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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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schienen vom Balkon herab dem Freunde Hülfe reichen zu wollen.
Sie hatte in dem unvermuteten Zeugen ihres Keimlichen Gesprächs
den Mann, erkannt, der sie während des gestrigen Balles nicht aus
den Augen gelassen hatte.

-- Herr Ritter von Laurop, rief Herrmann, indem er sich mit
Mühe von der Hand, die ihn wie eine Klammer gepreßt hielt, los¬
machte, Ihr tragt wohl ein edles ritterliches Wappen, aber Ihr han¬
delt, als wäre es mit dem Balken eines Bastards gezeichnet!

Launoy schäumte vor Wuth, seine Augen flammten, daß man
sie in der Finsterniß konnte funkeln sehen.

-- Ein Bastard selber würde sich schämen zu thun, was Ihr
thut, hub Rossen aufs neue an, indem er um die Lange eines Schwer¬
tes von seinem Gegner zurückwich. Denn das ist nicht das Thun
xines Ritters! Indeß, weil Ihr so schlecht beginnt, so hoffe ich bes¬
ser zu endigen! Wenn der gute Name einer Frau Euch heilig ist,
so gehen wir an einen andern Ort, Ihr, um mir Fragen zu stellen,
wie'ö Euch gefällt, und ich, um Euch mit den Waffen darauf zu dienen!

-- Wohlan, so kommt, ließ der Andere mit gepreßter, höhni¬
scher Stimme sich vernehmen. ,,, , , ,

Die zwei Cavaliere verließen den Platz; der Eine warf noch
einen Blick der Liebe nach dem Balkon, der Andere schaute vollHaß
und Verachtung hinauf. --Alles war wieder in Grabesstille versunken,
als die Jungfrau, von dem frischen Hauch des Morgens gestärkt, sich
wieder erholte. Sie fühlte sich bald von Eiseskälte, bald von bren¬
nender Gluth durchschauert. Die, Stirn gegen die steinerne Fcnster-
bekleidung gelehnt, bleich, noch halb wie von einem entsetzlichen Trau¬
me bethört, erhob sie sich bebend und angstvoll; mit unstätem Blick,
mit ungestüm pochendem Herzen, schaute sie umher; ihr Auge schien
auf einem Gegenstände.ruhen zu wollen, den es nicht mehr finden
konnte. Ihre Gedanken verwirrten sich noch; undeutliche,-qnälerische
Traumbilder jagten, wie Schatten, durch ihren Kops; sie- rieb sich
mit Heftigkeit die Stirn, als wollte sie die Bilder verscheuchen. Schwa¬
che Erinnerung des Erlebten tauchte allmählig in ihrer Seele auf;
aber desto furchtbarer ergriff sie der Sturm der Gefühle; Wahnsinn
und Verzweiflung kämpften in ihrer Brust; voll banger Ahnungen,
zerschmettert, verließ sie schwankenden Schrittes den Ort, an den noch


schienen vom Balkon herab dem Freunde Hülfe reichen zu wollen.
Sie hatte in dem unvermuteten Zeugen ihres Keimlichen Gesprächs
den Mann, erkannt, der sie während des gestrigen Balles nicht aus
den Augen gelassen hatte.

— Herr Ritter von Laurop, rief Herrmann, indem er sich mit
Mühe von der Hand, die ihn wie eine Klammer gepreßt hielt, los¬
machte, Ihr tragt wohl ein edles ritterliches Wappen, aber Ihr han¬
delt, als wäre es mit dem Balken eines Bastards gezeichnet!

Launoy schäumte vor Wuth, seine Augen flammten, daß man
sie in der Finsterniß konnte funkeln sehen.

— Ein Bastard selber würde sich schämen zu thun, was Ihr
thut, hub Rossen aufs neue an, indem er um die Lange eines Schwer¬
tes von seinem Gegner zurückwich. Denn das ist nicht das Thun
xines Ritters! Indeß, weil Ihr so schlecht beginnt, so hoffe ich bes¬
ser zu endigen! Wenn der gute Name einer Frau Euch heilig ist,
so gehen wir an einen andern Ort, Ihr, um mir Fragen zu stellen,
wie'ö Euch gefällt, und ich, um Euch mit den Waffen darauf zu dienen!

— Wohlan, so kommt, ließ der Andere mit gepreßter, höhni¬
scher Stimme sich vernehmen. ,,, , , ,

Die zwei Cavaliere verließen den Platz; der Eine warf noch
einen Blick der Liebe nach dem Balkon, der Andere schaute vollHaß
und Verachtung hinauf. —Alles war wieder in Grabesstille versunken,
als die Jungfrau, von dem frischen Hauch des Morgens gestärkt, sich
wieder erholte. Sie fühlte sich bald von Eiseskälte, bald von bren¬
nender Gluth durchschauert. Die, Stirn gegen die steinerne Fcnster-
bekleidung gelehnt, bleich, noch halb wie von einem entsetzlichen Trau¬
me bethört, erhob sie sich bebend und angstvoll; mit unstätem Blick,
mit ungestüm pochendem Herzen, schaute sie umher; ihr Auge schien
auf einem Gegenstände.ruhen zu wollen, den es nicht mehr finden
konnte. Ihre Gedanken verwirrten sich noch; undeutliche,-qnälerische
Traumbilder jagten, wie Schatten, durch ihren Kops; sie- rieb sich
mit Heftigkeit die Stirn, als wollte sie die Bilder verscheuchen. Schwa¬
che Erinnerung des Erlebten tauchte allmählig in ihrer Seele auf;
aber desto furchtbarer ergriff sie der Sturm der Gefühle; Wahnsinn
und Verzweiflung kämpften in ihrer Brust; voll banger Ahnungen,
zerschmettert, verließ sie schwankenden Schrittes den Ort, an den noch


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[0654] schienen vom Balkon herab dem Freunde Hülfe reichen zu wollen. Sie hatte in dem unvermuteten Zeugen ihres Keimlichen Gesprächs den Mann, erkannt, der sie während des gestrigen Balles nicht aus den Augen gelassen hatte. — Herr Ritter von Laurop, rief Herrmann, indem er sich mit Mühe von der Hand, die ihn wie eine Klammer gepreßt hielt, los¬ machte, Ihr tragt wohl ein edles ritterliches Wappen, aber Ihr han¬ delt, als wäre es mit dem Balken eines Bastards gezeichnet! Launoy schäumte vor Wuth, seine Augen flammten, daß man sie in der Finsterniß konnte funkeln sehen. — Ein Bastard selber würde sich schämen zu thun, was Ihr thut, hub Rossen aufs neue an, indem er um die Lange eines Schwer¬ tes von seinem Gegner zurückwich. Denn das ist nicht das Thun xines Ritters! Indeß, weil Ihr so schlecht beginnt, so hoffe ich bes¬ ser zu endigen! Wenn der gute Name einer Frau Euch heilig ist, so gehen wir an einen andern Ort, Ihr, um mir Fragen zu stellen, wie'ö Euch gefällt, und ich, um Euch mit den Waffen darauf zu dienen! — Wohlan, so kommt, ließ der Andere mit gepreßter, höhni¬ scher Stimme sich vernehmen. ,,, , , , Die zwei Cavaliere verließen den Platz; der Eine warf noch einen Blick der Liebe nach dem Balkon, der Andere schaute vollHaß und Verachtung hinauf. —Alles war wieder in Grabesstille versunken, als die Jungfrau, von dem frischen Hauch des Morgens gestärkt, sich wieder erholte. Sie fühlte sich bald von Eiseskälte, bald von bren¬ nender Gluth durchschauert. Die, Stirn gegen die steinerne Fcnster- bekleidung gelehnt, bleich, noch halb wie von einem entsetzlichen Trau¬ me bethört, erhob sie sich bebend und angstvoll; mit unstätem Blick, mit ungestüm pochendem Herzen, schaute sie umher; ihr Auge schien auf einem Gegenstände.ruhen zu wollen, den es nicht mehr finden konnte. Ihre Gedanken verwirrten sich noch; undeutliche,-qnälerische Traumbilder jagten, wie Schatten, durch ihren Kops; sie- rieb sich mit Heftigkeit die Stirn, als wollte sie die Bilder verscheuchen. Schwa¬ che Erinnerung des Erlebten tauchte allmählig in ihrer Seele auf; aber desto furchtbarer ergriff sie der Sturm der Gefühle; Wahnsinn und Verzweiflung kämpften in ihrer Brust; voll banger Ahnungen, zerschmettert, verließ sie schwankenden Schrittes den Ort, an den noch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/654>, abgerufen am 23.07.2024.