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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

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lenschläger's Singspiele, welche freilich nicht auf der Höhe des guten
Geschmacks stehen, allein das genügte ihm keineswegs und er suchte
noch andere Lücken der Rüstung, um seine Waffe hindurchbohren
zu können. Solche Lücken fehlten nicht ... es macht den Oehlen-
schläger eben so liebenswürdig, daß er bei seinem großen Talente
auch eine gute Menge von Achillesversen hat.

Derselbe war damals an der Kopenhagner Universität wohl¬
bestallter Professor der Aesthetik geworden, ein Amt, zu dem er etwa
eben so gut paßte, als wenn man einen Professor der Aesthetik als
Dichter anstellen wollte. Oehlenschläger, der ein wahrer, wirklicher
Dichter ist, besitzt gar keinen philosophischen Fond, ja er erklärte selbst,
es fehle ihm aller Sinn für Philosophie. Auch die scholastische Kunst,
sich in antiken Sprachen auszudrücken, ging ihm ab und doch nöth¬
igte ihn seine Stellung jetzt, hin und wieder vor öffentlicher Ver¬
sammlung lateinische Reden zu halten. Da kamen denn nicht selten
die spaßhaftesten Sprachschnitzer vor und Baggesen hörte mit feinem Ohr
Md schrieb mit beißender Feder Satyren darüber. Der Professor hatte
nnmal von einem gemeinen Soldaten reden wollen und hatte ihn
miles 8in,s"Iex genannt, weshalb sein Gegner, in sarkastischer Kritik,
einen Offizier, zum Unterschiede, alios compositus nannte. Aber die
Studenten hingen mit feuriger Liebe an Oehlenschläger, und mehrere
schrieben in eben dem hastigen und beleidigenden Style gegen Bag¬
gesen, der seine Angriffe auf Oehlenschläger bezeichnete. Unter diesen
jungen Kämpen befand sich mancher Name, dessen Klang später sieg¬
reich durch Dänemark zog, z. B. Johann Carsten Hauch. Sie for¬
derten auch Baggesen, der sich so breit auf dein Lotterbett seiner
classischen Sprachbildung hinstreckte, zu einer lateinischen Disputation
heraus, aber er war klug genug, den Handschuh liegen zu lassen.

Baggesen's Mond verblich immer mehr, je strahlender Oehlen-
schläger'ö Sonne emporstieg. Dieser schüttete nun ein ganzes Füll¬
horn von Dramen über daS dänische Land aus, und ich brauche
darüber nicht speciell zu sprechen, denn sie sind bekannt genug unter
uns. Obgleich er auf reine Tragödienform gar kein Gewicht legte,
obgleich vor einer Masse von romanttschci, und sententiösen Blumen
die Charaktere nicht in Blut und Leben gehen, so übt doch Oehlen-
schläger's genialische Behandlung stets einen sehr frischen und innigen
Reiz. Dieser Reiz wirkt aber doppelt in Dänemark selbst, denn es


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lenschläger's Singspiele, welche freilich nicht auf der Höhe des guten
Geschmacks stehen, allein das genügte ihm keineswegs und er suchte
noch andere Lücken der Rüstung, um seine Waffe hindurchbohren
zu können. Solche Lücken fehlten nicht ... es macht den Oehlen-
schläger eben so liebenswürdig, daß er bei seinem großen Talente
auch eine gute Menge von Achillesversen hat.

Derselbe war damals an der Kopenhagner Universität wohl¬
bestallter Professor der Aesthetik geworden, ein Amt, zu dem er etwa
eben so gut paßte, als wenn man einen Professor der Aesthetik als
Dichter anstellen wollte. Oehlenschläger, der ein wahrer, wirklicher
Dichter ist, besitzt gar keinen philosophischen Fond, ja er erklärte selbst,
es fehle ihm aller Sinn für Philosophie. Auch die scholastische Kunst,
sich in antiken Sprachen auszudrücken, ging ihm ab und doch nöth¬
igte ihn seine Stellung jetzt, hin und wieder vor öffentlicher Ver¬
sammlung lateinische Reden zu halten. Da kamen denn nicht selten
die spaßhaftesten Sprachschnitzer vor und Baggesen hörte mit feinem Ohr
Md schrieb mit beißender Feder Satyren darüber. Der Professor hatte
nnmal von einem gemeinen Soldaten reden wollen und hatte ihn
miles 8in,s»Iex genannt, weshalb sein Gegner, in sarkastischer Kritik,
einen Offizier, zum Unterschiede, alios compositus nannte. Aber die
Studenten hingen mit feuriger Liebe an Oehlenschläger, und mehrere
schrieben in eben dem hastigen und beleidigenden Style gegen Bag¬
gesen, der seine Angriffe auf Oehlenschläger bezeichnete. Unter diesen
jungen Kämpen befand sich mancher Name, dessen Klang später sieg¬
reich durch Dänemark zog, z. B. Johann Carsten Hauch. Sie for¬
derten auch Baggesen, der sich so breit auf dein Lotterbett seiner
classischen Sprachbildung hinstreckte, zu einer lateinischen Disputation
heraus, aber er war klug genug, den Handschuh liegen zu lassen.

Baggesen's Mond verblich immer mehr, je strahlender Oehlen-
schläger'ö Sonne emporstieg. Dieser schüttete nun ein ganzes Füll¬
horn von Dramen über daS dänische Land aus, und ich brauche
darüber nicht speciell zu sprechen, denn sie sind bekannt genug unter
uns. Obgleich er auf reine Tragödienform gar kein Gewicht legte,
obgleich vor einer Masse von romanttschci, und sententiösen Blumen
die Charaktere nicht in Blut und Leben gehen, so übt doch Oehlen-
schläger's genialische Behandlung stets einen sehr frischen und innigen
Reiz. Dieser Reiz wirkt aber doppelt in Dänemark selbst, denn es


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[0331] lenschläger's Singspiele, welche freilich nicht auf der Höhe des guten Geschmacks stehen, allein das genügte ihm keineswegs und er suchte noch andere Lücken der Rüstung, um seine Waffe hindurchbohren zu können. Solche Lücken fehlten nicht ... es macht den Oehlen- schläger eben so liebenswürdig, daß er bei seinem großen Talente auch eine gute Menge von Achillesversen hat. Derselbe war damals an der Kopenhagner Universität wohl¬ bestallter Professor der Aesthetik geworden, ein Amt, zu dem er etwa eben so gut paßte, als wenn man einen Professor der Aesthetik als Dichter anstellen wollte. Oehlenschläger, der ein wahrer, wirklicher Dichter ist, besitzt gar keinen philosophischen Fond, ja er erklärte selbst, es fehle ihm aller Sinn für Philosophie. Auch die scholastische Kunst, sich in antiken Sprachen auszudrücken, ging ihm ab und doch nöth¬ igte ihn seine Stellung jetzt, hin und wieder vor öffentlicher Ver¬ sammlung lateinische Reden zu halten. Da kamen denn nicht selten die spaßhaftesten Sprachschnitzer vor und Baggesen hörte mit feinem Ohr Md schrieb mit beißender Feder Satyren darüber. Der Professor hatte nnmal von einem gemeinen Soldaten reden wollen und hatte ihn miles 8in,s»Iex genannt, weshalb sein Gegner, in sarkastischer Kritik, einen Offizier, zum Unterschiede, alios compositus nannte. Aber die Studenten hingen mit feuriger Liebe an Oehlenschläger, und mehrere schrieben in eben dem hastigen und beleidigenden Style gegen Bag¬ gesen, der seine Angriffe auf Oehlenschläger bezeichnete. Unter diesen jungen Kämpen befand sich mancher Name, dessen Klang später sieg¬ reich durch Dänemark zog, z. B. Johann Carsten Hauch. Sie for¬ derten auch Baggesen, der sich so breit auf dein Lotterbett seiner classischen Sprachbildung hinstreckte, zu einer lateinischen Disputation heraus, aber er war klug genug, den Handschuh liegen zu lassen. Baggesen's Mond verblich immer mehr, je strahlender Oehlen- schläger'ö Sonne emporstieg. Dieser schüttete nun ein ganzes Füll¬ horn von Dramen über daS dänische Land aus, und ich brauche darüber nicht speciell zu sprechen, denn sie sind bekannt genug unter uns. Obgleich er auf reine Tragödienform gar kein Gewicht legte, obgleich vor einer Masse von romanttschci, und sententiösen Blumen die Charaktere nicht in Blut und Leben gehen, so übt doch Oehlen- schläger's genialische Behandlung stets einen sehr frischen und innigen Reiz. Dieser Reiz wirkt aber doppelt in Dänemark selbst, denn es 43-«-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/331>, abgerufen am 24.12.2024.