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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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über die Barriere und zielte aus den armen Kerl; und er würde ihn
ohnfehlbar getödtet Haben, wäre nicht der Dolmetscher dazwischen getre¬
ten, um dem entrüsteten Fürsten zu erklären, daß die Capriolen des Auf¬
passers nicht unehrcrbietiger wären, als das Lachen des Maurergesellen.


- Des Königs Zorn, spricht Salomo,
Ist furchtbar.



Ich befinde mich I)ier eine oder zwei Stunden von dem Schlosse
Königöwart, einer Besitzung des Fürsten Metternich, welcher jetzt daselbst
mit den meisten Gesandten am österreichischen Hofe wohnt. In dem
ganzen, an Ereignissen so reichen" Lebenslaufe des Fürsten Metternich setzt
mich nichts so sehr in Erstaunen, wenn ich an mein Baterland denke,
als daß dieser Mann seit fünf und dreißig Jahren die Politik des öster¬
reichischen Staates leitet. ''

Dieses Verharren der Staatsmänner in der Leitung der Geschäfte
ist nichts Seltenes auf der rechten Rheinseite. Man muß aber auch eür-
gestehn, daß in diesem Staate die oberste Gewalt in den Händen von
Männern einer erprobten Tüchtigkeit sich befindet. Die höchsten Stellen
in der österreichischen Verwaltung werden von den anerkannt fähigsten
Männern der Monarchie Eingenommen; diese sind stufenweis zu ihrem,
Posten gelangt, nachdem sie die, mittlern Grade durchgemacht haben;
darum wissen sie ihren Untergebenen zu befehlen, denn sie sind selber an
dem Platze Derer gewesen, die jetzt Befehle von ihnen erhalten.

Eine der schlimmsten Lücken der französischen Repräsentativverfas-
sung besteht darin, daß man nicht die Nothwendigkeit vorgesehen hat,
Staatsmänner für ihr schwieriges Geschäft heranzubilden. Welch son¬
derbarer Widerspruch! Um Arzt, Procumtor, Kaufmann, oder auch nur
einfacher Handwerker zu sein, giebt man allgemein zu, daß es einer Lehr¬
zeit bedürfe; und doch gilt es zugleich als ein Grundsatz, daß man aus
dem Stegreife Regierender und Minister sein könne! Es ist das eine
Wissenschaft, die Jeder mit auf die Welt bringt! Wir sind demnach un¬
ser fünf und dreißig Millionen, die mit dieser Himmelsgabe bedacht sind.

Vom Kaiser Franz erzählt man eine Aeußerung, die große
Sensation gemacht hat. Als er nämlich einst mit den Lehrern zu
Lavbach redete, gab er ihnen zu verstehen, daß er den Gelehrtenstand


über die Barriere und zielte aus den armen Kerl; und er würde ihn
ohnfehlbar getödtet Haben, wäre nicht der Dolmetscher dazwischen getre¬
ten, um dem entrüsteten Fürsten zu erklären, daß die Capriolen des Auf¬
passers nicht unehrcrbietiger wären, als das Lachen des Maurergesellen.


- Des Königs Zorn, spricht Salomo,
Ist furchtbar.



Ich befinde mich I)ier eine oder zwei Stunden von dem Schlosse
Königöwart, einer Besitzung des Fürsten Metternich, welcher jetzt daselbst
mit den meisten Gesandten am österreichischen Hofe wohnt. In dem
ganzen, an Ereignissen so reichen" Lebenslaufe des Fürsten Metternich setzt
mich nichts so sehr in Erstaunen, wenn ich an mein Baterland denke,
als daß dieser Mann seit fünf und dreißig Jahren die Politik des öster¬
reichischen Staates leitet. ''

Dieses Verharren der Staatsmänner in der Leitung der Geschäfte
ist nichts Seltenes auf der rechten Rheinseite. Man muß aber auch eür-
gestehn, daß in diesem Staate die oberste Gewalt in den Händen von
Männern einer erprobten Tüchtigkeit sich befindet. Die höchsten Stellen
in der österreichischen Verwaltung werden von den anerkannt fähigsten
Männern der Monarchie Eingenommen; diese sind stufenweis zu ihrem,
Posten gelangt, nachdem sie die, mittlern Grade durchgemacht haben;
darum wissen sie ihren Untergebenen zu befehlen, denn sie sind selber an
dem Platze Derer gewesen, die jetzt Befehle von ihnen erhalten.

Eine der schlimmsten Lücken der französischen Repräsentativverfas-
sung besteht darin, daß man nicht die Nothwendigkeit vorgesehen hat,
Staatsmänner für ihr schwieriges Geschäft heranzubilden. Welch son¬
derbarer Widerspruch! Um Arzt, Procumtor, Kaufmann, oder auch nur
einfacher Handwerker zu sein, giebt man allgemein zu, daß es einer Lehr¬
zeit bedürfe; und doch gilt es zugleich als ein Grundsatz, daß man aus
dem Stegreife Regierender und Minister sein könne! Es ist das eine
Wissenschaft, die Jeder mit auf die Welt bringt! Wir sind demnach un¬
ser fünf und dreißig Millionen, die mit dieser Himmelsgabe bedacht sind.

Vom Kaiser Franz erzählt man eine Aeußerung, die große
Sensation gemacht hat. Als er nämlich einst mit den Lehrern zu
Lavbach redete, gab er ihnen zu verstehen, daß er den Gelehrtenstand


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[0505] über die Barriere und zielte aus den armen Kerl; und er würde ihn ohnfehlbar getödtet Haben, wäre nicht der Dolmetscher dazwischen getre¬ ten, um dem entrüsteten Fürsten zu erklären, daß die Capriolen des Auf¬ passers nicht unehrcrbietiger wären, als das Lachen des Maurergesellen. - Des Königs Zorn, spricht Salomo, Ist furchtbar. Ich befinde mich I)ier eine oder zwei Stunden von dem Schlosse Königöwart, einer Besitzung des Fürsten Metternich, welcher jetzt daselbst mit den meisten Gesandten am österreichischen Hofe wohnt. In dem ganzen, an Ereignissen so reichen" Lebenslaufe des Fürsten Metternich setzt mich nichts so sehr in Erstaunen, wenn ich an mein Baterland denke, als daß dieser Mann seit fünf und dreißig Jahren die Politik des öster¬ reichischen Staates leitet. '' Dieses Verharren der Staatsmänner in der Leitung der Geschäfte ist nichts Seltenes auf der rechten Rheinseite. Man muß aber auch eür- gestehn, daß in diesem Staate die oberste Gewalt in den Händen von Männern einer erprobten Tüchtigkeit sich befindet. Die höchsten Stellen in der österreichischen Verwaltung werden von den anerkannt fähigsten Männern der Monarchie Eingenommen; diese sind stufenweis zu ihrem, Posten gelangt, nachdem sie die, mittlern Grade durchgemacht haben; darum wissen sie ihren Untergebenen zu befehlen, denn sie sind selber an dem Platze Derer gewesen, die jetzt Befehle von ihnen erhalten. Eine der schlimmsten Lücken der französischen Repräsentativverfas- sung besteht darin, daß man nicht die Nothwendigkeit vorgesehen hat, Staatsmänner für ihr schwieriges Geschäft heranzubilden. Welch son¬ derbarer Widerspruch! Um Arzt, Procumtor, Kaufmann, oder auch nur einfacher Handwerker zu sein, giebt man allgemein zu, daß es einer Lehr¬ zeit bedürfe; und doch gilt es zugleich als ein Grundsatz, daß man aus dem Stegreife Regierender und Minister sein könne! Es ist das eine Wissenschaft, die Jeder mit auf die Welt bringt! Wir sind demnach un¬ ser fünf und dreißig Millionen, die mit dieser Himmelsgabe bedacht sind. Vom Kaiser Franz erzählt man eine Aeußerung, die große Sensation gemacht hat. Als er nämlich einst mit den Lehrern zu Lavbach redete, gab er ihnen zu verstehen, daß er den Gelehrtenstand

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/505>, abgerufen am 23.07.2024.