In neuerer Zeit hat das Czechenthum sich ans dumpfem Traum aufgerüttelt und laut verkündet, daß es nur scheintodt gewesen; es will nicht mehr blos der Bettlermantel sein, der von den Gliedern seines deutschen Herrn schlottert; nicht mehr blos der dunkle Schat- ten, den die Hand und das Scepter des deutschen Lebens wirst; es will gleichberechtigt sein. Man soll in czechischer Zunge uicht mehr blos fluchen und murren, sondern auch segnen und preisen können. Einige Dichter von Beruf haben die Landessprache zu Ehren ge- bracht und bewiesen, daß auch sie ein Spiegel des Schönen und Edlen sein kann. Und wie ein alter, im Gram erblindeter Wan- dersmann, wenn er sein verloren geglaubtes Saitenspiel wiederfindet, es über Alles preist und höher stellt, als Stab und Stütze und thut, als hätte er seine Jugend und fein Augenlicht wiedergefunden; so ging der czechische Enthusiasmus im ersten leicht verzeihlichen Rausch über sein Ziel hinaus. Wenn er früher sich zu scheu und selbstver- achtend vor dem deutschen Licht verkrochen, glaubt er jetzt, es über- strahlen und entbehren zu können, möchte er jetzt allein herrschen in einem Lande, dessen blühende Saaten er nicht allein gesäet; und so fordert er selbst wieder zum Widerspruch und zu neuer Ungerechtigkeit gegen den kaum erweckten Nationalgeist auf. Doch was sage ich? Nur die jugendlichen, ungestümen Herolde der Bewegung sind es, die mit ihren lauten Träumen von Ottokarischer Herrschaft, von neu zu begründenden Reichen die Welt in Staunen versetzen; nur der Schaum der Sturmwoge ist es, der bis gegen den Himmel spritzt. Der Steuermann erkennt sein Ziel besser, und die^ Männer, die grau geworden sind in der Pflege und Wiedererweckung ihres heimath- lichen Genius, muthen ihm keine solche Sprünge zu.
Und was soll dies Alles, werden Sie fragen; wie hängt dies mit der deutschen Literatur in Böhmen zusammen? - Ich wollte nur bemerken, daß sowohl deutsches, wie czechisches Leben im Böh- merlande unausrottbar tief wurzelt; dieses durch die unverwüstliche Lebenskraft des Volkes, jenes durch die Keime eines freiern Bürger- thums, die in Böhmen durch deutschen Sinn gepflanzt worden sind. Ich brauche nicht an das historische Recht zu erinnern, auf das sich Beide berufen; ich rede nur von den wesentlichen Lebensbedingungen in Gegenwart und Zukunft. Wollte und könnte Böhmen die deut- sche Hand wegstoßen, die in seinen Angelegenheiten anschafft und
In neuerer Zeit hat das Czechenthum sich ans dumpfem Traum aufgerüttelt und laut verkündet, daß es nur scheintodt gewesen; es will nicht mehr blos der Bettlermantel sein, der von den Gliedern seines deutschen Herrn schlottert; nicht mehr blos der dunkle Schat- ten, den die Hand und das Scepter des deutschen Lebens wirst; es will gleichberechtigt sein. Man soll in czechischer Zunge uicht mehr blos fluchen und murren, sondern auch segnen und preisen können. Einige Dichter von Beruf haben die Landessprache zu Ehren ge- bracht und bewiesen, daß auch sie ein Spiegel des Schönen und Edlen sein kann. Und wie ein alter, im Gram erblindeter Wan- dersmann, wenn er sein verloren geglaubtes Saitenspiel wiederfindet, es über Alles preist und höher stellt, als Stab und Stütze und thut, als hätte er seine Jugend und fein Augenlicht wiedergefunden; so ging der czechische Enthusiasmus im ersten leicht verzeihlichen Rausch über sein Ziel hinaus. Wenn er früher sich zu scheu und selbstver- achtend vor dem deutschen Licht verkrochen, glaubt er jetzt, es über- strahlen und entbehren zu können, möchte er jetzt allein herrschen in einem Lande, dessen blühende Saaten er nicht allein gesäet; und so fordert er selbst wieder zum Widerspruch und zu neuer Ungerechtigkeit gegen den kaum erweckten Nationalgeist auf. Doch was sage ich? Nur die jugendlichen, ungestümen Herolde der Bewegung sind es, die mit ihren lauten Träumen von Ottokarischer Herrschaft, von neu zu begründenden Reichen die Welt in Staunen versetzen; nur der Schaum der Sturmwoge ist es, der bis gegen den Himmel spritzt. Der Steuermann erkennt sein Ziel besser, und die^ Männer, die grau geworden sind in der Pflege und Wiedererweckung ihres heimath- lichen Genius, muthen ihm keine solche Sprünge zu.
Und was soll dies Alles, werden Sie fragen; wie hängt dies mit der deutschen Literatur in Böhmen zusammen? - Ich wollte nur bemerken, daß sowohl deutsches, wie czechisches Leben im Böh- merlande unausrottbar tief wurzelt; dieses durch die unverwüstliche Lebenskraft des Volkes, jenes durch die Keime eines freiern Bürger- thums, die in Böhmen durch deutschen Sinn gepflanzt worden sind. Ich brauche nicht an das historische Recht zu erinnern, auf das sich Beide berufen; ich rede nur von den wesentlichen Lebensbedingungen in Gegenwart und Zukunft. Wollte und könnte Böhmen die deut- sche Hand wegstoßen, die in seinen Angelegenheiten anschafft und
<TEI><text><body><div><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0034"corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/179747"/><pxml:id="ID_45"> In neuerer Zeit hat das Czechenthum sich ans dumpfem Traum<lb/>
aufgerüttelt und laut verkündet, daß es nur scheintodt gewesen; es<lb/>
will nicht mehr blos der Bettlermantel sein, der von den Gliedern<lb/>
seines deutschen Herrn schlottert; nicht mehr blos der dunkle Schat-<lb/>
ten, den die Hand und das Scepter des deutschen Lebens wirst; es<lb/>
will gleichberechtigt sein. Man soll in czechischer Zunge uicht mehr<lb/>
blos fluchen und murren, sondern auch segnen und preisen können.<lb/>
Einige Dichter von Beruf haben die Landessprache zu Ehren ge-<lb/>
bracht und bewiesen, daß auch sie ein Spiegel des Schönen und<lb/>
Edlen sein kann. Und wie ein alter, im Gram erblindeter Wan-<lb/>
dersmann, wenn er sein verloren geglaubtes Saitenspiel wiederfindet,<lb/>
es über Alles preist und höher stellt, als Stab und Stütze und thut,<lb/>
als hätte er seine Jugend und fein Augenlicht wiedergefunden; so<lb/>
ging der czechische Enthusiasmus im ersten leicht verzeihlichen Rausch<lb/>
über sein Ziel hinaus. Wenn er früher sich zu scheu und selbstver-<lb/>
achtend vor dem deutschen Licht verkrochen, glaubt er jetzt, es über-<lb/>
strahlen und entbehren zu können, möchte er jetzt allein herrschen in<lb/>
einem Lande, dessen blühende Saaten er nicht allein gesäet; und so<lb/>
fordert er selbst wieder zum Widerspruch und zu neuer Ungerechtigkeit<lb/>
gegen den kaum erweckten Nationalgeist auf. Doch was sage ich?<lb/>
Nur die jugendlichen, ungestümen Herolde der Bewegung sind es,<lb/>
die mit ihren lauten Träumen von Ottokarischer Herrschaft, von neu<lb/>
zu begründenden Reichen die Welt in Staunen versetzen; nur der<lb/>
Schaum der Sturmwoge ist es, der bis gegen den Himmel spritzt.<lb/>
Der Steuermann erkennt sein Ziel besser, und die^ Männer, die grau<lb/>
geworden sind in der Pflege und Wiedererweckung ihres heimath-<lb/>
lichen Genius, muthen ihm keine solche Sprünge zu.</p><lb/><pxml:id="ID_46"next="#ID_47"> Und was soll dies Alles, werden Sie fragen; wie hängt dies<lb/>
mit der deutschen Literatur in Böhmen zusammen? - Ich wollte<lb/>
nur bemerken, daß sowohl deutsches, wie czechisches Leben im Böh-<lb/>
merlande unausrottbar tief wurzelt; dieses durch die unverwüstliche<lb/>
Lebenskraft des Volkes, jenes durch die Keime eines freiern Bürger-<lb/>
thums, die in Böhmen durch deutschen Sinn gepflanzt worden sind.<lb/>
Ich brauche nicht an das historische Recht zu erinnern, auf das sich<lb/>
Beide berufen; ich rede nur von den wesentlichen Lebensbedingungen<lb/>
in Gegenwart und Zukunft. Wollte und könnte Böhmen die deut-<lb/>
sche Hand wegstoßen, die in seinen Angelegenheiten anschafft und</p><lb/></div></div></div></div></body></text></TEI>
[0034]
In neuerer Zeit hat das Czechenthum sich ans dumpfem Traum
aufgerüttelt und laut verkündet, daß es nur scheintodt gewesen; es
will nicht mehr blos der Bettlermantel sein, der von den Gliedern
seines deutschen Herrn schlottert; nicht mehr blos der dunkle Schat-
ten, den die Hand und das Scepter des deutschen Lebens wirst; es
will gleichberechtigt sein. Man soll in czechischer Zunge uicht mehr
blos fluchen und murren, sondern auch segnen und preisen können.
Einige Dichter von Beruf haben die Landessprache zu Ehren ge-
bracht und bewiesen, daß auch sie ein Spiegel des Schönen und
Edlen sein kann. Und wie ein alter, im Gram erblindeter Wan-
dersmann, wenn er sein verloren geglaubtes Saitenspiel wiederfindet,
es über Alles preist und höher stellt, als Stab und Stütze und thut,
als hätte er seine Jugend und fein Augenlicht wiedergefunden; so
ging der czechische Enthusiasmus im ersten leicht verzeihlichen Rausch
über sein Ziel hinaus. Wenn er früher sich zu scheu und selbstver-
achtend vor dem deutschen Licht verkrochen, glaubt er jetzt, es über-
strahlen und entbehren zu können, möchte er jetzt allein herrschen in
einem Lande, dessen blühende Saaten er nicht allein gesäet; und so
fordert er selbst wieder zum Widerspruch und zu neuer Ungerechtigkeit
gegen den kaum erweckten Nationalgeist auf. Doch was sage ich?
Nur die jugendlichen, ungestümen Herolde der Bewegung sind es,
die mit ihren lauten Träumen von Ottokarischer Herrschaft, von neu
zu begründenden Reichen die Welt in Staunen versetzen; nur der
Schaum der Sturmwoge ist es, der bis gegen den Himmel spritzt.
Der Steuermann erkennt sein Ziel besser, und die^ Männer, die grau
geworden sind in der Pflege und Wiedererweckung ihres heimath-
lichen Genius, muthen ihm keine solche Sprünge zu.
Und was soll dies Alles, werden Sie fragen; wie hängt dies
mit der deutschen Literatur in Böhmen zusammen? - Ich wollte
nur bemerken, daß sowohl deutsches, wie czechisches Leben im Böh-
merlande unausrottbar tief wurzelt; dieses durch die unverwüstliche
Lebenskraft des Volkes, jenes durch die Keime eines freiern Bürger-
thums, die in Böhmen durch deutschen Sinn gepflanzt worden sind.
Ich brauche nicht an das historische Recht zu erinnern, auf das sich
Beide berufen; ich rede nur von den wesentlichen Lebensbedingungen
in Gegenwart und Zukunft. Wollte und könnte Böhmen die deut-
sche Hand wegstoßen, die in seinen Angelegenheiten anschafft und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:
Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.
Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;
Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/34>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.