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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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Haupt, und begann mit gefalteten Händen zu beten. Dekoninkö Ge¬
fühl verbreitete sich nach und nach unter-die Bürger. Zuerst weinten,
und schwiegen-diejenigen, welche um ihn standen; diese theilten die Be¬
wegung den Andern, mit, und so sanken alle Häupter, -eines nach den:
andern. Die Stimmen vergingen zuerst in der Mitte des -weiten Krei¬
ses und verminderten sich stets, bis die größte Stille unter die Schaaren ge¬
kommen War. 8000 Kniee berührten den noch blutigen Boden, 8000
Häupter demüthigem-sich vor dem Gott, der die Menschen zur Freiheit
geschaffen hat. Welche "Harmonie .mußte in diesem Augenblicke vor dem
Throne des Höchsten erklingen! Wie angenehm mußte ihm dieses Ge¬
bet! sein, - das -sich, als kaum hörbare Huldigung zu seinen Füßen erhob!

Dekonink stand nach kurzer Zeit von der Erde auf/ und während
die Stille noch fortdauerte, sprach er mit lauter Stimme, aufdaß Viele
ihn hören möchten: ,/Brüder! .'heute erhebt sich die Sonne in schönerem
Lichte vor uns/ die Lust ist sauber in unserer Stadt, und der Athem der
Fremdlinge verpestet sie nicht mehr^ Die trotzigen Wallonen haben ge¬
dacht/daß wir ihre Sclaven sein und bleiben sollten; doch haben sie nun
auf Kosten ihres Lebens gelernt, daß unser Löwe wohl schlafen, aller
nicht sterben tann. Wir haben das Erbtheil unsrer Väter errungen,
und die Fußtapfen der Fremdlinge mit Blut, ausgewischt; aber alle unsre
Feinde" sind nicht todt^ FranKeiH/wlk-bons- -noch mehr gewassnete Mieth-
linZe'senden, denn Blut fordert'Blut. '.-Das kümmert uns/Nichts, wir
sind ^nun unüberwindlich, nur müßt Ihr nach dem -errungenen' Siege
nicht Ausruhen-wollen: haltet Eure-Herzen'grcißsiiinig und tapfer/' und
laßt das edle Feuer, das'in diesem Augenblicke Euren Busen entflammt,
meh: verlöschen. Zeder gehe nun nach seiner Wohnung und freue sich
mit -seinen 'Hausgenossen der glücklichen Erlösung. Jauchzet und trinkt
den Wein der Fröhlichkeit, denn dies ist der schönste Tag, den Ihr er¬
leben werdet. Die Bürger, die keinen Wein haben, mögen zur Halle
gehen, dort wird man an jeden Mann ein Maß austheilen"

Das fröhliche Rufen, das von allen Seiten sich wieder erhob, ver¬
hinderte den Zunftmeister in seiner Rede fortzufahren; er gab den um¬
stehenden Collegen ein Zeichen und ging mit ihnen nach der Steinstraße
zu. Die Schaaren öffneten sich ehrerbietig vor ihm, und überall bewill¬
kommnete ihn der fröhliche Zuruf, der Bürger.

Der freudige Tag verfloß ohneUnordnung und ohne Zwist, nur Ein Ge¬
fühl war in Aller Herzen, -- das Gefühl, welches die Seele eines Ge-


Haupt, und begann mit gefalteten Händen zu beten. Dekoninkö Ge¬
fühl verbreitete sich nach und nach unter-die Bürger. Zuerst weinten,
und schwiegen-diejenigen, welche um ihn standen; diese theilten die Be¬
wegung den Andern, mit, und so sanken alle Häupter, -eines nach den:
andern. Die Stimmen vergingen zuerst in der Mitte des -weiten Krei¬
ses und verminderten sich stets, bis die größte Stille unter die Schaaren ge¬
kommen War. 8000 Kniee berührten den noch blutigen Boden, 8000
Häupter demüthigem-sich vor dem Gott, der die Menschen zur Freiheit
geschaffen hat. Welche «Harmonie .mußte in diesem Augenblicke vor dem
Throne des Höchsten erklingen! Wie angenehm mußte ihm dieses Ge¬
bet! sein, - das -sich, als kaum hörbare Huldigung zu seinen Füßen erhob!

Dekonink stand nach kurzer Zeit von der Erde auf/ und während
die Stille noch fortdauerte, sprach er mit lauter Stimme, aufdaß Viele
ihn hören möchten: ,/Brüder! .'heute erhebt sich die Sonne in schönerem
Lichte vor uns/ die Lust ist sauber in unserer Stadt, und der Athem der
Fremdlinge verpestet sie nicht mehr^ Die trotzigen Wallonen haben ge¬
dacht/daß wir ihre Sclaven sein und bleiben sollten; doch haben sie nun
auf Kosten ihres Lebens gelernt, daß unser Löwe wohl schlafen, aller
nicht sterben tann. Wir haben das Erbtheil unsrer Väter errungen,
und die Fußtapfen der Fremdlinge mit Blut, ausgewischt; aber alle unsre
Feinde" sind nicht todt^ FranKeiH/wlk-bons- -noch mehr gewassnete Mieth-
linZe'senden, denn Blut fordert'Blut. '.-Das kümmert uns/Nichts, wir
sind ^nun unüberwindlich, nur müßt Ihr nach dem -errungenen' Siege
nicht Ausruhen-wollen: haltet Eure-Herzen'grcißsiiinig und tapfer/' und
laßt das edle Feuer, das'in diesem Augenblicke Euren Busen entflammt,
meh: verlöschen. Zeder gehe nun nach seiner Wohnung und freue sich
mit -seinen 'Hausgenossen der glücklichen Erlösung. Jauchzet und trinkt
den Wein der Fröhlichkeit, denn dies ist der schönste Tag, den Ihr er¬
leben werdet. Die Bürger, die keinen Wein haben, mögen zur Halle
gehen, dort wird man an jeden Mann ein Maß austheilen»

Das fröhliche Rufen, das von allen Seiten sich wieder erhob, ver¬
hinderte den Zunftmeister in seiner Rede fortzufahren; er gab den um¬
stehenden Collegen ein Zeichen und ging mit ihnen nach der Steinstraße
zu. Die Schaaren öffneten sich ehrerbietig vor ihm, und überall bewill¬
kommnete ihn der fröhliche Zuruf, der Bürger.

Der freudige Tag verfloß ohneUnordnung und ohne Zwist, nur Ein Ge¬
fühl war in Aller Herzen, — das Gefühl, welches die Seele eines Ge-


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[0447] Haupt, und begann mit gefalteten Händen zu beten. Dekoninkö Ge¬ fühl verbreitete sich nach und nach unter-die Bürger. Zuerst weinten, und schwiegen-diejenigen, welche um ihn standen; diese theilten die Be¬ wegung den Andern, mit, und so sanken alle Häupter, -eines nach den: andern. Die Stimmen vergingen zuerst in der Mitte des -weiten Krei¬ ses und verminderten sich stets, bis die größte Stille unter die Schaaren ge¬ kommen War. 8000 Kniee berührten den noch blutigen Boden, 8000 Häupter demüthigem-sich vor dem Gott, der die Menschen zur Freiheit geschaffen hat. Welche «Harmonie .mußte in diesem Augenblicke vor dem Throne des Höchsten erklingen! Wie angenehm mußte ihm dieses Ge¬ bet! sein, - das -sich, als kaum hörbare Huldigung zu seinen Füßen erhob! Dekonink stand nach kurzer Zeit von der Erde auf/ und während die Stille noch fortdauerte, sprach er mit lauter Stimme, aufdaß Viele ihn hören möchten: ,/Brüder! .'heute erhebt sich die Sonne in schönerem Lichte vor uns/ die Lust ist sauber in unserer Stadt, und der Athem der Fremdlinge verpestet sie nicht mehr^ Die trotzigen Wallonen haben ge¬ dacht/daß wir ihre Sclaven sein und bleiben sollten; doch haben sie nun auf Kosten ihres Lebens gelernt, daß unser Löwe wohl schlafen, aller nicht sterben tann. Wir haben das Erbtheil unsrer Väter errungen, und die Fußtapfen der Fremdlinge mit Blut, ausgewischt; aber alle unsre Feinde" sind nicht todt^ FranKeiH/wlk-bons- -noch mehr gewassnete Mieth- linZe'senden, denn Blut fordert'Blut. '.-Das kümmert uns/Nichts, wir sind ^nun unüberwindlich, nur müßt Ihr nach dem -errungenen' Siege nicht Ausruhen-wollen: haltet Eure-Herzen'grcißsiiinig und tapfer/' und laßt das edle Feuer, das'in diesem Augenblicke Euren Busen entflammt, meh: verlöschen. Zeder gehe nun nach seiner Wohnung und freue sich mit -seinen 'Hausgenossen der glücklichen Erlösung. Jauchzet und trinkt den Wein der Fröhlichkeit, denn dies ist der schönste Tag, den Ihr er¬ leben werdet. Die Bürger, die keinen Wein haben, mögen zur Halle gehen, dort wird man an jeden Mann ein Maß austheilen» Das fröhliche Rufen, das von allen Seiten sich wieder erhob, ver¬ hinderte den Zunftmeister in seiner Rede fortzufahren; er gab den um¬ stehenden Collegen ein Zeichen und ging mit ihnen nach der Steinstraße zu. Die Schaaren öffneten sich ehrerbietig vor ihm, und überall bewill¬ kommnete ihn der fröhliche Zuruf, der Bürger. Der freudige Tag verfloß ohneUnordnung und ohne Zwist, nur Ein Ge¬ fühl war in Aller Herzen, — das Gefühl, welches die Seele eines Ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/447>, abgerufen am 23.07.2024.