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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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Nicht anders verhalt es sich mit der innern Politik. Wenn dk
Industrie die gemeinschaftliche Hülfsquelle der Gesellschaft ist, wenn die
Geister und die Hände dafür in Anspruch genommen sind, wenn eine
große Summe intellectueller Kräfte, der Förderung derselben gewidmet,
die Grenzen ihrer productiven Gewalt ins Unendliche erweitert, so kön¬
nen die Bedürfnisse Aller gegenseitige Befriedigung finden, ohne daß
ein Einziger darunter Schaden zu leiden hat. Da alsdann die Gesell¬
schaft ihre Häupter reichlich belohnen kann, ohne sich selber zu Entbeh¬
rungen und Opfern zu verdammen, so wird der Prunk der Größen
nicht durch die Thränen der Niedern erkauft werden. Wer zahlreiche
Arbcitswcrkzeuge besitzt, -7- denn-das ist die richtigste und gründlichste
Definition des Capitals, -- kann sich bereichern, ohne- seinen Diener
auszubeuten, im Gegentheil, er wird ihn zugleich zum Wohlstande er¬
heben. Indem Jederman seine Thätigkeit auf die Dinge richtet, wird
der Mensch nicht ferner ein Gegenstand der Bedrückung sein. Die Na¬
tur wird man ausbeuten, nicht aber das Menschengeschlecht. Der Mensch
wird seinen Nächsten nicht mehr unterjochen. Vielmehr werden es die
Elemente sein, die, unterworfen und anstatt des Menschen arbeitend, die¬
sen, von den mühseligsten Arbeiten befreien. Die Mechanik, die Chemie
und Physik werden sich verbünden, um die Anstrengungen des Menschen
zu verringern, und die Frucht seiner Arbeit zu erhöhen/ Und wenn die
Gesellschaft nach Fug und Recht geordnet ist, so kann ein Jeder hoffen,
daß er einige Muße zur ^Bildung seines Geistes und Herzens finden
werde. So tritt der Mensch in eine Lebensordnung ein, wo er seine
Kräfte und Anlagen entwickeln kann, um sie zu seinen: Wohlsein und
zu seiner Würde, zum Glück des Nächsten wie zu seinem eigenen anzu¬
wenden. Es ist dies das Zeitalter der wahren Freiheit, derjenigen, die
es allein, verdient, daß die Liebe und, Begeisterung der Menschheit ihr
geweiht werde. Das ist die Zukunft, welche im Begriff ist, für Euro¬
pa anzubrechen, vorausgesetzt, daß der sittliche Fortschritt nicht hinter
dem materiellen zurückbleibe; eine glückliche, und glänzende Zukunft, die
unter viel Schmerzen und Aengsten wird geboren werden!

Diese allgemeinen Ideen der Vervollkommnungsfähigkeit derWe-
stllschaft vermittelst der Industrie und der Wissenschaft sind jetzt von der
österreichischen Negierung gänzlich anerkannt. In demselben Maaße,
als sie sich den Theorieen feindlich bewies, die, im Namen desMort-
schritts, den Gehorsam und den Glauben antasteten, so wie sie stets
darauf bedacht ist, jegliche geistige Bewegung, welche diese obersten Grad-


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Nicht anders verhalt es sich mit der innern Politik. Wenn dk
Industrie die gemeinschaftliche Hülfsquelle der Gesellschaft ist, wenn die
Geister und die Hände dafür in Anspruch genommen sind, wenn eine
große Summe intellectueller Kräfte, der Förderung derselben gewidmet,
die Grenzen ihrer productiven Gewalt ins Unendliche erweitert, so kön¬
nen die Bedürfnisse Aller gegenseitige Befriedigung finden, ohne daß
ein Einziger darunter Schaden zu leiden hat. Da alsdann die Gesell¬
schaft ihre Häupter reichlich belohnen kann, ohne sich selber zu Entbeh¬
rungen und Opfern zu verdammen, so wird der Prunk der Größen
nicht durch die Thränen der Niedern erkauft werden. Wer zahlreiche
Arbcitswcrkzeuge besitzt, -7- denn-das ist die richtigste und gründlichste
Definition des Capitals, — kann sich bereichern, ohne- seinen Diener
auszubeuten, im Gegentheil, er wird ihn zugleich zum Wohlstande er¬
heben. Indem Jederman seine Thätigkeit auf die Dinge richtet, wird
der Mensch nicht ferner ein Gegenstand der Bedrückung sein. Die Na¬
tur wird man ausbeuten, nicht aber das Menschengeschlecht. Der Mensch
wird seinen Nächsten nicht mehr unterjochen. Vielmehr werden es die
Elemente sein, die, unterworfen und anstatt des Menschen arbeitend, die¬
sen, von den mühseligsten Arbeiten befreien. Die Mechanik, die Chemie
und Physik werden sich verbünden, um die Anstrengungen des Menschen
zu verringern, und die Frucht seiner Arbeit zu erhöhen/ Und wenn die
Gesellschaft nach Fug und Recht geordnet ist, so kann ein Jeder hoffen,
daß er einige Muße zur ^Bildung seines Geistes und Herzens finden
werde. So tritt der Mensch in eine Lebensordnung ein, wo er seine
Kräfte und Anlagen entwickeln kann, um sie zu seinen: Wohlsein und
zu seiner Würde, zum Glück des Nächsten wie zu seinem eigenen anzu¬
wenden. Es ist dies das Zeitalter der wahren Freiheit, derjenigen, die
es allein, verdient, daß die Liebe und, Begeisterung der Menschheit ihr
geweiht werde. Das ist die Zukunft, welche im Begriff ist, für Euro¬
pa anzubrechen, vorausgesetzt, daß der sittliche Fortschritt nicht hinter
dem materiellen zurückbleibe; eine glückliche, und glänzende Zukunft, die
unter viel Schmerzen und Aengsten wird geboren werden!

Diese allgemeinen Ideen der Vervollkommnungsfähigkeit derWe-
stllschaft vermittelst der Industrie und der Wissenschaft sind jetzt von der
österreichischen Negierung gänzlich anerkannt. In demselben Maaße,
als sie sich den Theorieen feindlich bewies, die, im Namen desMort-
schritts, den Gehorsam und den Glauben antasteten, so wie sie stets
darauf bedacht ist, jegliche geistige Bewegung, welche diese obersten Grad-


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[0509] Nicht anders verhalt es sich mit der innern Politik. Wenn dk Industrie die gemeinschaftliche Hülfsquelle der Gesellschaft ist, wenn die Geister und die Hände dafür in Anspruch genommen sind, wenn eine große Summe intellectueller Kräfte, der Förderung derselben gewidmet, die Grenzen ihrer productiven Gewalt ins Unendliche erweitert, so kön¬ nen die Bedürfnisse Aller gegenseitige Befriedigung finden, ohne daß ein Einziger darunter Schaden zu leiden hat. Da alsdann die Gesell¬ schaft ihre Häupter reichlich belohnen kann, ohne sich selber zu Entbeh¬ rungen und Opfern zu verdammen, so wird der Prunk der Größen nicht durch die Thränen der Niedern erkauft werden. Wer zahlreiche Arbcitswcrkzeuge besitzt, -7- denn-das ist die richtigste und gründlichste Definition des Capitals, — kann sich bereichern, ohne- seinen Diener auszubeuten, im Gegentheil, er wird ihn zugleich zum Wohlstande er¬ heben. Indem Jederman seine Thätigkeit auf die Dinge richtet, wird der Mensch nicht ferner ein Gegenstand der Bedrückung sein. Die Na¬ tur wird man ausbeuten, nicht aber das Menschengeschlecht. Der Mensch wird seinen Nächsten nicht mehr unterjochen. Vielmehr werden es die Elemente sein, die, unterworfen und anstatt des Menschen arbeitend, die¬ sen, von den mühseligsten Arbeiten befreien. Die Mechanik, die Chemie und Physik werden sich verbünden, um die Anstrengungen des Menschen zu verringern, und die Frucht seiner Arbeit zu erhöhen/ Und wenn die Gesellschaft nach Fug und Recht geordnet ist, so kann ein Jeder hoffen, daß er einige Muße zur ^Bildung seines Geistes und Herzens finden werde. So tritt der Mensch in eine Lebensordnung ein, wo er seine Kräfte und Anlagen entwickeln kann, um sie zu seinen: Wohlsein und zu seiner Würde, zum Glück des Nächsten wie zu seinem eigenen anzu¬ wenden. Es ist dies das Zeitalter der wahren Freiheit, derjenigen, die es allein, verdient, daß die Liebe und, Begeisterung der Menschheit ihr geweiht werde. Das ist die Zukunft, welche im Begriff ist, für Euro¬ pa anzubrechen, vorausgesetzt, daß der sittliche Fortschritt nicht hinter dem materiellen zurückbleibe; eine glückliche, und glänzende Zukunft, die unter viel Schmerzen und Aengsten wird geboren werden! Diese allgemeinen Ideen der Vervollkommnungsfähigkeit derWe- stllschaft vermittelst der Industrie und der Wissenschaft sind jetzt von der österreichischen Negierung gänzlich anerkannt. In demselben Maaße, als sie sich den Theorieen feindlich bewies, die, im Namen desMort- schritts, den Gehorsam und den Glauben antasteten, so wie sie stets darauf bedacht ist, jegliche geistige Bewegung, welche diese obersten Grad- 67*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/509>, abgerufen am 25.08.2024.