Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.das war es nicht; -- ich mußte hinab, um mein todtes Kind zu Als das Kind verstorben und der geistliche Herr fort war, Ich war, ich gestehe es, tief gerührt; ich kenne viele Männer Grenzlwtcn IK-ii, >- 46
das war es nicht; — ich mußte hinab, um mein todtes Kind zu Als das Kind verstorben und der geistliche Herr fort war, Ich war, ich gestehe es, tief gerührt; ich kenne viele Männer Grenzlwtcn IK-ii, >- 46
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0353" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180066"/> <p xml:id="ID_900" prev="#ID_899"> das war es nicht; — ich mußte hinab, um mein todtes Kind zu<lb/> begraben. Sie wissen ja, die kleine Resi, mit der sie vor zwei Jah¬<lb/> re» noch so freundlich spielten? nun, die wurde uns krank; — sie<lb/> bekam den Fricsel und den zweiten Tag war sie gestorben. Einen<lb/> Doctor konnte ich nicht herausbringen, aber der junge geistliche Herr,<lb/> der Kaplan aus dem Pfarrhofe/ der ist mit mir heraufgestiegen, weil<lb/> er auch studirt hat und manchmal etwas weiß, was dem kranken<lb/> Menschen hilft. Da war aber nicht zu helfen. Die Rest mußte<lb/> sterben, weil unser Herrgott daraus einen Engel im Himmel machen<lb/> wollte, und sie soll einst in unserer Sterbestunde für uns beten, da<lb/> sie Nichts drüben abzubüßen hat, wie wir andern sündigen Menschen; so<lb/> meinte der junge, geistliche Herr, und das tröstet auch die Marie und mich.</p><lb/> <p xml:id="ID_901"> Als das Kind verstorben und der geistliche Herr fort war,<lb/> weinte meine Marie sehr und bat mich, ich möchte das Kind hinab¬<lb/> tragen, damit es in geweihter Erde ruhe! Des andern Morgens leg,<lb/> ten wir's in einen kleinen Sarg, den mir die Frau auf die Kraren<lb/> band, und so trug ich es hinab in den Pfarrhof. Der hochwürdige<lb/> Herr Pfarrer hat es selbst eingesegnet, und da liegt es auf dein<lb/> Kirchhofe, sehen Sie dort unten? Es steht auch ein schönes Kreuz<lb/> und ein Rosenstrauch auf dem Grabhügel, aber es ist zu weit, um<lb/> es von hier zu sehen. — Nun sehen Sie, lieber Herr, fuhr Jakob,<lb/> sich eine Thräne aus dem Auge wischend, fort, sehen Sie, als ich<lb/> Abends wieder heraufstieg zu meiner Marie, in das einsame Haus,<lb/> da wankten meine Kniee und ich vermeinte, sie könnten mich kaum<lb/> herauftragen. Das, Herr, das war mein schwerster Gang! —</p><lb/> <p xml:id="ID_902" next="#ID_903"> Ich war, ich gestehe es, tief gerührt; ich kenne viele Männer<lb/> mit sehr unmännlicher physischen und geistigen Qualitäten, die nie<lb/> weinen, außer man tritt ihnen auf die Hühneraugen, oder gibt ihnen<lb/> eine Zwiebel zu riechen; um so mehr ergreift es mich, wenn ein ech¬<lb/> ter Mann weint; eine echte Männerthräne ist eine unschätzbare, sel¬<lb/> tene Perle, aus dem Schmelztiegel eines tiefen Gefühles hervorquel¬<lb/> lend. Ich wollte etwas entgegnen und, wie es bei derlei Gelegen¬<lb/> heit gewöhnlich geschieht, ich sagte etwas Unpassendes, indem ich ganz<lb/> stupid bemerkte: Lieber Jakob, es war ja doch minder schwer, her¬<lb/> auf zu gehen, als hinab, wo Ihr noch die traurige Last zu tragen<lb/> hattet. — Da blickte mich Jakob mit einem trüben, ich möchte sagen<lb/> strafenden Blicke an, als wollt' er mir meinen Mangel an Zartgefühl</p><lb/> <fw place="bottom" type="sig"> Grenzlwtcn IK-ii, >- 46</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0353]
das war es nicht; — ich mußte hinab, um mein todtes Kind zu
begraben. Sie wissen ja, die kleine Resi, mit der sie vor zwei Jah¬
re» noch so freundlich spielten? nun, die wurde uns krank; — sie
bekam den Fricsel und den zweiten Tag war sie gestorben. Einen
Doctor konnte ich nicht herausbringen, aber der junge geistliche Herr,
der Kaplan aus dem Pfarrhofe/ der ist mit mir heraufgestiegen, weil
er auch studirt hat und manchmal etwas weiß, was dem kranken
Menschen hilft. Da war aber nicht zu helfen. Die Rest mußte
sterben, weil unser Herrgott daraus einen Engel im Himmel machen
wollte, und sie soll einst in unserer Sterbestunde für uns beten, da
sie Nichts drüben abzubüßen hat, wie wir andern sündigen Menschen; so
meinte der junge, geistliche Herr, und das tröstet auch die Marie und mich.
Als das Kind verstorben und der geistliche Herr fort war,
weinte meine Marie sehr und bat mich, ich möchte das Kind hinab¬
tragen, damit es in geweihter Erde ruhe! Des andern Morgens leg,
ten wir's in einen kleinen Sarg, den mir die Frau auf die Kraren
band, und so trug ich es hinab in den Pfarrhof. Der hochwürdige
Herr Pfarrer hat es selbst eingesegnet, und da liegt es auf dein
Kirchhofe, sehen Sie dort unten? Es steht auch ein schönes Kreuz
und ein Rosenstrauch auf dem Grabhügel, aber es ist zu weit, um
es von hier zu sehen. — Nun sehen Sie, lieber Herr, fuhr Jakob,
sich eine Thräne aus dem Auge wischend, fort, sehen Sie, als ich
Abends wieder heraufstieg zu meiner Marie, in das einsame Haus,
da wankten meine Kniee und ich vermeinte, sie könnten mich kaum
herauftragen. Das, Herr, das war mein schwerster Gang! —
Ich war, ich gestehe es, tief gerührt; ich kenne viele Männer
mit sehr unmännlicher physischen und geistigen Qualitäten, die nie
weinen, außer man tritt ihnen auf die Hühneraugen, oder gibt ihnen
eine Zwiebel zu riechen; um so mehr ergreift es mich, wenn ein ech¬
ter Mann weint; eine echte Männerthräne ist eine unschätzbare, sel¬
tene Perle, aus dem Schmelztiegel eines tiefen Gefühles hervorquel¬
lend. Ich wollte etwas entgegnen und, wie es bei derlei Gelegen¬
heit gewöhnlich geschieht, ich sagte etwas Unpassendes, indem ich ganz
stupid bemerkte: Lieber Jakob, es war ja doch minder schwer, her¬
auf zu gehen, als hinab, wo Ihr noch die traurige Last zu tragen
hattet. — Da blickte mich Jakob mit einem trüben, ich möchte sagen
strafenden Blicke an, als wollt' er mir meinen Mangel an Zartgefühl
Grenzlwtcn IK-ii, >- 46
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