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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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Wesen alle Eigenschaften, welche die ausgezeichnetsten Truppen bei¬
der Welttheile besitzen. Er ist ernst, stolz, verschlossen. Die Haupt¬
eigenschaften, um ihn zu leiten, sind: Gerechtigkeit, Unerschrockenst,
Ruhe. Man muß ihm zeigen, daß man ihm überlegen ist. Vor
dem Feinde muß er den Führer immer vor sich sehen. Einzelne
Züge von handfester Tapferkeit imponiren ihm, noch mehr kaltblütige
Ruhe bei Gelegenheiten, wo er anfängt, besorgt zu werden. Im Spi<
tal, bei Verwundeten und Kranken zeige man Theilnahme und Milde,
im Uebrigen Strenge und Gerechtigkeit. Man verurtheile ihn nie,
ohne ihn zu hören, und man hüte sich vor Schimpfworten und lei¬
denschaftlichen Ausbrüchen. Bei allen Austheilungen sehe er, daß
man sich um ihn bekümmert; beim Lagerfeuer finde er, wenn er er¬
wacht, schon den Führer gegenwärtig. Bei keiner Truppe muß der
Offizier vor Allem die Achtung seiner Untergebenen mehr besitzen,
als beim Hußaren; dann komme Furcht und hernach Liebe. Viel
Worte sind bei ihm eher schädlich als zweckdienlich, -- einige wenige,
aber passende dagegen sehr wirksam. Man muß seine Sprache
durchaus sprechen; er wird eine strenge, ihm unmittelbar mitgetheilte
Sentenz leichter ertragen, als eine mildere, welche er durch einen
Dolmetsch erhält.

Sein gefährlichster Fehler ist der Trunk und daraus sich erge¬
bende Widersetzlichkeit und Raisonniren. Der Ungar, wie jede orien¬
talische Race, geht sehr schnell von scheinbarer Ruhe und Indolenz
zu plötzlicher Heftigkeit und den leidenschaftlichsten Ausbrüchen über.
Mit Zwang löst man seine Zunge nie, dagegen widersteht er selten
Motiven des Ehrgeizes und der Eitelkeit; hat man ihn einmal mo¬
ralisch magnetisirt, so kann man auf ihn rechnen, und er ist det grö߬
ten und heldenmüthigsten Thaten fähig.

Der ungarische Hußar verläßt sich hauptsächlich auf seinen Sä¬
bel, den er immer als Hieb-, fast nie als Stichwaffe gebraucht. Auch
seinen Karabiner mißt er ungerne, ob zwar er sich dessen selten mit
Erfolg bedient. Weniger wichtig sind ihm die Pistolen. Auf die
Pike hat er kein Vertrauen; er sieht sie als eine Bauernwaffe, des
ungarischen Reiters unwürdig, an.

Der ungarische Hußar wird in der Fortsetzung des Gefechtes
lebhafter als im Anfang, besonders wenn er anfängt, Blut zu sehen;
darin unterscheidet er sich wesentlich vom Franzosen.


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Wesen alle Eigenschaften, welche die ausgezeichnetsten Truppen bei¬
der Welttheile besitzen. Er ist ernst, stolz, verschlossen. Die Haupt¬
eigenschaften, um ihn zu leiten, sind: Gerechtigkeit, Unerschrockenst,
Ruhe. Man muß ihm zeigen, daß man ihm überlegen ist. Vor
dem Feinde muß er den Führer immer vor sich sehen. Einzelne
Züge von handfester Tapferkeit imponiren ihm, noch mehr kaltblütige
Ruhe bei Gelegenheiten, wo er anfängt, besorgt zu werden. Im Spi<
tal, bei Verwundeten und Kranken zeige man Theilnahme und Milde,
im Uebrigen Strenge und Gerechtigkeit. Man verurtheile ihn nie,
ohne ihn zu hören, und man hüte sich vor Schimpfworten und lei¬
denschaftlichen Ausbrüchen. Bei allen Austheilungen sehe er, daß
man sich um ihn bekümmert; beim Lagerfeuer finde er, wenn er er¬
wacht, schon den Führer gegenwärtig. Bei keiner Truppe muß der
Offizier vor Allem die Achtung seiner Untergebenen mehr besitzen,
als beim Hußaren; dann komme Furcht und hernach Liebe. Viel
Worte sind bei ihm eher schädlich als zweckdienlich, — einige wenige,
aber passende dagegen sehr wirksam. Man muß seine Sprache
durchaus sprechen; er wird eine strenge, ihm unmittelbar mitgetheilte
Sentenz leichter ertragen, als eine mildere, welche er durch einen
Dolmetsch erhält.

Sein gefährlichster Fehler ist der Trunk und daraus sich erge¬
bende Widersetzlichkeit und Raisonniren. Der Ungar, wie jede orien¬
talische Race, geht sehr schnell von scheinbarer Ruhe und Indolenz
zu plötzlicher Heftigkeit und den leidenschaftlichsten Ausbrüchen über.
Mit Zwang löst man seine Zunge nie, dagegen widersteht er selten
Motiven des Ehrgeizes und der Eitelkeit; hat man ihn einmal mo¬
ralisch magnetisirt, so kann man auf ihn rechnen, und er ist det grö߬
ten und heldenmüthigsten Thaten fähig.

Der ungarische Hußar verläßt sich hauptsächlich auf seinen Sä¬
bel, den er immer als Hieb-, fast nie als Stichwaffe gebraucht. Auch
seinen Karabiner mißt er ungerne, ob zwar er sich dessen selten mit
Erfolg bedient. Weniger wichtig sind ihm die Pistolen. Auf die
Pike hat er kein Vertrauen; er sieht sie als eine Bauernwaffe, des
ungarischen Reiters unwürdig, an.

Der ungarische Hußar wird in der Fortsetzung des Gefechtes
lebhafter als im Anfang, besonders wenn er anfängt, Blut zu sehen;
darin unterscheidet er sich wesentlich vom Franzosen.


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[0435] Wesen alle Eigenschaften, welche die ausgezeichnetsten Truppen bei¬ der Welttheile besitzen. Er ist ernst, stolz, verschlossen. Die Haupt¬ eigenschaften, um ihn zu leiten, sind: Gerechtigkeit, Unerschrockenst, Ruhe. Man muß ihm zeigen, daß man ihm überlegen ist. Vor dem Feinde muß er den Führer immer vor sich sehen. Einzelne Züge von handfester Tapferkeit imponiren ihm, noch mehr kaltblütige Ruhe bei Gelegenheiten, wo er anfängt, besorgt zu werden. Im Spi< tal, bei Verwundeten und Kranken zeige man Theilnahme und Milde, im Uebrigen Strenge und Gerechtigkeit. Man verurtheile ihn nie, ohne ihn zu hören, und man hüte sich vor Schimpfworten und lei¬ denschaftlichen Ausbrüchen. Bei allen Austheilungen sehe er, daß man sich um ihn bekümmert; beim Lagerfeuer finde er, wenn er er¬ wacht, schon den Führer gegenwärtig. Bei keiner Truppe muß der Offizier vor Allem die Achtung seiner Untergebenen mehr besitzen, als beim Hußaren; dann komme Furcht und hernach Liebe. Viel Worte sind bei ihm eher schädlich als zweckdienlich, — einige wenige, aber passende dagegen sehr wirksam. Man muß seine Sprache durchaus sprechen; er wird eine strenge, ihm unmittelbar mitgetheilte Sentenz leichter ertragen, als eine mildere, welche er durch einen Dolmetsch erhält. Sein gefährlichster Fehler ist der Trunk und daraus sich erge¬ bende Widersetzlichkeit und Raisonniren. Der Ungar, wie jede orien¬ talische Race, geht sehr schnell von scheinbarer Ruhe und Indolenz zu plötzlicher Heftigkeit und den leidenschaftlichsten Ausbrüchen über. Mit Zwang löst man seine Zunge nie, dagegen widersteht er selten Motiven des Ehrgeizes und der Eitelkeit; hat man ihn einmal mo¬ ralisch magnetisirt, so kann man auf ihn rechnen, und er ist det grö߬ ten und heldenmüthigsten Thaten fähig. Der ungarische Hußar verläßt sich hauptsächlich auf seinen Sä¬ bel, den er immer als Hieb-, fast nie als Stichwaffe gebraucht. Auch seinen Karabiner mißt er ungerne, ob zwar er sich dessen selten mit Erfolg bedient. Weniger wichtig sind ihm die Pistolen. Auf die Pike hat er kein Vertrauen; er sieht sie als eine Bauernwaffe, des ungarischen Reiters unwürdig, an. Der ungarische Hußar wird in der Fortsetzung des Gefechtes lebhafter als im Anfang, besonders wenn er anfängt, Blut zu sehen; darin unterscheidet er sich wesentlich vom Franzosen. 56*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/435>, abgerufen am 11.12.2024.