Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester.

Bild:
<< vorherige Seite

zweite fängt mit der bekannten Antwort Mirabeau'S an: "41-
1er äiro ü vvtro iniutrs s^lo nous "ommvs le" p"r ki" volcmtö et"
^en^lo et ^no n(ins it'en "ortirovL <in" ultr I.l toicv <le> K-t^onue-
tos," -- und vielleicht brüllt der Chor La Mennais' Ruf: "xuorrv
"ix rickes^ -- zur Entwicklung und Schlußkatastrophe deS drit¬
ten Actes nach.

In Spanien aber standen die Elemente der Gesellschaft sich in
einem ganz verschiedenen Verhältnisse gegenüber. Mr's Erste gab es
dort nie eine Feudalität in dem Sinne, wie dieser Begriff im übri¬
gen Europa gilt, denn in diesem gründet sie sich auf das Verhältniß
des Besiegers zum Besiegten, und so umgekehrt. In Spanien
aber bestand dieses nicht, denn da die Besiegten, nämlich die
Mauren, schließlich entweder ausgerottet oder vertrieben waren, so
gab es nur Sieger; dergestalt, daß die ganze Bevölkerung mit
aristokratischem Selbstgefühl auf ihre Vorfahren zurückblickte und sich
in die ererbte Glorie theilte. Hierzu brauchte man nur "im^no n"rü
zu sein, d. h. weder von Sarazenen noch Juden abzustammen, und so¬
mit sind die Spanier wirklich ein Volk von Edelleuten. Reichthum,
Titel, Würden haben auf diesen Begriff keinen Einfluß, und ein na-
varresischer Arriero oder ein asturischcr Wasserträger würde mit Stolz
auf einen Grand von Spanien blicken, könnte er denselben der Bei¬
mischung arabischen oder hebräischen Blutes verdächtigen. Es erhellt
hieraus, wie nahe diese Ansicht mit der strengen katholischen Recht¬
gläubigkeit verschmelzen mußte, da ein Ungläubiger und ein Unadeli-
ger beinahe identische Begriffe waren. Deshalb, trotz der blutigen
und häufigen Reactionen der verschiedenen Parteien, hat man nie den
Haß gegen die höheren Stände bemerkt, und Niemand wurde meines
Wissens je als Aristokrat füsilirt, denn der Spanier, wenn er auch
haßt, ist zu stolz, um irgend Jemand zu beneiden, -- folglich
fällt der Hanptbeweggrund der Verfolgungssucht gegen den Geburts-
adel, nämlich der Neid weg. Aber eben dieser Stolz äußert sich
dagegen in anderer Beziehung und trägr mit anderen Gründen viel
zu dem Mißtrauen und der Abneigung bei, womit der Spanier im
Allgemeinen den Reichthum, ungewöhnliche Bildung und
fremde Gesinnung und Sitte verfolgt und verachtet. Seit langer
Zeit bestand eine stillschweigende Gleichheit der Ansichten über diesen
Punkt zwischen dem Hof, den Klöstern und dem Landvolke,


zweite fängt mit der bekannten Antwort Mirabeau'S an: „41-
1er äiro ü vvtro iniutrs s^lo nous «ommvs le» p»r ki» volcmtö et»
^en^lo et ^no n(ins it'en «ortirovL <in« ultr I.l toicv <le> K-t^onue-
tos," — und vielleicht brüllt der Chor La Mennais' Ruf: „xuorrv
»ix rickes^ — zur Entwicklung und Schlußkatastrophe deS drit¬
ten Actes nach.

In Spanien aber standen die Elemente der Gesellschaft sich in
einem ganz verschiedenen Verhältnisse gegenüber. Mr's Erste gab es
dort nie eine Feudalität in dem Sinne, wie dieser Begriff im übri¬
gen Europa gilt, denn in diesem gründet sie sich auf das Verhältniß
des Besiegers zum Besiegten, und so umgekehrt. In Spanien
aber bestand dieses nicht, denn da die Besiegten, nämlich die
Mauren, schließlich entweder ausgerottet oder vertrieben waren, so
gab es nur Sieger; dergestalt, daß die ganze Bevölkerung mit
aristokratischem Selbstgefühl auf ihre Vorfahren zurückblickte und sich
in die ererbte Glorie theilte. Hierzu brauchte man nur «im^no n»rü
zu sein, d. h. weder von Sarazenen noch Juden abzustammen, und so¬
mit sind die Spanier wirklich ein Volk von Edelleuten. Reichthum,
Titel, Würden haben auf diesen Begriff keinen Einfluß, und ein na-
varresischer Arriero oder ein asturischcr Wasserträger würde mit Stolz
auf einen Grand von Spanien blicken, könnte er denselben der Bei¬
mischung arabischen oder hebräischen Blutes verdächtigen. Es erhellt
hieraus, wie nahe diese Ansicht mit der strengen katholischen Recht¬
gläubigkeit verschmelzen mußte, da ein Ungläubiger und ein Unadeli-
ger beinahe identische Begriffe waren. Deshalb, trotz der blutigen
und häufigen Reactionen der verschiedenen Parteien, hat man nie den
Haß gegen die höheren Stände bemerkt, und Niemand wurde meines
Wissens je als Aristokrat füsilirt, denn der Spanier, wenn er auch
haßt, ist zu stolz, um irgend Jemand zu beneiden, — folglich
fällt der Hanptbeweggrund der Verfolgungssucht gegen den Geburts-
adel, nämlich der Neid weg. Aber eben dieser Stolz äußert sich
dagegen in anderer Beziehung und trägr mit anderen Gründen viel
zu dem Mißtrauen und der Abneigung bei, womit der Spanier im
Allgemeinen den Reichthum, ungewöhnliche Bildung und
fremde Gesinnung und Sitte verfolgt und verachtet. Seit langer
Zeit bestand eine stillschweigende Gleichheit der Ansichten über diesen
Punkt zwischen dem Hof, den Klöstern und dem Landvolke,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0305" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/180019"/>
          <p xml:id="ID_780" prev="#ID_779"> zweite fängt mit der bekannten Antwort Mirabeau'S an: &#x201E;41-<lb/>
1er äiro ü vvtro iniutrs s^lo nous «ommvs le» p»r ki» volcmtö et»<lb/>
^en^lo et ^no n(ins it'en «ortirovL &lt;in« ultr I.l toicv &lt;le&gt; K-t^onue-<lb/>
tos," &#x2014; und vielleicht brüllt der Chor La Mennais' Ruf: &#x201E;xuorrv<lb/>
»ix rickes^ &#x2014; zur Entwicklung und Schlußkatastrophe deS drit¬<lb/>
ten Actes nach.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_781" next="#ID_782"> In Spanien aber standen die Elemente der Gesellschaft sich in<lb/>
einem ganz verschiedenen Verhältnisse gegenüber. Mr's Erste gab es<lb/>
dort nie eine Feudalität in dem Sinne, wie dieser Begriff im übri¬<lb/>
gen Europa gilt, denn in diesem gründet sie sich auf das Verhältniß<lb/>
des Besiegers zum Besiegten, und so umgekehrt. In Spanien<lb/>
aber bestand dieses nicht, denn da die Besiegten, nämlich die<lb/>
Mauren, schließlich entweder ausgerottet oder vertrieben waren, so<lb/>
gab es nur Sieger; dergestalt, daß die ganze Bevölkerung mit<lb/>
aristokratischem Selbstgefühl auf ihre Vorfahren zurückblickte und sich<lb/>
in die ererbte Glorie theilte. Hierzu brauchte man nur «im^no n»rü<lb/>
zu sein, d. h. weder von Sarazenen noch Juden abzustammen, und so¬<lb/>
mit sind die Spanier wirklich ein Volk von Edelleuten. Reichthum,<lb/>
Titel, Würden haben auf diesen Begriff keinen Einfluß, und ein na-<lb/>
varresischer Arriero oder ein asturischcr Wasserträger würde mit Stolz<lb/>
auf einen Grand von Spanien blicken, könnte er denselben der Bei¬<lb/>
mischung arabischen oder hebräischen Blutes verdächtigen. Es erhellt<lb/>
hieraus, wie nahe diese Ansicht mit der strengen katholischen Recht¬<lb/>
gläubigkeit verschmelzen mußte, da ein Ungläubiger und ein Unadeli-<lb/>
ger beinahe identische Begriffe waren. Deshalb, trotz der blutigen<lb/>
und häufigen Reactionen der verschiedenen Parteien, hat man nie den<lb/>
Haß gegen die höheren Stände bemerkt, und Niemand wurde meines<lb/>
Wissens je als Aristokrat füsilirt, denn der Spanier, wenn er auch<lb/>
haßt, ist zu stolz, um irgend Jemand zu beneiden, &#x2014; folglich<lb/>
fällt der Hanptbeweggrund der Verfolgungssucht gegen den Geburts-<lb/>
adel, nämlich der Neid weg. Aber eben dieser Stolz äußert sich<lb/>
dagegen in anderer Beziehung und trägr mit anderen Gründen viel<lb/>
zu dem Mißtrauen und der Abneigung bei, womit der Spanier im<lb/>
Allgemeinen den Reichthum, ungewöhnliche Bildung und<lb/>
fremde Gesinnung und Sitte verfolgt und verachtet. Seit langer<lb/>
Zeit bestand eine stillschweigende Gleichheit der Ansichten über diesen<lb/>
Punkt zwischen dem Hof, den Klöstern und dem Landvolke,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0305] zweite fängt mit der bekannten Antwort Mirabeau'S an: „41- 1er äiro ü vvtro iniutrs s^lo nous «ommvs le» p»r ki» volcmtö et» ^en^lo et ^no n(ins it'en «ortirovL <in« ultr I.l toicv <le> K-t^onue- tos," — und vielleicht brüllt der Chor La Mennais' Ruf: „xuorrv »ix rickes^ — zur Entwicklung und Schlußkatastrophe deS drit¬ ten Actes nach. In Spanien aber standen die Elemente der Gesellschaft sich in einem ganz verschiedenen Verhältnisse gegenüber. Mr's Erste gab es dort nie eine Feudalität in dem Sinne, wie dieser Begriff im übri¬ gen Europa gilt, denn in diesem gründet sie sich auf das Verhältniß des Besiegers zum Besiegten, und so umgekehrt. In Spanien aber bestand dieses nicht, denn da die Besiegten, nämlich die Mauren, schließlich entweder ausgerottet oder vertrieben waren, so gab es nur Sieger; dergestalt, daß die ganze Bevölkerung mit aristokratischem Selbstgefühl auf ihre Vorfahren zurückblickte und sich in die ererbte Glorie theilte. Hierzu brauchte man nur «im^no n»rü zu sein, d. h. weder von Sarazenen noch Juden abzustammen, und so¬ mit sind die Spanier wirklich ein Volk von Edelleuten. Reichthum, Titel, Würden haben auf diesen Begriff keinen Einfluß, und ein na- varresischer Arriero oder ein asturischcr Wasserträger würde mit Stolz auf einen Grand von Spanien blicken, könnte er denselben der Bei¬ mischung arabischen oder hebräischen Blutes verdächtigen. Es erhellt hieraus, wie nahe diese Ansicht mit der strengen katholischen Recht¬ gläubigkeit verschmelzen mußte, da ein Ungläubiger und ein Unadeli- ger beinahe identische Begriffe waren. Deshalb, trotz der blutigen und häufigen Reactionen der verschiedenen Parteien, hat man nie den Haß gegen die höheren Stände bemerkt, und Niemand wurde meines Wissens je als Aristokrat füsilirt, denn der Spanier, wenn er auch haßt, ist zu stolz, um irgend Jemand zu beneiden, — folglich fällt der Hanptbeweggrund der Verfolgungssucht gegen den Geburts- adel, nämlich der Neid weg. Aber eben dieser Stolz äußert sich dagegen in anderer Beziehung und trägr mit anderen Gründen viel zu dem Mißtrauen und der Abneigung bei, womit der Spanier im Allgemeinen den Reichthum, ungewöhnliche Bildung und fremde Gesinnung und Sitte verfolgt und verachtet. Seit langer Zeit bestand eine stillschweigende Gleichheit der Ansichten über diesen Punkt zwischen dem Hof, den Klöstern und dem Landvolke,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/305
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_179712/305>, abgerufen am 23.12.2024.