst Friedrich Schwarzenberg, den die Leser dieser Blätter
unter der Maske des „verabschiedeten Lanzenknechts" wohl kennen,
und der — eigentlich böhmischer Standesherr — seit einiger Zeit in
Ungarn sich angekauft hat und Mitglied der Magnatentafel ist; der
Graf Joseph Esterhazy, der vor einigen Jahren im Prater einen
Polizeimann niedergeritten und darüber in einen schweren Prozeß
verwickelt wurde, der mit einem Spruch auf zwei Jahre Erik endigte;
der Domherr Wurda, Mitglied der Ständetafel (Bruder des Ham¬
burger Tenoristen), einer der freisinnigsten Geistlichen Ungarns, der
durch seine Rede über die gemischten Ehen viel Zorn von seinen
College» sich zugezogen hat. Ich erwähne diese Herren blos, um die The-
mam anzudeuten, die auf einer Reise nach Preßburg auf dem Schiffe
besprochen werden. Das Thema, um welches sich diesmal der größte
Theil der Conversation drehte, war die Besteuerung des Adels. Diese
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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/492>, abgerufen am 23.12.2024.
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