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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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einer der außerordentlichen Geister, die, mit Einsicht und Genie begabt,/
als Beherrscher ihrer Zeitgenossen zur Welt kommen. Sobald die Jahre
seine Fähigkeiten zur Reife gebracht hatten, rief er seine Brüder wach,
erklärte ihnen, die Macht der Einigkeit, und stand mit ihnen gegen die
Tyrannen auf. Diese wollten sich der Befreiung ihrer vormaligen Scla¬
ven widersetzen, aber es war ihnen unmöglich; Dekonink Hatte durch
seine Beredsamkeit die Herzen seiner Brüder so groß gemacht, daß sie
kein'Joch mehr tragen konnten. Wenn' sie ja einmal durch die' Waf¬
fen beMmgen, wurden, so "bogen sie gehorsam den Nacken und, dünn
stellte sich Dekonink zuweilen, als ob ihm die Sprache oder die Einsicht
ausgegangen wäre; aber dann schlief der Fuchs doch nicht, denn sobald,
er den Muth seiner Genossen in der Stille wieder gestählt hatte, war¬
fen sie sich sogleich gegen die Beherrscher auf und die Gemeinde machte
sich manches Mal aus ihren Banden frei. ' Alle politischen Entwürfe
der Edelleute gingen gegen Dekonink's Geist in Rauch auf, Und ohne
daß sie es hindern konnten, sahen sie sich durch ihn aller ihrer Rechte
beraubt. Mit Wahrheit kann man sagen, daß Dekonink einer der grö߬
ten Reformatoren der politischen Verhältnisse zwischen den Adligen und
dem Volke war; auch gingen alle Bestrebungen dieses berühmten Man¬
nes dahin, ein Volk groß zu machen, das so lange in der traurigen
Sclaverei dör Lehnsherren gelegen hatte." " ',...'".',,',,
'

Auch diesmal sägte er der Edeldame seinen Schutz nur ' unter der,
Bedingung zu, daß sie sich seinen Anordnungen fügen wolle. Dieser
Schutz wird noch verstärkt durch das Erscheinen Breidelö. Sobald die¬
ser erfahren hat, wer die herrliche Jungfrau ist, und daß sie Beschir¬
mung bedarf, kniet er vor ihr nieder, und in seiner eigenthümlichen
Ritterlichkeit ruft er aus: - > - >

' "Ich bittet ich flehe Euch ein, o edle Tochter des Löwen, daß Ihr
Euern Diener Breitet nicht vergessen möget, wenn Ihr jemals muthige
Männer nöthig habt. Die Fleischerzunft wird ihre Gutentags (Hel¬
lebarden) und Messer zu Euerm Dienste geschliffen Halten." ''

Breidcls Erscheinen in der Krankenstube hatte indessen eine gewich¬
tige Ursache. Er hatte den Zunftherrn der Wollenweber' überall ge¬
sucht, um ihm die Nachricht mitzutheilen,'daß ^König Philipp in eini¬
gen Tagen mit seiner Gemahlin Johanna feinen feierlichen ^Einz'ug hal¬
ten wolle. Sobald die beiden Bürger! allein sind, spricht Breitet:

- "Aber, Meister Peter, wäre es nicht besser> daß wir die Thore
schlössen, und Johanna nicht in'die "Stadt ließen? > Alle Mischer sind


einer der außerordentlichen Geister, die, mit Einsicht und Genie begabt,/
als Beherrscher ihrer Zeitgenossen zur Welt kommen. Sobald die Jahre
seine Fähigkeiten zur Reife gebracht hatten, rief er seine Brüder wach,
erklärte ihnen, die Macht der Einigkeit, und stand mit ihnen gegen die
Tyrannen auf. Diese wollten sich der Befreiung ihrer vormaligen Scla¬
ven widersetzen, aber es war ihnen unmöglich; Dekonink Hatte durch
seine Beredsamkeit die Herzen seiner Brüder so groß gemacht, daß sie
kein'Joch mehr tragen konnten. Wenn' sie ja einmal durch die' Waf¬
fen beMmgen, wurden, so "bogen sie gehorsam den Nacken und, dünn
stellte sich Dekonink zuweilen, als ob ihm die Sprache oder die Einsicht
ausgegangen wäre; aber dann schlief der Fuchs doch nicht, denn sobald,
er den Muth seiner Genossen in der Stille wieder gestählt hatte, war¬
fen sie sich sogleich gegen die Beherrscher auf und die Gemeinde machte
sich manches Mal aus ihren Banden frei. ' Alle politischen Entwürfe
der Edelleute gingen gegen Dekonink's Geist in Rauch auf, Und ohne
daß sie es hindern konnten, sahen sie sich durch ihn aller ihrer Rechte
beraubt. Mit Wahrheit kann man sagen, daß Dekonink einer der grö߬
ten Reformatoren der politischen Verhältnisse zwischen den Adligen und
dem Volke war; auch gingen alle Bestrebungen dieses berühmten Man¬
nes dahin, ein Volk groß zu machen, das so lange in der traurigen
Sclaverei dör Lehnsherren gelegen hatte." " ',...'„.',,',,
'

Auch diesmal sägte er der Edeldame seinen Schutz nur ' unter der,
Bedingung zu, daß sie sich seinen Anordnungen fügen wolle. Dieser
Schutz wird noch verstärkt durch das Erscheinen Breidelö. Sobald die¬
ser erfahren hat, wer die herrliche Jungfrau ist, und daß sie Beschir¬
mung bedarf, kniet er vor ihr nieder, und in seiner eigenthümlichen
Ritterlichkeit ruft er aus: - > - >

' „Ich bittet ich flehe Euch ein, o edle Tochter des Löwen, daß Ihr
Euern Diener Breitet nicht vergessen möget, wenn Ihr jemals muthige
Männer nöthig habt. Die Fleischerzunft wird ihre Gutentags (Hel¬
lebarden) und Messer zu Euerm Dienste geschliffen Halten." ''

Breidcls Erscheinen in der Krankenstube hatte indessen eine gewich¬
tige Ursache. Er hatte den Zunftherrn der Wollenweber' überall ge¬
sucht, um ihm die Nachricht mitzutheilen,'daß ^König Philipp in eini¬
gen Tagen mit seiner Gemahlin Johanna feinen feierlichen ^Einz'ug hal¬
ten wolle. Sobald die beiden Bürger! allein sind, spricht Breitet:

- "Aber, Meister Peter, wäre es nicht besser> daß wir die Thore
schlössen, und Johanna nicht in'die «Stadt ließen? > Alle Mischer sind


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[0440] einer der außerordentlichen Geister, die, mit Einsicht und Genie begabt,/ als Beherrscher ihrer Zeitgenossen zur Welt kommen. Sobald die Jahre seine Fähigkeiten zur Reife gebracht hatten, rief er seine Brüder wach, erklärte ihnen, die Macht der Einigkeit, und stand mit ihnen gegen die Tyrannen auf. Diese wollten sich der Befreiung ihrer vormaligen Scla¬ ven widersetzen, aber es war ihnen unmöglich; Dekonink Hatte durch seine Beredsamkeit die Herzen seiner Brüder so groß gemacht, daß sie kein'Joch mehr tragen konnten. Wenn' sie ja einmal durch die' Waf¬ fen beMmgen, wurden, so "bogen sie gehorsam den Nacken und, dünn stellte sich Dekonink zuweilen, als ob ihm die Sprache oder die Einsicht ausgegangen wäre; aber dann schlief der Fuchs doch nicht, denn sobald, er den Muth seiner Genossen in der Stille wieder gestählt hatte, war¬ fen sie sich sogleich gegen die Beherrscher auf und die Gemeinde machte sich manches Mal aus ihren Banden frei. ' Alle politischen Entwürfe der Edelleute gingen gegen Dekonink's Geist in Rauch auf, Und ohne daß sie es hindern konnten, sahen sie sich durch ihn aller ihrer Rechte beraubt. Mit Wahrheit kann man sagen, daß Dekonink einer der grö߬ ten Reformatoren der politischen Verhältnisse zwischen den Adligen und dem Volke war; auch gingen alle Bestrebungen dieses berühmten Man¬ nes dahin, ein Volk groß zu machen, das so lange in der traurigen Sclaverei dör Lehnsherren gelegen hatte." " ',...'„.',,',, ' Auch diesmal sägte er der Edeldame seinen Schutz nur ' unter der, Bedingung zu, daß sie sich seinen Anordnungen fügen wolle. Dieser Schutz wird noch verstärkt durch das Erscheinen Breidelö. Sobald die¬ ser erfahren hat, wer die herrliche Jungfrau ist, und daß sie Beschir¬ mung bedarf, kniet er vor ihr nieder, und in seiner eigenthümlichen Ritterlichkeit ruft er aus: - > - > ' „Ich bittet ich flehe Euch ein, o edle Tochter des Löwen, daß Ihr Euern Diener Breitet nicht vergessen möget, wenn Ihr jemals muthige Männer nöthig habt. Die Fleischerzunft wird ihre Gutentags (Hel¬ lebarden) und Messer zu Euerm Dienste geschliffen Halten." '' Breidcls Erscheinen in der Krankenstube hatte indessen eine gewich¬ tige Ursache. Er hatte den Zunftherrn der Wollenweber' überall ge¬ sucht, um ihm die Nachricht mitzutheilen,'daß ^König Philipp in eini¬ gen Tagen mit seiner Gemahlin Johanna feinen feierlichen ^Einz'ug hal¬ ten wolle. Sobald die beiden Bürger! allein sind, spricht Breitet: - "Aber, Meister Peter, wäre es nicht besser> daß wir die Thore schlössen, und Johanna nicht in'die «Stadt ließen? > Alle Mischer sind

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/440>, abgerufen am 23.07.2024.