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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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Politik'^' Mr "tiestw Staatskunst ihnen überlegen. Sie schreibet!,
klar und verständlich,-wo wir oft dunkel-und unschön,, aber unwis-
send und oberflächlich, wo wir gutunterrichtet und- gründliche Sie-
Msonniren, wo wir denken; sie haben ein Ehrgefühl, das allezeit
entzündet wird, wir eine Begeisterung, die mir selten unser Phlegma
durchbricht, dann aber allen und jeden Widerstand überwindet. Ei¬
fersüchtig auf ihre Institutionen, sind sie doch geneigter, als irgend
ein Volk in Europa, despotisch beherrscht zu werden;- gehorsamer,
als alle übrigen, sind wir trotzdem am fähigsten, die wahre Freiheit-
(die staatliche wenigstens, wenn auch nicht die persönliche, in welcher
die Engländers voranstehen) uns zu schaffen und sie zu genießen. Der
französische- Gesichtskreis ist gebannt in französische Begriffe, der un-
serige umsaßt die ganze Erde; der eine drängt sich gewaltsam den
Fremden- auf, der andere verliert in der Weite zuweilen sich selbst^
Der französische Charakter ist weiblich mit der Liebenswürdigkeit des
Weibes, der deutsche männlich mit- aller Größe des Mannes, aber
auch mit den Fehlern, deren Benützung dem andern Geschlechte zu¬
weilen die Oberhand gibt. All diese entgegengesetzten Eigenschaften,
diese Reihe von äußern Tugenden auf der einen, von innern Kräf¬
ten auf der andern Seite, sind vortrefflich gemacht, sich zu reiben
und immer Wieder zu finden,, im Interesse der Civilisation- sich zu er,
ganzen. , > , , ,
'

Man ist gewöhnt, die Franzosen als das handelnde, die Deut¬
schen als das denkende Volk anzusehen. Das ist unsäglicher Irr¬
thum. Französische Gedanken haben in der neueren Zeit Europa eben
so umgewälzt, als ehedem die guten deutschen Schwerter. Es gibt
nur Ein entscheidendes Merkmal, das im letzten Grunde die französi¬
sche und deutsche Natur, wie überhaupt romanisches und germa¬
nisches Wesen auseinander hält.. Die Intention überwiegt bei
den Franzosen, die innere Kraft bei den Deutschen. Die Franzo¬
sen haben, in der Idee wie in der That, ein großartiges Wollen
gezeigt; aber Vollbringen, das fehlt ihnen. Die wahre Weltanschau¬
ung/den wahren Staats die organische Ordnung, von Europa, --
Das Alles haben sie gewollt, ohne es zu können. Die Deutschen
dagegen, un't einer Kraft der Natur, >wie sie außer dein römischen
keinem Volk der , Geschichte gegeben war, mit einem Geiste begabt,
der alle heutigen Nationen überragt und nur mit den alten Hellenen


Politik'^' Mr "tiestw Staatskunst ihnen überlegen. Sie schreibet!,
klar und verständlich,-wo wir oft dunkel-und unschön,, aber unwis-
send und oberflächlich, wo wir gutunterrichtet und- gründliche Sie-
Msonniren, wo wir denken; sie haben ein Ehrgefühl, das allezeit
entzündet wird, wir eine Begeisterung, die mir selten unser Phlegma
durchbricht, dann aber allen und jeden Widerstand überwindet. Ei¬
fersüchtig auf ihre Institutionen, sind sie doch geneigter, als irgend
ein Volk in Europa, despotisch beherrscht zu werden;- gehorsamer,
als alle übrigen, sind wir trotzdem am fähigsten, die wahre Freiheit-
(die staatliche wenigstens, wenn auch nicht die persönliche, in welcher
die Engländers voranstehen) uns zu schaffen und sie zu genießen. Der
französische- Gesichtskreis ist gebannt in französische Begriffe, der un-
serige umsaßt die ganze Erde; der eine drängt sich gewaltsam den
Fremden- auf, der andere verliert in der Weite zuweilen sich selbst^
Der französische Charakter ist weiblich mit der Liebenswürdigkeit des
Weibes, der deutsche männlich mit- aller Größe des Mannes, aber
auch mit den Fehlern, deren Benützung dem andern Geschlechte zu¬
weilen die Oberhand gibt. All diese entgegengesetzten Eigenschaften,
diese Reihe von äußern Tugenden auf der einen, von innern Kräf¬
ten auf der andern Seite, sind vortrefflich gemacht, sich zu reiben
und immer Wieder zu finden,, im Interesse der Civilisation- sich zu er,
ganzen. , > , , ,
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Man ist gewöhnt, die Franzosen als das handelnde, die Deut¬
schen als das denkende Volk anzusehen. Das ist unsäglicher Irr¬
thum. Französische Gedanken haben in der neueren Zeit Europa eben
so umgewälzt, als ehedem die guten deutschen Schwerter. Es gibt
nur Ein entscheidendes Merkmal, das im letzten Grunde die französi¬
sche und deutsche Natur, wie überhaupt romanisches und germa¬
nisches Wesen auseinander hält.. Die Intention überwiegt bei
den Franzosen, die innere Kraft bei den Deutschen. Die Franzo¬
sen haben, in der Idee wie in der That, ein großartiges Wollen
gezeigt; aber Vollbringen, das fehlt ihnen. Die wahre Weltanschau¬
ung/den wahren Staats die organische Ordnung, von Europa, —
Das Alles haben sie gewollt, ohne es zu können. Die Deutschen
dagegen, un't einer Kraft der Natur, >wie sie außer dein römischen
keinem Volk der , Geschichte gegeben war, mit einem Geiste begabt,
der alle heutigen Nationen überragt und nur mit den alten Hellenen


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[0640] Politik'^' Mr "tiestw Staatskunst ihnen überlegen. Sie schreibet!, klar und verständlich,-wo wir oft dunkel-und unschön,, aber unwis- send und oberflächlich, wo wir gutunterrichtet und- gründliche Sie- Msonniren, wo wir denken; sie haben ein Ehrgefühl, das allezeit entzündet wird, wir eine Begeisterung, die mir selten unser Phlegma durchbricht, dann aber allen und jeden Widerstand überwindet. Ei¬ fersüchtig auf ihre Institutionen, sind sie doch geneigter, als irgend ein Volk in Europa, despotisch beherrscht zu werden;- gehorsamer, als alle übrigen, sind wir trotzdem am fähigsten, die wahre Freiheit- (die staatliche wenigstens, wenn auch nicht die persönliche, in welcher die Engländers voranstehen) uns zu schaffen und sie zu genießen. Der französische- Gesichtskreis ist gebannt in französische Begriffe, der un- serige umsaßt die ganze Erde; der eine drängt sich gewaltsam den Fremden- auf, der andere verliert in der Weite zuweilen sich selbst^ Der französische Charakter ist weiblich mit der Liebenswürdigkeit des Weibes, der deutsche männlich mit- aller Größe des Mannes, aber auch mit den Fehlern, deren Benützung dem andern Geschlechte zu¬ weilen die Oberhand gibt. All diese entgegengesetzten Eigenschaften, diese Reihe von äußern Tugenden auf der einen, von innern Kräf¬ ten auf der andern Seite, sind vortrefflich gemacht, sich zu reiben und immer Wieder zu finden,, im Interesse der Civilisation- sich zu er, ganzen. , > , , , ' Man ist gewöhnt, die Franzosen als das handelnde, die Deut¬ schen als das denkende Volk anzusehen. Das ist unsäglicher Irr¬ thum. Französische Gedanken haben in der neueren Zeit Europa eben so umgewälzt, als ehedem die guten deutschen Schwerter. Es gibt nur Ein entscheidendes Merkmal, das im letzten Grunde die französi¬ sche und deutsche Natur, wie überhaupt romanisches und germa¬ nisches Wesen auseinander hält.. Die Intention überwiegt bei den Franzosen, die innere Kraft bei den Deutschen. Die Franzo¬ sen haben, in der Idee wie in der That, ein großartiges Wollen gezeigt; aber Vollbringen, das fehlt ihnen. Die wahre Weltanschau¬ ung/den wahren Staats die organische Ordnung, von Europa, — Das Alles haben sie gewollt, ohne es zu können. Die Deutschen dagegen, un't einer Kraft der Natur, >wie sie außer dein römischen keinem Volk der , Geschichte gegeben war, mit einem Geiste begabt, der alle heutigen Nationen überragt und nur mit den alten Hellenen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/640>, abgerufen am 23.07.2024.