Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

Bild:
<< vorherige Seite

manus Lefort, den Zimmermann von Saardam, den Bändiger der nos-,
cowitischen Aristokratie, den Beffeger Karls des Zwölften, den Vernichter
der Strelitzen, den eifersüchtigen und strengen Gatten Katharinens, den
Henker seines eigenen Sohnes, und endlich den Gründer eines colossalen
Reichs machten.

Eines Tags kam es ihm in den Sinn, auf den Hirschcnsvrung zu
klettern. Es ist dies ein steiler Felsen, von dessen Spitze sich, der Sage
zufolge, ein Hirsch hinabstürzte, um Karl dem Vierten die berühmte Spru¬
delquelle, die bis dahin unbekannt war, zu zeigen; so behauptet wenig¬
stens die fabelhaste Legende.") Jeder andere würde zu Fuß hinaufge¬
stiegen sein; zu jener Zeit jedoch, wo man um Carlsbad noch nicht alle
die kleinen Fußsteige sand, welche der fürsorgende Sinn der Stadtbe¬
wohner oder die Erkenntlichkeit der Badegäste seitdem angelegt hat, war
es selbst zu Fuß keine leichte Sache. Um die Schwierigkeit noch zu
vergrößern, ließ er es sich einkommen, auf einem Bauerngaul, ohne Sat¬
tel, nur für den Pflug aufgezäumt, den Felsen hinaufzureiten. Ein an¬
dermal, da die Neugierde ihn trieb, die böhmischen Maurer arbeiten zu
sehen, vielleicht auch, um den seinigen eine Lehre zu geben, stieg er auf
ein Gerüst, das mau aufgerichtet hatte, um ein Haus zu betünchcn; dies
Haus ist noch vorhanden, mit dem Schilde ,/zum Schwan". Als einer
der Maurer, voll Entzücken, einen so großen Fürsten neben sich zu se¬
hen, sich einfallen ließ, vor Vergnügen zu lachen, warf der Czar ihm
eine Kelle voll Mörtel in's Gesicht. Als ihn: einmal der Hof von Wien
einen Vorrath Neinwcin zuschickte, wollte er denselben nicht annehmen,
weil man ihm nicht den Kaisertitel gegeben hatte. Von den Böhmischen
Ständen indeß nahm er ihn an, um nachher der Schützengesellschaft ein
Geschenk damit zu machen. Diese nun faßte den Beschluß, daß das
Geschenk für ein Scheibenschießen als Preis ausgesetzt werden sollte.
Der Czar wollte von der Partie sein. Als der Aufpasser an der Scheibe
den Schuß Seiner Majestät, der der beste unter allen war, bemerkte,
sing er an, vor Freude Sprünge zumachen. Der Czar, dem der Tanz Davids
vor der Lade nicht einfiel, hielt sich für beleidigt, setzte mit Blitzesschnelle



5) Einer andern, weniger fabelhaften Sage zufolge, geschah es, als Karl IV.
einen Hirsch jagte, daß ein Hund aus der Meute in den Quell sprang, des¬
sen Wärmegrad sehr hoch steht (75 Grade Centimeter); das Geheule des
Thiers machte die Leute des Kaisers aufmerksam, und so entdeckte man den
Sprudel.

manus Lefort, den Zimmermann von Saardam, den Bändiger der nos-,
cowitischen Aristokratie, den Beffeger Karls des Zwölften, den Vernichter
der Strelitzen, den eifersüchtigen und strengen Gatten Katharinens, den
Henker seines eigenen Sohnes, und endlich den Gründer eines colossalen
Reichs machten.

Eines Tags kam es ihm in den Sinn, auf den Hirschcnsvrung zu
klettern. Es ist dies ein steiler Felsen, von dessen Spitze sich, der Sage
zufolge, ein Hirsch hinabstürzte, um Karl dem Vierten die berühmte Spru¬
delquelle, die bis dahin unbekannt war, zu zeigen; so behauptet wenig¬
stens die fabelhaste Legende.") Jeder andere würde zu Fuß hinaufge¬
stiegen sein; zu jener Zeit jedoch, wo man um Carlsbad noch nicht alle
die kleinen Fußsteige sand, welche der fürsorgende Sinn der Stadtbe¬
wohner oder die Erkenntlichkeit der Badegäste seitdem angelegt hat, war
es selbst zu Fuß keine leichte Sache. Um die Schwierigkeit noch zu
vergrößern, ließ er es sich einkommen, auf einem Bauerngaul, ohne Sat¬
tel, nur für den Pflug aufgezäumt, den Felsen hinaufzureiten. Ein an¬
dermal, da die Neugierde ihn trieb, die böhmischen Maurer arbeiten zu
sehen, vielleicht auch, um den seinigen eine Lehre zu geben, stieg er auf
ein Gerüst, das mau aufgerichtet hatte, um ein Haus zu betünchcn; dies
Haus ist noch vorhanden, mit dem Schilde ,/zum Schwan". Als einer
der Maurer, voll Entzücken, einen so großen Fürsten neben sich zu se¬
hen, sich einfallen ließ, vor Vergnügen zu lachen, warf der Czar ihm
eine Kelle voll Mörtel in's Gesicht. Als ihn: einmal der Hof von Wien
einen Vorrath Neinwcin zuschickte, wollte er denselben nicht annehmen,
weil man ihm nicht den Kaisertitel gegeben hatte. Von den Böhmischen
Ständen indeß nahm er ihn an, um nachher der Schützengesellschaft ein
Geschenk damit zu machen. Diese nun faßte den Beschluß, daß das
Geschenk für ein Scheibenschießen als Preis ausgesetzt werden sollte.
Der Czar wollte von der Partie sein. Als der Aufpasser an der Scheibe
den Schuß Seiner Majestät, der der beste unter allen war, bemerkte,
sing er an, vor Freude Sprünge zumachen. Der Czar, dem der Tanz Davids
vor der Lade nicht einfiel, hielt sich für beleidigt, setzte mit Blitzesschnelle



5) Einer andern, weniger fabelhaften Sage zufolge, geschah es, als Karl IV.
einen Hirsch jagte, daß ein Hund aus der Meute in den Quell sprang, des¬
sen Wärmegrad sehr hoch steht (75 Grade Centimeter); das Geheule des
Thiers machte die Leute des Kaisers aufmerksam, und so entdeckte man den
Sprudel.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0504" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/267717"/>
          <p xml:id="ID_1754" prev="#ID_1753"> manus Lefort, den Zimmermann von Saardam, den Bändiger der nos-,<lb/>
cowitischen Aristokratie, den Beffeger Karls des Zwölften, den Vernichter<lb/>
der Strelitzen, den eifersüchtigen und strengen Gatten Katharinens, den<lb/>
Henker seines eigenen Sohnes, und endlich den Gründer eines colossalen<lb/>
Reichs machten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1755" next="#ID_1756"> Eines Tags kam es ihm in den Sinn, auf den Hirschcnsvrung zu<lb/>
klettern. Es ist dies ein steiler Felsen, von dessen Spitze sich, der Sage<lb/>
zufolge, ein Hirsch hinabstürzte, um Karl dem Vierten die berühmte Spru¬<lb/>
delquelle, die bis dahin unbekannt war, zu zeigen; so behauptet wenig¬<lb/>
stens die fabelhaste Legende.") Jeder andere würde zu Fuß hinaufge¬<lb/>
stiegen sein; zu jener Zeit jedoch, wo man um Carlsbad noch nicht alle<lb/>
die kleinen Fußsteige sand, welche der fürsorgende Sinn der Stadtbe¬<lb/>
wohner oder die Erkenntlichkeit der Badegäste seitdem angelegt hat, war<lb/>
es selbst zu Fuß keine leichte Sache. Um die Schwierigkeit noch zu<lb/>
vergrößern, ließ er es sich einkommen, auf einem Bauerngaul, ohne Sat¬<lb/>
tel, nur für den Pflug aufgezäumt, den Felsen hinaufzureiten. Ein an¬<lb/>
dermal, da die Neugierde ihn trieb, die böhmischen Maurer arbeiten zu<lb/>
sehen, vielleicht auch, um den seinigen eine Lehre zu geben, stieg er auf<lb/>
ein Gerüst, das mau aufgerichtet hatte, um ein Haus zu betünchcn; dies<lb/>
Haus ist noch vorhanden, mit dem Schilde ,/zum Schwan". Als einer<lb/>
der Maurer, voll Entzücken, einen so großen Fürsten neben sich zu se¬<lb/>
hen, sich einfallen ließ, vor Vergnügen zu lachen, warf der Czar ihm<lb/>
eine Kelle voll Mörtel in's Gesicht. Als ihn: einmal der Hof von Wien<lb/>
einen Vorrath Neinwcin zuschickte, wollte er denselben nicht annehmen,<lb/>
weil man ihm nicht den Kaisertitel gegeben hatte. Von den Böhmischen<lb/>
Ständen indeß nahm er ihn an, um nachher der Schützengesellschaft ein<lb/>
Geschenk damit zu machen. Diese nun faßte den Beschluß, daß das<lb/>
Geschenk für ein Scheibenschießen als Preis ausgesetzt werden sollte.<lb/>
Der Czar wollte von der Partie sein. Als der Aufpasser an der Scheibe<lb/>
den Schuß Seiner Majestät, der der beste unter allen war, bemerkte,<lb/>
sing er an, vor Freude Sprünge zumachen. Der Czar, dem der Tanz Davids<lb/>
vor der Lade nicht einfiel, hielt sich für beleidigt, setzte mit Blitzesschnelle</p><lb/>
          <note xml:id="FID_31" place="foot"> 5) Einer andern, weniger fabelhaften Sage zufolge, geschah es, als Karl IV.<lb/>
einen Hirsch jagte, daß ein Hund aus der Meute in den Quell sprang, des¬<lb/>
sen Wärmegrad sehr hoch steht (75 Grade Centimeter); das Geheule des<lb/>
Thiers machte die Leute des Kaisers aufmerksam, und so entdeckte man den<lb/>
Sprudel.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0504] manus Lefort, den Zimmermann von Saardam, den Bändiger der nos-, cowitischen Aristokratie, den Beffeger Karls des Zwölften, den Vernichter der Strelitzen, den eifersüchtigen und strengen Gatten Katharinens, den Henker seines eigenen Sohnes, und endlich den Gründer eines colossalen Reichs machten. Eines Tags kam es ihm in den Sinn, auf den Hirschcnsvrung zu klettern. Es ist dies ein steiler Felsen, von dessen Spitze sich, der Sage zufolge, ein Hirsch hinabstürzte, um Karl dem Vierten die berühmte Spru¬ delquelle, die bis dahin unbekannt war, zu zeigen; so behauptet wenig¬ stens die fabelhaste Legende.") Jeder andere würde zu Fuß hinaufge¬ stiegen sein; zu jener Zeit jedoch, wo man um Carlsbad noch nicht alle die kleinen Fußsteige sand, welche der fürsorgende Sinn der Stadtbe¬ wohner oder die Erkenntlichkeit der Badegäste seitdem angelegt hat, war es selbst zu Fuß keine leichte Sache. Um die Schwierigkeit noch zu vergrößern, ließ er es sich einkommen, auf einem Bauerngaul, ohne Sat¬ tel, nur für den Pflug aufgezäumt, den Felsen hinaufzureiten. Ein an¬ dermal, da die Neugierde ihn trieb, die böhmischen Maurer arbeiten zu sehen, vielleicht auch, um den seinigen eine Lehre zu geben, stieg er auf ein Gerüst, das mau aufgerichtet hatte, um ein Haus zu betünchcn; dies Haus ist noch vorhanden, mit dem Schilde ,/zum Schwan". Als einer der Maurer, voll Entzücken, einen so großen Fürsten neben sich zu se¬ hen, sich einfallen ließ, vor Vergnügen zu lachen, warf der Czar ihm eine Kelle voll Mörtel in's Gesicht. Als ihn: einmal der Hof von Wien einen Vorrath Neinwcin zuschickte, wollte er denselben nicht annehmen, weil man ihm nicht den Kaisertitel gegeben hatte. Von den Böhmischen Ständen indeß nahm er ihn an, um nachher der Schützengesellschaft ein Geschenk damit zu machen. Diese nun faßte den Beschluß, daß das Geschenk für ein Scheibenschießen als Preis ausgesetzt werden sollte. Der Czar wollte von der Partie sein. Als der Aufpasser an der Scheibe den Schuß Seiner Majestät, der der beste unter allen war, bemerkte, sing er an, vor Freude Sprünge zumachen. Der Czar, dem der Tanz Davids vor der Lade nicht einfiel, hielt sich für beleidigt, setzte mit Blitzesschnelle 5) Einer andern, weniger fabelhaften Sage zufolge, geschah es, als Karl IV. einen Hirsch jagte, daß ein Hund aus der Meute in den Quell sprang, des¬ sen Wärmegrad sehr hoch steht (75 Grade Centimeter); das Geheule des Thiers machte die Leute des Kaisers aufmerksam, und so entdeckte man den Sprudel.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/504
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/504>, abgerufen am 23.07.2024.