Seine Werke glättet und felle Oehlenschläger mit großer Sorglichkeit und in den neuen Ausgaben treten sie immer saubrer vor's Publicum. Aber der Polirstahl vertilgt nicht selten das schönste Gold und wischt die feinsten poetischen Linien aus. Es ist die jugendkecke Romantik ab¬ gefallen! aus ihrem wilden, üppigen Baumwuchs sollen kunstreiche Hecken entstehen und der Verstand, ein Gärtner mit scharfer Scheere und plumpen Händen, stutzt sie zu. Verstand ist stets weniger Oeh- lenschläger'S Sache gewesen, als Phantasie; und es ist übel, daß ihr nun jener in's Handwerk pfuschen soll. Der poetische Ungestüm, die reine Unmittelbarkeit war just eine der schönsten Zierden, welche seine Gedichte zu verlieren hatten. Nur Ein Beispiel mag hier stehen, wie Oehlenschläger verbessert. In seiner lieblichen Romanze: "der Ritter an der Elfenhöhe" kommt ein ritterlicher Jüngling in später Nacht zu einem Hügel, legt sich dort nieder und schlummert ein. Drei luf¬ tige Jungfrauen nahen sich, umschweben und küssen ihn und Mor¬ gens ist er todt. So schloß vormals das Gedicht. Jetzt aber hat der Poet noch einen Vers hinzugefügt, worin erzählt wird, daß die drei aus Nachtluft und Thau gebornen Wesen Nichts anders als Erkältung, Schnupfen und Rheumatismus waren. Klingt das nicht gerade wie Parodie?
Oehlenschläger war nicht daheim, ich bekam ihn also nicht zu sehen und kann von seiner Persönlichkeit nur mittheilen, was mir Andere sagten. Er hatte nämlich eine Sommerfahrt nach Norwegen hinüber gemacht, wo seine Tochter in Bergen verheirathet ist. Sonst bewohnt er während des Sommers ein Landhaus in Frederiköberg, dessen waldstiller Park mit seinen prächtigen Baumgruppen und mit den blauen Wasserspiegeln, die dazwischen ruhen, recht zum Sinnen und Dichten geeignet ist. Wenn der Winter kommen will, zieht er nach der Stadt, fuhrt dort ein behagliches, genußreiches Leben und möchte keinen Abend das Theater versäumen. Volk und Fürst brin¬ gen ihm Lorbeerkränze in Hülle und Fülle dar; Oehlenschläger freut sich ihrer und nimmt sie dankbar an. Diese Dankbarkeit ist ein her¬ vorstechender Zug seines Charakters und sie muß um so ehrenvoller anerkannt werden, je seltener sie bei berühmten Männern ist. Oft stachelt Eitelkeit dieselben zur Unzufriedenheit; Alles erscheint ihnen zu gering als Lohn ihrer immensen Verdienste und ein mürrischer Ton verstimmt die Harmonie ihres Wesens. Ruhe und Wohlbehagen
Seine Werke glättet und felle Oehlenschläger mit großer Sorglichkeit und in den neuen Ausgaben treten sie immer saubrer vor's Publicum. Aber der Polirstahl vertilgt nicht selten das schönste Gold und wischt die feinsten poetischen Linien aus. Es ist die jugendkecke Romantik ab¬ gefallen! aus ihrem wilden, üppigen Baumwuchs sollen kunstreiche Hecken entstehen und der Verstand, ein Gärtner mit scharfer Scheere und plumpen Händen, stutzt sie zu. Verstand ist stets weniger Oeh- lenschläger'S Sache gewesen, als Phantasie; und es ist übel, daß ihr nun jener in's Handwerk pfuschen soll. Der poetische Ungestüm, die reine Unmittelbarkeit war just eine der schönsten Zierden, welche seine Gedichte zu verlieren hatten. Nur Ein Beispiel mag hier stehen, wie Oehlenschläger verbessert. In seiner lieblichen Romanze: „der Ritter an der Elfenhöhe" kommt ein ritterlicher Jüngling in später Nacht zu einem Hügel, legt sich dort nieder und schlummert ein. Drei luf¬ tige Jungfrauen nahen sich, umschweben und küssen ihn und Mor¬ gens ist er todt. So schloß vormals das Gedicht. Jetzt aber hat der Poet noch einen Vers hinzugefügt, worin erzählt wird, daß die drei aus Nachtluft und Thau gebornen Wesen Nichts anders als Erkältung, Schnupfen und Rheumatismus waren. Klingt das nicht gerade wie Parodie?
Oehlenschläger war nicht daheim, ich bekam ihn also nicht zu sehen und kann von seiner Persönlichkeit nur mittheilen, was mir Andere sagten. Er hatte nämlich eine Sommerfahrt nach Norwegen hinüber gemacht, wo seine Tochter in Bergen verheirathet ist. Sonst bewohnt er während des Sommers ein Landhaus in Frederiköberg, dessen waldstiller Park mit seinen prächtigen Baumgruppen und mit den blauen Wasserspiegeln, die dazwischen ruhen, recht zum Sinnen und Dichten geeignet ist. Wenn der Winter kommen will, zieht er nach der Stadt, fuhrt dort ein behagliches, genußreiches Leben und möchte keinen Abend das Theater versäumen. Volk und Fürst brin¬ gen ihm Lorbeerkränze in Hülle und Fülle dar; Oehlenschläger freut sich ihrer und nimmt sie dankbar an. Diese Dankbarkeit ist ein her¬ vorstechender Zug seines Charakters und sie muß um so ehrenvoller anerkannt werden, je seltener sie bei berühmten Männern ist. Oft stachelt Eitelkeit dieselben zur Unzufriedenheit; Alles erscheint ihnen zu gering als Lohn ihrer immensen Verdienste und ein mürrischer Ton verstimmt die Harmonie ihres Wesens. Ruhe und Wohlbehagen
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Seine Werke glättet und felle Oehlenschläger mit großer Sorglichkeit
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der Polirstahl vertilgt nicht selten das schönste Gold und wischt die
feinsten poetischen Linien aus. Es ist die jugendkecke Romantik ab¬
gefallen! aus ihrem wilden, üppigen Baumwuchs sollen kunstreiche
Hecken entstehen und der Verstand, ein Gärtner mit scharfer Scheere
und plumpen Händen, stutzt sie zu. Verstand ist stets weniger Oeh-
lenschläger'S Sache gewesen, als Phantasie; und es ist übel, daß ihr
nun jener in's Handwerk pfuschen soll. Der poetische Ungestüm, die
reine Unmittelbarkeit war just eine der schönsten Zierden, welche seine
Gedichte zu verlieren hatten. Nur Ein Beispiel mag hier stehen, wie
Oehlenschläger verbessert. In seiner lieblichen Romanze: „der Ritter
an der Elfenhöhe" kommt ein ritterlicher Jüngling in später Nacht
zu einem Hügel, legt sich dort nieder und schlummert ein. Drei luf¬
tige Jungfrauen nahen sich, umschweben und küssen ihn und Mor¬
gens ist er todt. So schloß vormals das Gedicht. Jetzt aber hat
der Poet noch einen Vers hinzugefügt, worin erzählt wird, daß die
drei aus Nachtluft und Thau gebornen Wesen Nichts anders als
Erkältung, Schnupfen und Rheumatismus waren. Klingt das nicht
gerade wie Parodie?
Oehlenschläger war nicht daheim, ich bekam ihn also nicht zu
sehen und kann von seiner Persönlichkeit nur mittheilen, was mir
Andere sagten. Er hatte nämlich eine Sommerfahrt nach Norwegen
hinüber gemacht, wo seine Tochter in Bergen verheirathet ist. Sonst
bewohnt er während des Sommers ein Landhaus in Frederiköberg,
dessen waldstiller Park mit seinen prächtigen Baumgruppen und mit
den blauen Wasserspiegeln, die dazwischen ruhen, recht zum Sinnen
und Dichten geeignet ist. Wenn der Winter kommen will, zieht er
nach der Stadt, fuhrt dort ein behagliches, genußreiches Leben und
möchte keinen Abend das Theater versäumen. Volk und Fürst brin¬
gen ihm Lorbeerkränze in Hülle und Fülle dar; Oehlenschläger freut
sich ihrer und nimmt sie dankbar an. Diese Dankbarkeit ist ein her¬
vorstechender Zug seines Charakters und sie muß um so ehrenvoller
anerkannt werden, je seltener sie bei berühmten Männern ist. Oft
stachelt Eitelkeit dieselben zur Unzufriedenheit; Alles erscheint ihnen zu
gering als Lohn ihrer immensen Verdienste und ein mürrischer Ton
verstimmt die Harmonie ihres Wesens. Ruhe und Wohlbehagen
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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/334>, abgerufen am 26.12.2024.
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