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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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Menge die Wahl schwer. Ich gebe zweien darunter den Vorzug, weil
sie Fragen betreffen, die für Frankreich von dem höchsten Interesse sind"

- In Böhmen ist der vorherrschende Gedanke der Staatsgewalt, die
Lage des Bauern zu verbessernder, noch vor einem halben Jahrhun¬
dert, im äußersten Elend lebte. Dies war das hauptsächlichste Ziel der
Reformen Kaiser Josephs des Zweiten. Seine Mutter, Maria Theresia,
hatte dahin durch verschiedene legislative Verfügungen und mancherlei
Anstalten vorgearbeitet; unter den letztern sind die Speicher zu bemerken,
die noch heute ihren Namen tragen, in welchen man beständig das zur
Aussaat nothwendige Korn vorräthig hält. Die jetzige Negierung setzt
dieses Werk fort. Nichts wird vernachlässigt, um eine Art Gcntrv zu
bilden, wie der Engländer sagen würde. Um eine Klasse von Grund¬
besitzern zu schaffen, die eine hinlängliche Unabhängigkeit gegenüber den
Edelleuten besitzen könnten, hat man den letzteren das Recht, Bauern¬
güter anzukaufen, entzogen. Und dabei ist man nicht stehen geblieben.
Man konnte voraussehen, daß die Bauern ihre Ländereien ins Unend¬
liche unter ihre Kinder theilen würden. Dadurch würde daS Gründet-
gcnthum zerstückelt, in Staub verwandelt sein. Die Bewohner des Lan¬
des, verdammt, gleich den Jrlcindcrn, auf einem in Fetzen zerrissenen
Boden zu vegetiren, würden gänzlich in die Hand des Edelmanns ge¬
rathen fein. Es war also nöthig, die Zerstückelung des Grundbesitzes
über einen gewissen Punkt hinaus zu verhüten; und dies hat man folgender¬
maßen zu bewirken gesucht. Ein jegliches Erbgut, dessen Ertrag nicht
über vierzig Metzen (achthalb Hectarcn) ausmacht, ist, selbst durch Erb¬
schaft, untheilbar.") Ueber diese Grenze hinaus, um ausnahmsweise die
Theilung zu gestatten, bedarf es einer Menge Formalitäten und gesetzli¬
cher Zustimmung, die immer nur mit gutem Vorbedacht bewilligt wird.

Ich behaupte nicht, daß dieses österreichische Auskunftsmittel auch
für Frankreich passend sei; aber ich kann mich nicht enthalten zu bekla¬
gen, daß bei uns die Theilung des Grundbesitzes ins Unendliche ge¬
trieben wird, daß man gar keine Maßregeln anwendet, um dieselbe zu
beschränken. In Frankreich treiben, unter der gegenwärtigen Regie¬
rung, alle Kräfte nach der Zerstückelung des Bodens hin. Man hat
kein einziges Mittel angewandt, ja nicht einmal in Vorschlag gebracht,



Damit ist nicht gesagt, daß der Vater gezwungen sei, es einem einzigen
seiner Kinder, zum Nachtheil der übrigen, zu vermachen. Diese nur auf
> die Benutzung des Bodens bezügliche Bestimmung hat mit der Theilung des
väterlichen Vermögens nichts zu thu".

Menge die Wahl schwer. Ich gebe zweien darunter den Vorzug, weil
sie Fragen betreffen, die für Frankreich von dem höchsten Interesse sind»

- In Böhmen ist der vorherrschende Gedanke der Staatsgewalt, die
Lage des Bauern zu verbessernder, noch vor einem halben Jahrhun¬
dert, im äußersten Elend lebte. Dies war das hauptsächlichste Ziel der
Reformen Kaiser Josephs des Zweiten. Seine Mutter, Maria Theresia,
hatte dahin durch verschiedene legislative Verfügungen und mancherlei
Anstalten vorgearbeitet; unter den letztern sind die Speicher zu bemerken,
die noch heute ihren Namen tragen, in welchen man beständig das zur
Aussaat nothwendige Korn vorräthig hält. Die jetzige Negierung setzt
dieses Werk fort. Nichts wird vernachlässigt, um eine Art Gcntrv zu
bilden, wie der Engländer sagen würde. Um eine Klasse von Grund¬
besitzern zu schaffen, die eine hinlängliche Unabhängigkeit gegenüber den
Edelleuten besitzen könnten, hat man den letzteren das Recht, Bauern¬
güter anzukaufen, entzogen. Und dabei ist man nicht stehen geblieben.
Man konnte voraussehen, daß die Bauern ihre Ländereien ins Unend¬
liche unter ihre Kinder theilen würden. Dadurch würde daS Gründet-
gcnthum zerstückelt, in Staub verwandelt sein. Die Bewohner des Lan¬
des, verdammt, gleich den Jrlcindcrn, auf einem in Fetzen zerrissenen
Boden zu vegetiren, würden gänzlich in die Hand des Edelmanns ge¬
rathen fein. Es war also nöthig, die Zerstückelung des Grundbesitzes
über einen gewissen Punkt hinaus zu verhüten; und dies hat man folgender¬
maßen zu bewirken gesucht. Ein jegliches Erbgut, dessen Ertrag nicht
über vierzig Metzen (achthalb Hectarcn) ausmacht, ist, selbst durch Erb¬
schaft, untheilbar.") Ueber diese Grenze hinaus, um ausnahmsweise die
Theilung zu gestatten, bedarf es einer Menge Formalitäten und gesetzli¬
cher Zustimmung, die immer nur mit gutem Vorbedacht bewilligt wird.

Ich behaupte nicht, daß dieses österreichische Auskunftsmittel auch
für Frankreich passend sei; aber ich kann mich nicht enthalten zu bekla¬
gen, daß bei uns die Theilung des Grundbesitzes ins Unendliche ge¬
trieben wird, daß man gar keine Maßregeln anwendet, um dieselbe zu
beschränken. In Frankreich treiben, unter der gegenwärtigen Regie¬
rung, alle Kräfte nach der Zerstückelung des Bodens hin. Man hat
kein einziges Mittel angewandt, ja nicht einmal in Vorschlag gebracht,



Damit ist nicht gesagt, daß der Vater gezwungen sei, es einem einzigen
seiner Kinder, zum Nachtheil der übrigen, zu vermachen. Diese nur auf
> die Benutzung des Bodens bezügliche Bestimmung hat mit der Theilung des
väterlichen Vermögens nichts zu thu».
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[0512] Menge die Wahl schwer. Ich gebe zweien darunter den Vorzug, weil sie Fragen betreffen, die für Frankreich von dem höchsten Interesse sind» - In Böhmen ist der vorherrschende Gedanke der Staatsgewalt, die Lage des Bauern zu verbessernder, noch vor einem halben Jahrhun¬ dert, im äußersten Elend lebte. Dies war das hauptsächlichste Ziel der Reformen Kaiser Josephs des Zweiten. Seine Mutter, Maria Theresia, hatte dahin durch verschiedene legislative Verfügungen und mancherlei Anstalten vorgearbeitet; unter den letztern sind die Speicher zu bemerken, die noch heute ihren Namen tragen, in welchen man beständig das zur Aussaat nothwendige Korn vorräthig hält. Die jetzige Negierung setzt dieses Werk fort. Nichts wird vernachlässigt, um eine Art Gcntrv zu bilden, wie der Engländer sagen würde. Um eine Klasse von Grund¬ besitzern zu schaffen, die eine hinlängliche Unabhängigkeit gegenüber den Edelleuten besitzen könnten, hat man den letzteren das Recht, Bauern¬ güter anzukaufen, entzogen. Und dabei ist man nicht stehen geblieben. Man konnte voraussehen, daß die Bauern ihre Ländereien ins Unend¬ liche unter ihre Kinder theilen würden. Dadurch würde daS Gründet- gcnthum zerstückelt, in Staub verwandelt sein. Die Bewohner des Lan¬ des, verdammt, gleich den Jrlcindcrn, auf einem in Fetzen zerrissenen Boden zu vegetiren, würden gänzlich in die Hand des Edelmanns ge¬ rathen fein. Es war also nöthig, die Zerstückelung des Grundbesitzes über einen gewissen Punkt hinaus zu verhüten; und dies hat man folgender¬ maßen zu bewirken gesucht. Ein jegliches Erbgut, dessen Ertrag nicht über vierzig Metzen (achthalb Hectarcn) ausmacht, ist, selbst durch Erb¬ schaft, untheilbar.") Ueber diese Grenze hinaus, um ausnahmsweise die Theilung zu gestatten, bedarf es einer Menge Formalitäten und gesetzli¬ cher Zustimmung, die immer nur mit gutem Vorbedacht bewilligt wird. Ich behaupte nicht, daß dieses österreichische Auskunftsmittel auch für Frankreich passend sei; aber ich kann mich nicht enthalten zu bekla¬ gen, daß bei uns die Theilung des Grundbesitzes ins Unendliche ge¬ trieben wird, daß man gar keine Maßregeln anwendet, um dieselbe zu beschränken. In Frankreich treiben, unter der gegenwärtigen Regie¬ rung, alle Kräfte nach der Zerstückelung des Bodens hin. Man hat kein einziges Mittel angewandt, ja nicht einmal in Vorschlag gebracht, Damit ist nicht gesagt, daß der Vater gezwungen sei, es einem einzigen seiner Kinder, zum Nachtheil der übrigen, zu vermachen. Diese nur auf > die Benutzung des Bodens bezügliche Bestimmung hat mit der Theilung des väterlichen Vermögens nichts zu thu».

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/512>, abgerufen am 04.07.2024.