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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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läge, auf der wir uns sicher fühlen, die uns eine- schönere, -glückli-^
chere. Zukunft verbürgt, sollen wir sie aufgeben, um den Forderungen
des .Vernunftstaates, zu geniigen? -- Wir glauben, daß wir, solange
wir die Religion als die Grundlage unserer, bürgerlichen Einrichtn"-,
gen anerkennen, den Juden unmöglich vollkommen gleiche Rechte mit
den Christen, gewähren können, ohne in einen Widerspruch mit mis
selbst zu fallen, dessen nachteilige Folgen uns zeitig genug. fühlbar
werden würden.

Welches sind die nachtheiligen Folgen, die so zeitig genug fühl¬
bar werden? Seit -1812 sind die Juden militärpflichtig -- sind nach¬
theilige Folgen dem Staate daraus erwachsen, so sage man es gerade
heraus! Man zähle sie auf! Aber man hülle sich achten Phrasen!
Man verstecke sich nicht hinter dein Deckmantel der Religion!, Unsere
bürgerlichen Einrichtungen sind vom Geist des Christenthums durch¬
drungen. Wohl, aber was ist der Geist des Christenthums, wenn
er nicht der Geist der Liebe ist? Ilund wir theilen die Ansicht, daß die Re¬
ligion mit dem Staate Hand in Hand gehen müßte; die Religion!
aber nicht die Confession; der Glaube an einen Gott und an ein
Jenseits, aber nicht die verschiedene Nüancirung, wie, dieser Glaube
zur Erscheinung kommt. Nach den Grundsätzen des Herrn .v?. Her-,
mes, daß der Staat einen Unterschied zwischen den Glaubensbekennt¬
nissen seinerBürger machen müsse, würden wir in die Epoche zurück¬
versetzt, welche dem dreißigjährigen Kriege voranging. Nach diesem
Grundsatze würde Spanien in seiner Vertreibung der. Maueen und
Juden nur conseauent gehandelt haben, und es würden nur wenige'
Schritten fehlen, um die Dragonaden Ludwigs XlV. gegen seine pro¬
testantischen Unterthanen zubilligen: lind wir würden wieder 5en schönen An¬
blick erleben, Deutschland in katholische, protestantische und reformirteStaa¬
ten eingetheilt zu sehen. Und Preußen, dem am Meisten daran ge¬
legen, sein muß, das Gleichgewicht unter den verschiedenen Glaubens¬
bekenntnissen seines Staates zu erhalten, Preußen soll der Repräsen¬
tant eines solchen Systems werden? Die kleinen deutschen Bundesstaaten
sind gewiß nicht minder christlich, als die preußische Negierung; Oe¬
streich ist eben auch kein Heide, und doch herrscht in diesen Staa¬
ten der unchristliche Grundsatz, daß der Jude militärpflichtig sei.

Der Artikel in der Kölnischen Zeitung ist etwas unentschlossener
Natur; bald sollen den Juden die Rechte des Staatsbürgers genom¬
men werden, weil sie selbst es wollen, aus purer Menschlichkeit; bald
wieder, weil es mit dem Princip des Staates unverträglich ist, sie zu
emancipiren.

Halten wir Einen Gesichtspunkt fest! "Wirglauben, daß wir,
so lange wir die Religion als die Grundlage unsrer bürgerlichen Ein¬
richtungen anerkennen, den Juden unmöglich vollkommen gleiche Rechte
mit den Christen gewähren können, ohne in einen Widerspruch mit
uns selbst zu fallen." Dieser Ausspruch hat nun allerdings eine höchst>


läge, auf der wir uns sicher fühlen, die uns eine- schönere, -glückli-^
chere. Zukunft verbürgt, sollen wir sie aufgeben, um den Forderungen
des .Vernunftstaates, zu geniigen? — Wir glauben, daß wir, solange
wir die Religion als die Grundlage unserer, bürgerlichen Einrichtn»-,
gen anerkennen, den Juden unmöglich vollkommen gleiche Rechte mit
den Christen, gewähren können, ohne in einen Widerspruch mit mis
selbst zu fallen, dessen nachteilige Folgen uns zeitig genug. fühlbar
werden würden.

Welches sind die nachtheiligen Folgen, die so zeitig genug fühl¬
bar werden? Seit -1812 sind die Juden militärpflichtig — sind nach¬
theilige Folgen dem Staate daraus erwachsen, so sage man es gerade
heraus! Man zähle sie auf! Aber man hülle sich achten Phrasen!
Man verstecke sich nicht hinter dein Deckmantel der Religion!, Unsere
bürgerlichen Einrichtungen sind vom Geist des Christenthums durch¬
drungen. Wohl, aber was ist der Geist des Christenthums, wenn
er nicht der Geist der Liebe ist? Ilund wir theilen die Ansicht, daß die Re¬
ligion mit dem Staate Hand in Hand gehen müßte; die Religion!
aber nicht die Confession; der Glaube an einen Gott und an ein
Jenseits, aber nicht die verschiedene Nüancirung, wie, dieser Glaube
zur Erscheinung kommt. Nach den Grundsätzen des Herrn .v?. Her-,
mes, daß der Staat einen Unterschied zwischen den Glaubensbekennt¬
nissen seinerBürger machen müsse, würden wir in die Epoche zurück¬
versetzt, welche dem dreißigjährigen Kriege voranging. Nach diesem
Grundsatze würde Spanien in seiner Vertreibung der. Maueen und
Juden nur conseauent gehandelt haben, und es würden nur wenige'
Schritten fehlen, um die Dragonaden Ludwigs XlV. gegen seine pro¬
testantischen Unterthanen zubilligen: lind wir würden wieder 5en schönen An¬
blick erleben, Deutschland in katholische, protestantische und reformirteStaa¬
ten eingetheilt zu sehen. Und Preußen, dem am Meisten daran ge¬
legen, sein muß, das Gleichgewicht unter den verschiedenen Glaubens¬
bekenntnissen seines Staates zu erhalten, Preußen soll der Repräsen¬
tant eines solchen Systems werden? Die kleinen deutschen Bundesstaaten
sind gewiß nicht minder christlich, als die preußische Negierung; Oe¬
streich ist eben auch kein Heide, und doch herrscht in diesen Staa¬
ten der unchristliche Grundsatz, daß der Jude militärpflichtig sei.

Der Artikel in der Kölnischen Zeitung ist etwas unentschlossener
Natur; bald sollen den Juden die Rechte des Staatsbürgers genom¬
men werden, weil sie selbst es wollen, aus purer Menschlichkeit; bald
wieder, weil es mit dem Princip des Staates unverträglich ist, sie zu
emancipiren.

Halten wir Einen Gesichtspunkt fest! „Wirglauben, daß wir,
so lange wir die Religion als die Grundlage unsrer bürgerlichen Ein¬
richtungen anerkennen, den Juden unmöglich vollkommen gleiche Rechte
mit den Christen gewähren können, ohne in einen Widerspruch mit
uns selbst zu fallen." Dieser Ausspruch hat nun allerdings eine höchst>


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[0732] läge, auf der wir uns sicher fühlen, die uns eine- schönere, -glückli-^ chere. Zukunft verbürgt, sollen wir sie aufgeben, um den Forderungen des .Vernunftstaates, zu geniigen? — Wir glauben, daß wir, solange wir die Religion als die Grundlage unserer, bürgerlichen Einrichtn»-, gen anerkennen, den Juden unmöglich vollkommen gleiche Rechte mit den Christen, gewähren können, ohne in einen Widerspruch mit mis selbst zu fallen, dessen nachteilige Folgen uns zeitig genug. fühlbar werden würden. Welches sind die nachtheiligen Folgen, die so zeitig genug fühl¬ bar werden? Seit -1812 sind die Juden militärpflichtig — sind nach¬ theilige Folgen dem Staate daraus erwachsen, so sage man es gerade heraus! Man zähle sie auf! Aber man hülle sich achten Phrasen! Man verstecke sich nicht hinter dein Deckmantel der Religion!, Unsere bürgerlichen Einrichtungen sind vom Geist des Christenthums durch¬ drungen. Wohl, aber was ist der Geist des Christenthums, wenn er nicht der Geist der Liebe ist? Ilund wir theilen die Ansicht, daß die Re¬ ligion mit dem Staate Hand in Hand gehen müßte; die Religion! aber nicht die Confession; der Glaube an einen Gott und an ein Jenseits, aber nicht die verschiedene Nüancirung, wie, dieser Glaube zur Erscheinung kommt. Nach den Grundsätzen des Herrn .v?. Her-, mes, daß der Staat einen Unterschied zwischen den Glaubensbekennt¬ nissen seinerBürger machen müsse, würden wir in die Epoche zurück¬ versetzt, welche dem dreißigjährigen Kriege voranging. Nach diesem Grundsatze würde Spanien in seiner Vertreibung der. Maueen und Juden nur conseauent gehandelt haben, und es würden nur wenige' Schritten fehlen, um die Dragonaden Ludwigs XlV. gegen seine pro¬ testantischen Unterthanen zubilligen: lind wir würden wieder 5en schönen An¬ blick erleben, Deutschland in katholische, protestantische und reformirteStaa¬ ten eingetheilt zu sehen. Und Preußen, dem am Meisten daran ge¬ legen, sein muß, das Gleichgewicht unter den verschiedenen Glaubens¬ bekenntnissen seines Staates zu erhalten, Preußen soll der Repräsen¬ tant eines solchen Systems werden? Die kleinen deutschen Bundesstaaten sind gewiß nicht minder christlich, als die preußische Negierung; Oe¬ streich ist eben auch kein Heide, und doch herrscht in diesen Staa¬ ten der unchristliche Grundsatz, daß der Jude militärpflichtig sei. Der Artikel in der Kölnischen Zeitung ist etwas unentschlossener Natur; bald sollen den Juden die Rechte des Staatsbürgers genom¬ men werden, weil sie selbst es wollen, aus purer Menschlichkeit; bald wieder, weil es mit dem Princip des Staates unverträglich ist, sie zu emancipiren. Halten wir Einen Gesichtspunkt fest! „Wirglauben, daß wir, so lange wir die Religion als die Grundlage unsrer bürgerlichen Ein¬ richtungen anerkennen, den Juden unmöglich vollkommen gleiche Rechte mit den Christen gewähren können, ohne in einen Widerspruch mit uns selbst zu fallen." Dieser Ausspruch hat nun allerdings eine höchst>

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/732>, abgerufen am 04.07.2024.