berg, ein Mann des Lebens und der Kraft, schwankte nicht lange in idealer Ungewißheit, sondern faßte sein neues Amt von vornherein mit muthigem Griffe an und schrieb eine brauchbare Sprachformen¬ lehre. Aus einer Reihe von Vorlesungen entstand auch die "Nor¬ dische Mythologie", welche mit dem feinen Auge des Naturforschers die Göttersagen anzuschauen und ihre Entwicklung so klar darzustellen weiß, daß man sie gleich Krystallen in nothwendiger Bildung um einen bestimmten Kern anschießen sieht.
Heiberg verließ indeß 1825 den akademischen Lehrstuhl und kehrte nach Kopenhagen zurück, um freier und kräftiger eingreifen zu können in Leben und Literatur. Die Bedeutung der Bühne warm empfindend, konnte er es nicht ruhig mit ansehen, wie die Oper im¬ mer breiter Platz gewann, das Drama verdrängend. Er suchte den Zeitgeschmack und die nationale Komödie gegenseitig zu vermitteln und dies durch Vaudevilles, deren er beinahe zwanzig schrieb. Die¬ selben haben die dänische Bühne viele Jahre lang beherrscht und da¬ bei trefflich eingewirkt, denn jede Nachahmung der Franzosen lag ih¬ nen fern, ein schöner heimathlicher Reiz umwebt sie. Auf localen Grund find Volkscharaktere mit sicheren, treuen Farben gezeichnet; das Publicum sitzt vor dem Spiegel, wenn es diese Vaudevilles sieht und so wissen sie sehr geschickt das Volkslustspiel zu ersetzen. Eine heitere, angenehm verwebte Intrigue verschlingt die Situationen, und schöne lyrische Blüthen duften in dem frischen Kranz.
Im Jahre 1824 war Heiberg in Berlin gewesen, hatte dort Hegel, den Philosophen des Jahrhunderts und dessen System kennen gelernt. Wie wach Heiberg's Seele war, jeden Athemzug des Fort¬ schritts zu belauschen, das zeigte bereits seine Schrift: "Ueber die menschliche Freiheit", welche 1824 erschien. Mit dem Jahre 1827 aber gründete er "die fliegende Post", ein ästhetisches Wochenblatt, und Alles staunte ihn an, denn so war die Kritik bisher in Däne-- mark noch nicht gehandhabt worden. Oehlcnschläger hatte, vermöge seines frischen Talents, einen sehr unmittelbaren, dreist romantischen' Ton in der Literatur angegeben. Seine Einfachheit, sein blühender Muthwille schienen leicht nachzuahmen; alle Spatzen, alle Zaunkönige wollten zwitschern, wie er sang, und eine sichere, prüfen deKritik war sehr nothwendig geworden.
Da kam Heiberg hinzu, der Mann von edlem Geschmack, ge-
berg, ein Mann des Lebens und der Kraft, schwankte nicht lange in idealer Ungewißheit, sondern faßte sein neues Amt von vornherein mit muthigem Griffe an und schrieb eine brauchbare Sprachformen¬ lehre. Aus einer Reihe von Vorlesungen entstand auch die „Nor¬ dische Mythologie", welche mit dem feinen Auge des Naturforschers die Göttersagen anzuschauen und ihre Entwicklung so klar darzustellen weiß, daß man sie gleich Krystallen in nothwendiger Bildung um einen bestimmten Kern anschießen sieht.
Heiberg verließ indeß 1825 den akademischen Lehrstuhl und kehrte nach Kopenhagen zurück, um freier und kräftiger eingreifen zu können in Leben und Literatur. Die Bedeutung der Bühne warm empfindend, konnte er es nicht ruhig mit ansehen, wie die Oper im¬ mer breiter Platz gewann, das Drama verdrängend. Er suchte den Zeitgeschmack und die nationale Komödie gegenseitig zu vermitteln und dies durch Vaudevilles, deren er beinahe zwanzig schrieb. Die¬ selben haben die dänische Bühne viele Jahre lang beherrscht und da¬ bei trefflich eingewirkt, denn jede Nachahmung der Franzosen lag ih¬ nen fern, ein schöner heimathlicher Reiz umwebt sie. Auf localen Grund find Volkscharaktere mit sicheren, treuen Farben gezeichnet; das Publicum sitzt vor dem Spiegel, wenn es diese Vaudevilles sieht und so wissen sie sehr geschickt das Volkslustspiel zu ersetzen. Eine heitere, angenehm verwebte Intrigue verschlingt die Situationen, und schöne lyrische Blüthen duften in dem frischen Kranz.
Im Jahre 1824 war Heiberg in Berlin gewesen, hatte dort Hegel, den Philosophen des Jahrhunderts und dessen System kennen gelernt. Wie wach Heiberg's Seele war, jeden Athemzug des Fort¬ schritts zu belauschen, das zeigte bereits seine Schrift: „Ueber die menschliche Freiheit", welche 1824 erschien. Mit dem Jahre 1827 aber gründete er „die fliegende Post", ein ästhetisches Wochenblatt, und Alles staunte ihn an, denn so war die Kritik bisher in Däne-- mark noch nicht gehandhabt worden. Oehlcnschläger hatte, vermöge seines frischen Talents, einen sehr unmittelbaren, dreist romantischen' Ton in der Literatur angegeben. Seine Einfachheit, sein blühender Muthwille schienen leicht nachzuahmen; alle Spatzen, alle Zaunkönige wollten zwitschern, wie er sang, und eine sichere, prüfen deKritik war sehr nothwendig geworden.
Da kam Heiberg hinzu, der Mann von edlem Geschmack, ge-
<TEI><text><body><div><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0341"corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180054"/><pxml:id="ID_866"prev="#ID_865"> berg, ein Mann des Lebens und der Kraft, schwankte nicht lange in<lb/>
idealer Ungewißheit, sondern faßte sein neues Amt von vornherein<lb/>
mit muthigem Griffe an und schrieb eine brauchbare Sprachformen¬<lb/>
lehre. Aus einer Reihe von Vorlesungen entstand auch die „Nor¬<lb/>
dische Mythologie", welche mit dem feinen Auge des Naturforschers<lb/>
die Göttersagen anzuschauen und ihre Entwicklung so klar darzustellen<lb/>
weiß, daß man sie gleich Krystallen in nothwendiger Bildung um<lb/>
einen bestimmten Kern anschießen sieht.</p><lb/><pxml:id="ID_867"> Heiberg verließ indeß 1825 den akademischen Lehrstuhl und<lb/>
kehrte nach Kopenhagen zurück, um freier und kräftiger eingreifen zu<lb/>
können in Leben und Literatur. Die Bedeutung der Bühne warm<lb/>
empfindend, konnte er es nicht ruhig mit ansehen, wie die Oper im¬<lb/>
mer breiter Platz gewann, das Drama verdrängend. Er suchte den<lb/>
Zeitgeschmack und die nationale Komödie gegenseitig zu vermitteln<lb/>
und dies durch Vaudevilles, deren er beinahe zwanzig schrieb. Die¬<lb/>
selben haben die dänische Bühne viele Jahre lang beherrscht und da¬<lb/>
bei trefflich eingewirkt, denn jede Nachahmung der Franzosen lag ih¬<lb/>
nen fern, ein schöner heimathlicher Reiz umwebt sie. Auf localen<lb/>
Grund find Volkscharaktere mit sicheren, treuen Farben gezeichnet;<lb/>
das Publicum sitzt vor dem Spiegel, wenn es diese Vaudevilles sieht<lb/>
und so wissen sie sehr geschickt das Volkslustspiel zu ersetzen. Eine<lb/>
heitere, angenehm verwebte Intrigue verschlingt die Situationen, und<lb/>
schöne lyrische Blüthen duften in dem frischen Kranz.</p><lb/><pxml:id="ID_868"> Im Jahre 1824 war Heiberg in Berlin gewesen, hatte dort<lb/>
Hegel, den Philosophen des Jahrhunderts und dessen System kennen<lb/>
gelernt. Wie wach Heiberg's Seele war, jeden Athemzug des Fort¬<lb/>
schritts zu belauschen, das zeigte bereits seine Schrift: „Ueber die<lb/>
menschliche Freiheit", welche 1824 erschien. Mit dem Jahre 1827<lb/>
aber gründete er „die fliegende Post", ein ästhetisches Wochenblatt,<lb/>
und Alles staunte ihn an, denn so war die Kritik bisher in Däne--<lb/>
mark noch nicht gehandhabt worden. Oehlcnschläger hatte, vermöge<lb/>
seines frischen Talents, einen sehr unmittelbaren, dreist romantischen'<lb/>
Ton in der Literatur angegeben. Seine Einfachheit, sein blühender<lb/>
Muthwille schienen leicht nachzuahmen; alle Spatzen, alle Zaunkönige<lb/>
wollten zwitschern, wie er sang, und eine sichere, prüfen deKritik war<lb/>
sehr nothwendig geworden.</p><lb/><pxml:id="ID_869"next="#ID_870"> Da kam Heiberg hinzu, der Mann von edlem Geschmack, ge-</p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[0341]
berg, ein Mann des Lebens und der Kraft, schwankte nicht lange in
idealer Ungewißheit, sondern faßte sein neues Amt von vornherein
mit muthigem Griffe an und schrieb eine brauchbare Sprachformen¬
lehre. Aus einer Reihe von Vorlesungen entstand auch die „Nor¬
dische Mythologie", welche mit dem feinen Auge des Naturforschers
die Göttersagen anzuschauen und ihre Entwicklung so klar darzustellen
weiß, daß man sie gleich Krystallen in nothwendiger Bildung um
einen bestimmten Kern anschießen sieht.
Heiberg verließ indeß 1825 den akademischen Lehrstuhl und
kehrte nach Kopenhagen zurück, um freier und kräftiger eingreifen zu
können in Leben und Literatur. Die Bedeutung der Bühne warm
empfindend, konnte er es nicht ruhig mit ansehen, wie die Oper im¬
mer breiter Platz gewann, das Drama verdrängend. Er suchte den
Zeitgeschmack und die nationale Komödie gegenseitig zu vermitteln
und dies durch Vaudevilles, deren er beinahe zwanzig schrieb. Die¬
selben haben die dänische Bühne viele Jahre lang beherrscht und da¬
bei trefflich eingewirkt, denn jede Nachahmung der Franzosen lag ih¬
nen fern, ein schöner heimathlicher Reiz umwebt sie. Auf localen
Grund find Volkscharaktere mit sicheren, treuen Farben gezeichnet;
das Publicum sitzt vor dem Spiegel, wenn es diese Vaudevilles sieht
und so wissen sie sehr geschickt das Volkslustspiel zu ersetzen. Eine
heitere, angenehm verwebte Intrigue verschlingt die Situationen, und
schöne lyrische Blüthen duften in dem frischen Kranz.
Im Jahre 1824 war Heiberg in Berlin gewesen, hatte dort
Hegel, den Philosophen des Jahrhunderts und dessen System kennen
gelernt. Wie wach Heiberg's Seele war, jeden Athemzug des Fort¬
schritts zu belauschen, das zeigte bereits seine Schrift: „Ueber die
menschliche Freiheit", welche 1824 erschien. Mit dem Jahre 1827
aber gründete er „die fliegende Post", ein ästhetisches Wochenblatt,
und Alles staunte ihn an, denn so war die Kritik bisher in Däne--
mark noch nicht gehandhabt worden. Oehlcnschläger hatte, vermöge
seines frischen Talents, einen sehr unmittelbaren, dreist romantischen'
Ton in der Literatur angegeben. Seine Einfachheit, sein blühender
Muthwille schienen leicht nachzuahmen; alle Spatzen, alle Zaunkönige
wollten zwitschern, wie er sang, und eine sichere, prüfen deKritik war
sehr nothwendig geworden.
Da kam Heiberg hinzu, der Mann von edlem Geschmack, ge-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:
Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.
Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;
Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/341>, abgerufen am 13.01.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.