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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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der den Poeten und Denker in Wen so altmodisch zur Enschein'ung
bringt. - Dem Jnhalt'nach/kan'n man sagen/ ist Jean Paul's Ele¬
ment mit Schefer überschritten oder weitergebildet. Die krankhafte
Sentimentalität ist ausgeschieden. Es ist'bei Schefer dieselbe Einkehr
des Menschen in sich, die alte Jeanpaulsche Vereinsamung des Ge¬
müthes; aber sie ist von der kränklichen Ichsucht der alten Geniepe¬
riode Deutschlands befreit, sie ist gesunde Naivetät geworden, eine
gottvolle Kindlichkeit des in aller Demuth überseligen. Menschen-. Bei
Schefer werden keine Hetzjagden auf Humor angestellt. Bei Jean
Paul sehen wir immer den in Weben liegenden Poeten selber; 'bei
Schefer hingegen ist der Humor aus dem Subject des Dichtenden
mehr in die Weltzustände übergetreten. Es ist in den' schwimmenden
Massen der Scheferschen Schöpfung ein Drang nach dem Individuel¬
len rege geworden, bleibt gleich von dem allen gährenden Pantheis¬
mus noch genug übrig, um eine Göthesche Plastification der Gestal¬
ten zu behindern. Leopold Schefer ist, mit einem'Worte, historisicir-
ter Jean Paul. Damit ist bezeichnet, was ihm vom Alten, anklebt-,
zugleich auch was in ihm als Fortbildung und Neugeburt anzuer¬
kennen ist.

Die "göttliche Komödie in'Rom" hat den Philosophen Gior-
dano Bruno zum Helden, der sein Heidenthum des freien Gedankens
mit dem Feuertode besteht. Dieser Huß Italiens, dem'freilich, kein
Luther folgte, wurde zum großen Kirchenjubelftst der römischen Chri¬
stenheit im Jahre 1600 vor den Augen des Papstes und mit aller
Weihe einer Handlung um Gotteswillen, öffentlich und feierlich in
Rom verbrannt. -- Ich führe Ihnen einige Worte Bruno's' über
sein Leben und Wirken 'an, nicht als seien diese Aeußerungen eine
besonders gelungene Stelle in der merkwürdigen Dichtung, sondern
um Ihnen den Helden und die Art, wie Schefer ihn-nimmt, zu be¬
zeichnen. ,/Meine Werke" -- sagt Giordano zu einem Freunde
beim Abschied -- "sollst Du erhalten; -- ich habe sie noch nicht.
Seine besten Werke schreibt erst der reife Mann^ Drei Worte oder
Zeilen eines Alten enthalten mehr Wahrheit als drei Tage oder



") Bruno's Schriften sind bekanntlich von Adolph Wagner herausgegeben.
Auerbach, der den Spinoza verdeutscht hat, sollte sie übertragen.
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der den Poeten und Denker in Wen so altmodisch zur Enschein'ung
bringt. - Dem Jnhalt'nach/kan'n man sagen/ ist Jean Paul's Ele¬
ment mit Schefer überschritten oder weitergebildet. Die krankhafte
Sentimentalität ist ausgeschieden. Es ist'bei Schefer dieselbe Einkehr
des Menschen in sich, die alte Jeanpaulsche Vereinsamung des Ge¬
müthes; aber sie ist von der kränklichen Ichsucht der alten Geniepe¬
riode Deutschlands befreit, sie ist gesunde Naivetät geworden, eine
gottvolle Kindlichkeit des in aller Demuth überseligen. Menschen-. Bei
Schefer werden keine Hetzjagden auf Humor angestellt. Bei Jean
Paul sehen wir immer den in Weben liegenden Poeten selber; 'bei
Schefer hingegen ist der Humor aus dem Subject des Dichtenden
mehr in die Weltzustände übergetreten. Es ist in den' schwimmenden
Massen der Scheferschen Schöpfung ein Drang nach dem Individuel¬
len rege geworden, bleibt gleich von dem allen gährenden Pantheis¬
mus noch genug übrig, um eine Göthesche Plastification der Gestal¬
ten zu behindern. Leopold Schefer ist, mit einem'Worte, historisicir-
ter Jean Paul. Damit ist bezeichnet, was ihm vom Alten, anklebt-,
zugleich auch was in ihm als Fortbildung und Neugeburt anzuer¬
kennen ist.

Die „göttliche Komödie in'Rom" hat den Philosophen Gior-
dano Bruno zum Helden, der sein Heidenthum des freien Gedankens
mit dem Feuertode besteht. Dieser Huß Italiens, dem'freilich, kein
Luther folgte, wurde zum großen Kirchenjubelftst der römischen Chri¬
stenheit im Jahre 1600 vor den Augen des Papstes und mit aller
Weihe einer Handlung um Gotteswillen, öffentlich und feierlich in
Rom verbrannt. — Ich führe Ihnen einige Worte Bruno's' über
sein Leben und Wirken 'an, nicht als seien diese Aeußerungen eine
besonders gelungene Stelle in der merkwürdigen Dichtung, sondern
um Ihnen den Helden und die Art, wie Schefer ihn-nimmt, zu be¬
zeichnen. ,/Meine Werke" — sagt Giordano zu einem Freunde
beim Abschied — „sollst Du erhalten; — ich habe sie noch nicht.
Seine besten Werke schreibt erst der reife Mann^ Drei Worte oder
Zeilen eines Alten enthalten mehr Wahrheit als drei Tage oder



») Bruno's Schriften sind bekanntlich von Adolph Wagner herausgegeben.
Auerbach, der den Spinoza verdeutscht hat, sollte sie übertragen.
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[0525] der den Poeten und Denker in Wen so altmodisch zur Enschein'ung bringt. - Dem Jnhalt'nach/kan'n man sagen/ ist Jean Paul's Ele¬ ment mit Schefer überschritten oder weitergebildet. Die krankhafte Sentimentalität ist ausgeschieden. Es ist'bei Schefer dieselbe Einkehr des Menschen in sich, die alte Jeanpaulsche Vereinsamung des Ge¬ müthes; aber sie ist von der kränklichen Ichsucht der alten Geniepe¬ riode Deutschlands befreit, sie ist gesunde Naivetät geworden, eine gottvolle Kindlichkeit des in aller Demuth überseligen. Menschen-. Bei Schefer werden keine Hetzjagden auf Humor angestellt. Bei Jean Paul sehen wir immer den in Weben liegenden Poeten selber; 'bei Schefer hingegen ist der Humor aus dem Subject des Dichtenden mehr in die Weltzustände übergetreten. Es ist in den' schwimmenden Massen der Scheferschen Schöpfung ein Drang nach dem Individuel¬ len rege geworden, bleibt gleich von dem allen gährenden Pantheis¬ mus noch genug übrig, um eine Göthesche Plastification der Gestal¬ ten zu behindern. Leopold Schefer ist, mit einem'Worte, historisicir- ter Jean Paul. Damit ist bezeichnet, was ihm vom Alten, anklebt-, zugleich auch was in ihm als Fortbildung und Neugeburt anzuer¬ kennen ist. Die „göttliche Komödie in'Rom" hat den Philosophen Gior- dano Bruno zum Helden, der sein Heidenthum des freien Gedankens mit dem Feuertode besteht. Dieser Huß Italiens, dem'freilich, kein Luther folgte, wurde zum großen Kirchenjubelftst der römischen Chri¬ stenheit im Jahre 1600 vor den Augen des Papstes und mit aller Weihe einer Handlung um Gotteswillen, öffentlich und feierlich in Rom verbrannt. — Ich führe Ihnen einige Worte Bruno's' über sein Leben und Wirken 'an, nicht als seien diese Aeußerungen eine besonders gelungene Stelle in der merkwürdigen Dichtung, sondern um Ihnen den Helden und die Art, wie Schefer ihn-nimmt, zu be¬ zeichnen. ,/Meine Werke" — sagt Giordano zu einem Freunde beim Abschied — „sollst Du erhalten; — ich habe sie noch nicht. Seine besten Werke schreibt erst der reife Mann^ Drei Worte oder Zeilen eines Alten enthalten mehr Wahrheit als drei Tage oder ») Bruno's Schriften sind bekanntlich von Adolph Wagner herausgegeben. Auerbach, der den Spinoza verdeutscht hat, sollte sie übertragen. S9*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/525>, abgerufen am 04.07.2024.