Wir verlassen nun Andersen und wenden uns zu zwei anderen Dichter", die man in Deutschland nur wenig kennt, obgleich sie doch, nach dem Urtheile der Dänen, den Ersteren überragen an poetischer Kraft. Sie traten beide zugleich in die Literatur. Die "Gesellschaft zur Beförderung der schönen Wissenschaften" hatte nämlich im Jahr 1830 einen Preis auf die vier besten Romanzen ausgesetzt; Qehlen- schläger gehörte zu den Richtern, und mehr als siebenzig Kämpen drängten sich zum Wettstreit heran. Zwei junge Poeten wurden ge¬ krönt, sie hießen Holst und Paludan Müller, und man täuschte sich nicht, als man glaubte, sie würden entschlossen vorwärts streben auf der betretenen Bahn. Ihre Namen haben jetzt einen guten Klang im dänischen Lande.
Frederik Paludan Müller ist am 7. Februar I8den zu Kjer- teminde geboren. Er studirte Jura, doch ohne rechten Drang; die Göttin der Poesie sang ihm ihre Sircnenlieder, er mochte wachen oder träumen. Durch jene gelungenen Romanzen in die Literatur eingeführt, schrieb er andere Gedichte, und eine Sammlung derselben ist unter dem Titel: "Trochäer og Jamber" erschienen. Immer stellt die Form sich tadellos dar, ein sehr gebildeter Geschmack waltet in diesen Poesien und läßt für den Leser einen ungetrübten Genuß dar¬ aus erwachsen. Hierauf lächelte ihm die dramatische Muse freund¬ lich lockend, und er schuf ein Schauspiel "Kjärleghed vnd Hoffet -- die Liebe am Hofe", das im bunt romantischen Style gehalten ist. Laune und Pathos flattern darin, wie neckende Kolibris und ernst¬ hafte Pfauen, durcheinander.
Schon immer hatte Lord Byron einen unläugbaren Einfluß auf Paludan Müller geübt, und das Studium dieses Dichters, verbunden mit inniger Liebe zu demselben, brachten ihm ein schönes Resultat. Es war ein größeres lyrisches Epos: "Danserinden -- die Tänzerin" (1834), das, ohne irgend nachzuahmen, wahlverwandt an Childe Harold erinnert. Die phantasiereiche Ausführung sowohl, als die fein behandelte ottavische Form, gewannen dem Gedichte die allge¬ meine Gunst, und auch in's Deutsche ist es übertragen worden. Das folgende Werk von Paludan Müller war ein mythologisches Drama - "Amor und Psyche" betitelt. Es bildet die Blüthenkrone seiner bis¬ herigen Schöpfungen, und mit vollem Rechte scholl ihm begeisterte Anerkennung entgegen. Form und Sprache sind hier Eins gewor-
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Wir verlassen nun Andersen und wenden uns zu zwei anderen Dichter», die man in Deutschland nur wenig kennt, obgleich sie doch, nach dem Urtheile der Dänen, den Ersteren überragen an poetischer Kraft. Sie traten beide zugleich in die Literatur. Die „Gesellschaft zur Beförderung der schönen Wissenschaften" hatte nämlich im Jahr 1830 einen Preis auf die vier besten Romanzen ausgesetzt; Qehlen- schläger gehörte zu den Richtern, und mehr als siebenzig Kämpen drängten sich zum Wettstreit heran. Zwei junge Poeten wurden ge¬ krönt, sie hießen Holst und Paludan Müller, und man täuschte sich nicht, als man glaubte, sie würden entschlossen vorwärts streben auf der betretenen Bahn. Ihre Namen haben jetzt einen guten Klang im dänischen Lande.
Frederik Paludan Müller ist am 7. Februar I8den zu Kjer- teminde geboren. Er studirte Jura, doch ohne rechten Drang; die Göttin der Poesie sang ihm ihre Sircnenlieder, er mochte wachen oder träumen. Durch jene gelungenen Romanzen in die Literatur eingeführt, schrieb er andere Gedichte, und eine Sammlung derselben ist unter dem Titel: „Trochäer og Jamber" erschienen. Immer stellt die Form sich tadellos dar, ein sehr gebildeter Geschmack waltet in diesen Poesien und läßt für den Leser einen ungetrübten Genuß dar¬ aus erwachsen. Hierauf lächelte ihm die dramatische Muse freund¬ lich lockend, und er schuf ein Schauspiel „Kjärleghed vnd Hoffet — die Liebe am Hofe", das im bunt romantischen Style gehalten ist. Laune und Pathos flattern darin, wie neckende Kolibris und ernst¬ hafte Pfauen, durcheinander.
Schon immer hatte Lord Byron einen unläugbaren Einfluß auf Paludan Müller geübt, und das Studium dieses Dichters, verbunden mit inniger Liebe zu demselben, brachten ihm ein schönes Resultat. Es war ein größeres lyrisches Epos: „Danserinden — die Tänzerin" (1834), das, ohne irgend nachzuahmen, wahlverwandt an Childe Harold erinnert. Die phantasiereiche Ausführung sowohl, als die fein behandelte ottavische Form, gewannen dem Gedichte die allge¬ meine Gunst, und auch in's Deutsche ist es übertragen worden. Das folgende Werk von Paludan Müller war ein mythologisches Drama - „Amor und Psyche" betitelt. Es bildet die Blüthenkrone seiner bis¬ herigen Schöpfungen, und mit vollem Rechte scholl ihm begeisterte Anerkennung entgegen. Form und Sprache sind hier Eins gewor-
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Wir verlassen nun Andersen und wenden uns zu zwei anderen
Dichter», die man in Deutschland nur wenig kennt, obgleich sie doch,
nach dem Urtheile der Dänen, den Ersteren überragen an poetischer
Kraft. Sie traten beide zugleich in die Literatur. Die „Gesellschaft
zur Beförderung der schönen Wissenschaften" hatte nämlich im Jahr
1830 einen Preis auf die vier besten Romanzen ausgesetzt; Qehlen-
schläger gehörte zu den Richtern, und mehr als siebenzig Kämpen
drängten sich zum Wettstreit heran. Zwei junge Poeten wurden ge¬
krönt, sie hießen Holst und Paludan Müller, und man täuschte
sich nicht, als man glaubte, sie würden entschlossen vorwärts streben
auf der betretenen Bahn. Ihre Namen haben jetzt einen guten Klang
im dänischen Lande.
Frederik Paludan Müller ist am 7. Februar I8den zu Kjer-
teminde geboren. Er studirte Jura, doch ohne rechten Drang; die
Göttin der Poesie sang ihm ihre Sircnenlieder, er mochte wachen
oder träumen. Durch jene gelungenen Romanzen in die Literatur
eingeführt, schrieb er andere Gedichte, und eine Sammlung derselben
ist unter dem Titel: „Trochäer og Jamber" erschienen. Immer stellt
die Form sich tadellos dar, ein sehr gebildeter Geschmack waltet in
diesen Poesien und läßt für den Leser einen ungetrübten Genuß dar¬
aus erwachsen. Hierauf lächelte ihm die dramatische Muse freund¬
lich lockend, und er schuf ein Schauspiel „Kjärleghed vnd Hoffet —
die Liebe am Hofe", das im bunt romantischen Style gehalten ist.
Laune und Pathos flattern darin, wie neckende Kolibris und ernst¬
hafte Pfauen, durcheinander.
Schon immer hatte Lord Byron einen unläugbaren Einfluß auf
Paludan Müller geübt, und das Studium dieses Dichters, verbunden
mit inniger Liebe zu demselben, brachten ihm ein schönes Resultat.
Es war ein größeres lyrisches Epos: „Danserinden — die Tänzerin"
(1834), das, ohne irgend nachzuahmen, wahlverwandt an Childe
Harold erinnert. Die phantasiereiche Ausführung sowohl, als die
fein behandelte ottavische Form, gewannen dem Gedichte die allge¬
meine Gunst, und auch in's Deutsche ist es übertragen worden. Das
folgende Werk von Paludan Müller war ein mythologisches Drama -
„Amor und Psyche" betitelt. Es bildet die Blüthenkrone seiner bis¬
herigen Schöpfungen, und mit vollem Rechte scholl ihm begeisterte
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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/379>, abgerufen am 23.12.2024.
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