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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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argwöhnischen Späherblick schaute er in dein Dämmer der Nacht
um sich, mit gespannter Aufmerksamkeit suchte er jeden Laut, der sein'
Ohr traf, zu deuten. Wer ihn so sah> der mochte wohl erschreckt
zurückweichen, aus Furcht, der nächtliche Späher möchte ihn für den
Mann halten, aus den er es abgesehn Hatte. Betrachtete ° man ihn
näher, so konnte man bemerken, wie der Saum seines Mantels leise
aufgehoben war von der Spitze eines bloßen Schwertes. Was konnte
der Mann, dessen Auge unverrückt auf alle Zugänge des gegenüber¬
stehenden Hauses'gerichtet war, anders sein, als ein von Eifersucht
geplagter Verliebter, ein Nciufer, der sich vor dem Balkon der Edel¬
dame von Baude auf die Lauer gestellt hatte?

Von Zeit zu, Zeit machte er eine Bewegung, welche Ungeduld
und gesteigerte Leidenschaft erkennen ließ, et stamM wohl mit dem,
Fuß auf das schallende Pflaster der einsamen Straße; dann.aber
horchte er wieder auf, that den Mantel halb auseinander, als wollte
er seine Waffe hervorholen,, und sagte leise für sich/: Ist es nicht der
Schritt eines Menschen, was sich da regt?

In der That vernahm man einen verworrenen, unsichern Laut,
der in' der dumpfen Stille der Nacht das Ohr neckte, und sich- dann
verlor. Wer man konnte nicht unterscheiden, ob irgend ein lebendes Wesen, ob
etwa ein Mensch siebenten düstren Winkeln'der^Häuser/oder in dem
engen Seitengäßchen regte, oder, ob. ein Hund, durch die Dunkelheit
schweifend, an den Pforten der Häuser Eingang suchte. Der Himmel
wär. von undurchdringlicher Finsterniß verhüllt, ein Gewitter, ' das
sich/ schön am Abend in der Ferne zusammengezogen, hatte schwarzes
Gewölk emporgethürmt; wie ein schauerliches Gewölbe lag der Him¬
mel drückend über der Stadt; dann und wann schlängelte ein Blitz
an demselben ^ herab/ der schnell ,einen seltsam fahlen Schein über
alle Gegenstände warf.' Sobald die flüchtige Helle aufleuchtete, konnte
man die Figur eines Mannes in schwarzem Mantel auf der Vorder¬
seite des Hauses, gleich einem hölzernen Standbilde, sich abzeichnen
sehen; er stand regungslos aufrecht zwischen den schlanke" Caryatiden,
womit'das Gebäude geziert war. - > " -
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Lange Zeit hatte der Unbekannte gewartet, indem er oft unge¬
duldig nach dem Balkon emporsah'ante" Plötzlich fuhr er zusammen,
wie vor Freude und Ueberraschung, und sagte bei sich selbst: Da
ist sie! ' - - - -' ' > ,


argwöhnischen Späherblick schaute er in dein Dämmer der Nacht
um sich, mit gespannter Aufmerksamkeit suchte er jeden Laut, der sein'
Ohr traf, zu deuten. Wer ihn so sah> der mochte wohl erschreckt
zurückweichen, aus Furcht, der nächtliche Späher möchte ihn für den
Mann halten, aus den er es abgesehn Hatte. Betrachtete ° man ihn
näher, so konnte man bemerken, wie der Saum seines Mantels leise
aufgehoben war von der Spitze eines bloßen Schwertes. Was konnte
der Mann, dessen Auge unverrückt auf alle Zugänge des gegenüber¬
stehenden Hauses'gerichtet war, anders sein, als ein von Eifersucht
geplagter Verliebter, ein Nciufer, der sich vor dem Balkon der Edel¬
dame von Baude auf die Lauer gestellt hatte?

Von Zeit zu, Zeit machte er eine Bewegung, welche Ungeduld
und gesteigerte Leidenschaft erkennen ließ, et stamM wohl mit dem,
Fuß auf das schallende Pflaster der einsamen Straße; dann.aber
horchte er wieder auf, that den Mantel halb auseinander, als wollte
er seine Waffe hervorholen,, und sagte leise für sich/: Ist es nicht der
Schritt eines Menschen, was sich da regt?

In der That vernahm man einen verworrenen, unsichern Laut,
der in' der dumpfen Stille der Nacht das Ohr neckte, und sich- dann
verlor. Wer man konnte nicht unterscheiden, ob irgend ein lebendes Wesen, ob
etwa ein Mensch siebenten düstren Winkeln'der^Häuser/oder in dem
engen Seitengäßchen regte, oder, ob. ein Hund, durch die Dunkelheit
schweifend, an den Pforten der Häuser Eingang suchte. Der Himmel
wär. von undurchdringlicher Finsterniß verhüllt, ein Gewitter, ' das
sich/ schön am Abend in der Ferne zusammengezogen, hatte schwarzes
Gewölk emporgethürmt; wie ein schauerliches Gewölbe lag der Him¬
mel drückend über der Stadt; dann und wann schlängelte ein Blitz
an demselben ^ herab/ der schnell ,einen seltsam fahlen Schein über
alle Gegenstände warf.' Sobald die flüchtige Helle aufleuchtete, konnte
man die Figur eines Mannes in schwarzem Mantel auf der Vorder¬
seite des Hauses, gleich einem hölzernen Standbilde, sich abzeichnen
sehen; er stand regungslos aufrecht zwischen den schlanke« Caryatiden,
womit'das Gebäude geziert war. - > " -
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Lange Zeit hatte der Unbekannte gewartet, indem er oft unge¬
duldig nach dem Balkon emporsah'ante» Plötzlich fuhr er zusammen,
wie vor Freude und Ueberraschung, und sagte bei sich selbst: Da
ist sie! ' - - - -' ' > ,


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[0652] argwöhnischen Späherblick schaute er in dein Dämmer der Nacht um sich, mit gespannter Aufmerksamkeit suchte er jeden Laut, der sein' Ohr traf, zu deuten. Wer ihn so sah> der mochte wohl erschreckt zurückweichen, aus Furcht, der nächtliche Späher möchte ihn für den Mann halten, aus den er es abgesehn Hatte. Betrachtete ° man ihn näher, so konnte man bemerken, wie der Saum seines Mantels leise aufgehoben war von der Spitze eines bloßen Schwertes. Was konnte der Mann, dessen Auge unverrückt auf alle Zugänge des gegenüber¬ stehenden Hauses'gerichtet war, anders sein, als ein von Eifersucht geplagter Verliebter, ein Nciufer, der sich vor dem Balkon der Edel¬ dame von Baude auf die Lauer gestellt hatte? Von Zeit zu, Zeit machte er eine Bewegung, welche Ungeduld und gesteigerte Leidenschaft erkennen ließ, et stamM wohl mit dem, Fuß auf das schallende Pflaster der einsamen Straße; dann.aber horchte er wieder auf, that den Mantel halb auseinander, als wollte er seine Waffe hervorholen,, und sagte leise für sich/: Ist es nicht der Schritt eines Menschen, was sich da regt? In der That vernahm man einen verworrenen, unsichern Laut, der in' der dumpfen Stille der Nacht das Ohr neckte, und sich- dann verlor. Wer man konnte nicht unterscheiden, ob irgend ein lebendes Wesen, ob etwa ein Mensch siebenten düstren Winkeln'der^Häuser/oder in dem engen Seitengäßchen regte, oder, ob. ein Hund, durch die Dunkelheit schweifend, an den Pforten der Häuser Eingang suchte. Der Himmel wär. von undurchdringlicher Finsterniß verhüllt, ein Gewitter, ' das sich/ schön am Abend in der Ferne zusammengezogen, hatte schwarzes Gewölk emporgethürmt; wie ein schauerliches Gewölbe lag der Him¬ mel drückend über der Stadt; dann und wann schlängelte ein Blitz an demselben ^ herab/ der schnell ,einen seltsam fahlen Schein über alle Gegenstände warf.' Sobald die flüchtige Helle aufleuchtete, konnte man die Figur eines Mannes in schwarzem Mantel auf der Vorder¬ seite des Hauses, gleich einem hölzernen Standbilde, sich abzeichnen sehen; er stand regungslos aufrecht zwischen den schlanke« Caryatiden, womit'das Gebäude geziert war. - > " - ' Lange Zeit hatte der Unbekannte gewartet, indem er oft unge¬ duldig nach dem Balkon emporsah'ante» Plötzlich fuhr er zusammen, wie vor Freude und Ueberraschung, und sagte bei sich selbst: Da ist sie! ' - - - -' ' > ,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/652>, abgerufen am 23.07.2024.