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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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stand, der allerdings,,für, die Kunst von Gewicht ist; denn hätte Herr
Gilbert (so heißt.dex Maler) die Verachtung der Historischen Wahrheit
soweit getrieben, daß er der//Biene/, ebenfalls ^zweiunddreißigpfündige
Feuerschlünde zugetheilt, so ist es ja klar, daß Niemand, der sein Va¬
terland wahrhaft liebt, auf das Bild nur noch ein Auge hätte werfen
mögen. Nach Gudin müssen wir Eugene Jsabey's Erwähnung thun.
Seine Ansicht von Dieppe ist des Ruhmes würdig, den dieser Maler
genießt., Eugen Jsabey hat es unternommen, die letzte große Expedition
nach Se. .Helena auf die Leinwand zu bringen. Er hat den Moment
gewählt, wo der Sarg des Kaisers an Bord der Fregatte getragen wird,
die ihn nach Frankreich führen soll. Der Traueraufzug, den diese Hand¬
lung erfordert, stimmt nicht recht zu Jsabeys glänzender und lebhafter
Manier. Ein schwarz angestrichenes Schiff mit weißen Stückpforten,
die Boote überhangen mit weiten Trauertüchern, die Geschütze, die man
abfeuert, und deren grauer Dampf den Himmel überzieht, dies Alles ließ
eben kein ansprechendes Gemälde erwarten. Auch hat der Maler nichts
weiter als eine officielle Festhandlung hervorgebracht, welche in dem
Gemüthe des. Betrachtenden das Gefühl der Größe, das sie erwecken
sollte, nicht zurückläßt.

Kehren wir indessen in den , großen Saal zurück. Nächst Gudin,
dem Marinemaler, muß Brascalsat, der Thiermaler, genannt
werden. Das bedeutendste, Stück, welches er dieses Jahr geliefert, hat
uns auf's Neue in der Bewunderung für sein Talent bestärkt. Es
stellt einen Ochsen und eine Kuh dar, nebst etlichen Schneisen im Mit¬
telgrunde, die auf einem unabsehlichen Anger weiden. Brascassat's
Manier erinnert an die holländische Schule, jedoch ohne daß sie dadurch
an Originalität verliert.

, Unter den Landschaften sind zwei bemerkenswert!), beide Ansichten
aus der Schweiz. Die eine: ,/Erinnerung an den Bricnzcr See," ist
von Diday aus Genf; ein hinreißendes Bild, voll Glanz und Schim¬
mer, das uns die Klarheit der Seeen und das ferne Leuchten der Glet¬
scher an einem heißen Julitage vergegenwärtigt. Es ist wahrlich Schade,
daß läppische Figuren badender Weiber aus der komischen Oper so ganz
zur Unzeit den Vordergrund dieser schönen Landschaft einnehmen. Wir
sind geneigt zu glauben, daß Herr Diday nicht der Urheber dieser Staf¬
fage ist, und daß er aus Bescheidenheit sich sein Bild hat verderben
lassen, als ob die Natur der Gegenwart des Menschen bedürfte, um
zu den Augen und zu dem, Herzen zu sprechen.' Wir beeifern uns um


stand, der allerdings,,für, die Kunst von Gewicht ist; denn hätte Herr
Gilbert (so heißt.dex Maler) die Verachtung der Historischen Wahrheit
soweit getrieben, daß er der//Biene/, ebenfalls ^zweiunddreißigpfündige
Feuerschlünde zugetheilt, so ist es ja klar, daß Niemand, der sein Va¬
terland wahrhaft liebt, auf das Bild nur noch ein Auge hätte werfen
mögen. Nach Gudin müssen wir Eugene Jsabey's Erwähnung thun.
Seine Ansicht von Dieppe ist des Ruhmes würdig, den dieser Maler
genießt., Eugen Jsabey hat es unternommen, die letzte große Expedition
nach Se. .Helena auf die Leinwand zu bringen. Er hat den Moment
gewählt, wo der Sarg des Kaisers an Bord der Fregatte getragen wird,
die ihn nach Frankreich führen soll. Der Traueraufzug, den diese Hand¬
lung erfordert, stimmt nicht recht zu Jsabeys glänzender und lebhafter
Manier. Ein schwarz angestrichenes Schiff mit weißen Stückpforten,
die Boote überhangen mit weiten Trauertüchern, die Geschütze, die man
abfeuert, und deren grauer Dampf den Himmel überzieht, dies Alles ließ
eben kein ansprechendes Gemälde erwarten. Auch hat der Maler nichts
weiter als eine officielle Festhandlung hervorgebracht, welche in dem
Gemüthe des. Betrachtenden das Gefühl der Größe, das sie erwecken
sollte, nicht zurückläßt.

Kehren wir indessen in den , großen Saal zurück. Nächst Gudin,
dem Marinemaler, muß Brascalsat, der Thiermaler, genannt
werden. Das bedeutendste, Stück, welches er dieses Jahr geliefert, hat
uns auf's Neue in der Bewunderung für sein Talent bestärkt. Es
stellt einen Ochsen und eine Kuh dar, nebst etlichen Schneisen im Mit¬
telgrunde, die auf einem unabsehlichen Anger weiden. Brascassat's
Manier erinnert an die holländische Schule, jedoch ohne daß sie dadurch
an Originalität verliert.

, Unter den Landschaften sind zwei bemerkenswert!), beide Ansichten
aus der Schweiz. Die eine: ,/Erinnerung an den Bricnzcr See," ist
von Diday aus Genf; ein hinreißendes Bild, voll Glanz und Schim¬
mer, das uns die Klarheit der Seeen und das ferne Leuchten der Glet¬
scher an einem heißen Julitage vergegenwärtigt. Es ist wahrlich Schade,
daß läppische Figuren badender Weiber aus der komischen Oper so ganz
zur Unzeit den Vordergrund dieser schönen Landschaft einnehmen. Wir
sind geneigt zu glauben, daß Herr Diday nicht der Urheber dieser Staf¬
fage ist, und daß er aus Bescheidenheit sich sein Bild hat verderben
lassen, als ob die Natur der Gegenwart des Menschen bedürfte, um
zu den Augen und zu dem, Herzen zu sprechen.' Wir beeifern uns um


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/412>, abgerufen am 24.07.2024.