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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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verstanden, lebst froh auf ebenem Wege. Dies Sinnen und Denken
im Anderen ist ohne Ehrfurcht! -- Jetzt winkt Se. Excellenz den
Jäger zurück und der Graf folgt meinem Sohn. Was macht mir-
der Sohn für Kummer, für Angst, für Scham! Geht nicht sachter,
nicht rascher und steht nicht um! . . .

Der wandernde Sohn ist näher gekommen. Er mag vierund-
zwanzig Jahre alt sein, in voller Blüthe die Gestalt und Wangen,
mäßig lang sein dunkles Haar und in schöner, nicht erkünstelter Ord¬
nung. seelenvoll sind seine sanft melancholischen, braunen Augen,
und dazu, die jugendlich männliche Erscheinung vollkommen anziehend
zu machen, trägt nicht wenig der Ernst des Gedankens bei, der die
iugendliche Frische au die lieblichste Weise mildert.

-- ... Da kommst Du, da bist Du! ruft unser Vater, den
der Anblick des nachfolgenden Grafen in'S Tiefste verwirrt. -- Da
bist Du und machst nur den Kummer, mein Sohn! Ich komme von
Sinnen, Dein Vater! -- Du hast keine Ehrfurcht im Herzen! Läugne
nicht! Sag'S -- Du hast Alles bemerkt und gesehen! -- Das hab'
ich nicht gemeint, daß ich spare und Dich frei werden lasse, was
Du willst -- daß Du ohne Ehrfurcht im Herzen das nicht mehr
ansteht und grüßest. Jetzt hilf Dir! Rede für Dich! Se. Ercellenz
kommt nach! Hast so viele Jahre dahingethan, gelernt, studirt --
und machst mir°die Schande! Ich komme von Sinnen vor Scham,
Dein Vater. Ich muß in den Boden sinken, gleich da! Wollt' ich
reden für Dich, so weiß ich nicht was, und kann nicht reden. Bist
Du was? Bist Du Nichts? Keine Ehrfurcht im Herzen? -- Da ist
Se. Ercellenz! Mir war's nit Recht -- ich Hab's getadelt! . . .

Lächelnd winkt unser junge Wanderer dem Vater, daß er ruhig
sei, geht dem Grafen mit leichtem Anstand entgegen, der wohl zeigt,
wie der Titel hier Nichts bedeute.

^ Fliehen Sie nur! Fliehen Sie nur! Sie entgehen mir doch
nicht. Wie, alle Wetter! find' ich Sie so unvermuthet auf meinen
Besitzungen, bester Freund! Das ist ja eine Ehre, von der ich nie
geträumt hätte, und die ich mir darum so angelegentlicher muß zu
Nutzen macheu. Wo sind Sie denn? Wo wohnen Sie? Wissen
Sie, daß ich Lust, habe, Sie, wie ich Sie da treffe, auf ein, zwei,
drei Tage zu entführen? Wollen Sie? Sehen Sie meinen Wagen


verstanden, lebst froh auf ebenem Wege. Dies Sinnen und Denken
im Anderen ist ohne Ehrfurcht! — Jetzt winkt Se. Excellenz den
Jäger zurück und der Graf folgt meinem Sohn. Was macht mir-
der Sohn für Kummer, für Angst, für Scham! Geht nicht sachter,
nicht rascher und steht nicht um! . . .

Der wandernde Sohn ist näher gekommen. Er mag vierund-
zwanzig Jahre alt sein, in voller Blüthe die Gestalt und Wangen,
mäßig lang sein dunkles Haar und in schöner, nicht erkünstelter Ord¬
nung. seelenvoll sind seine sanft melancholischen, braunen Augen,
und dazu, die jugendlich männliche Erscheinung vollkommen anziehend
zu machen, trägt nicht wenig der Ernst des Gedankens bei, der die
iugendliche Frische au die lieblichste Weise mildert.

— ... Da kommst Du, da bist Du! ruft unser Vater, den
der Anblick des nachfolgenden Grafen in'S Tiefste verwirrt. — Da
bist Du und machst nur den Kummer, mein Sohn! Ich komme von
Sinnen, Dein Vater! — Du hast keine Ehrfurcht im Herzen! Läugne
nicht! Sag'S — Du hast Alles bemerkt und gesehen! — Das hab'
ich nicht gemeint, daß ich spare und Dich frei werden lasse, was
Du willst — daß Du ohne Ehrfurcht im Herzen das nicht mehr
ansteht und grüßest. Jetzt hilf Dir! Rede für Dich! Se. Ercellenz
kommt nach! Hast so viele Jahre dahingethan, gelernt, studirt —
und machst mir°die Schande! Ich komme von Sinnen vor Scham,
Dein Vater. Ich muß in den Boden sinken, gleich da! Wollt' ich
reden für Dich, so weiß ich nicht was, und kann nicht reden. Bist
Du was? Bist Du Nichts? Keine Ehrfurcht im Herzen? — Da ist
Se. Ercellenz! Mir war's nit Recht — ich Hab's getadelt! . . .

Lächelnd winkt unser junge Wanderer dem Vater, daß er ruhig
sei, geht dem Grafen mit leichtem Anstand entgegen, der wohl zeigt,
wie der Titel hier Nichts bedeute.

^ Fliehen Sie nur! Fliehen Sie nur! Sie entgehen mir doch
nicht. Wie, alle Wetter! find' ich Sie so unvermuthet auf meinen
Besitzungen, bester Freund! Das ist ja eine Ehre, von der ich nie
geträumt hätte, und die ich mir darum so angelegentlicher muß zu
Nutzen macheu. Wo sind Sie denn? Wo wohnen Sie? Wissen
Sie, daß ich Lust, habe, Sie, wie ich Sie da treffe, auf ein, zwei,
drei Tage zu entführen? Wollen Sie? Sehen Sie meinen Wagen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/49>, abgerufen am 23.12.2024.