Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.- ' Es ist allbekannt, daß in den Verhandlungen mancher heutigen, Doch es ist Zeit, noch einen Blick auf das Fichte'sche Werk zu - ' Es ist allbekannt, daß in den Verhandlungen mancher heutigen, Doch es ist Zeit, noch einen Blick auf das Fichte'sche Werk zu <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0385" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/267598"/> <p xml:id="ID_1387"> - ' Es ist allbekannt, daß in den Verhandlungen mancher heutigen,<lb/> von Hegel ausgegangenen, Schulen die von Herrn Fichte hervorge¬<lb/> hobenen Begriffe bis auf die. letzte'Spur ausgetilgt...sind.;^ viele Descen¬<lb/> denten des, sogenannten modernen Aristoteles bekennen sich wieder laut<lb/> zur altorientalischen aus dem Nichts und in das Nichts hinein proccssi-<lb/> renden Abstraktion. Der Streit über die Persönlichkeit Gottes, über Un¬<lb/> sterblichkeit und ähnliche Debatten sichern allerdings jenen Schulfmctio-<lb/> nen eine wahrhaft scholastische Fortdauer. Doch mag man sich billig<lb/> darüber verwundern, daß inmitten des deutschen, sonst nicht zu blasser<lb/> Abstraktion geneigten Volks eine Lehrweise sich verbreiten konnte, welche<lb/> das -.einfachste Selbstbewußtsein und die elementarsten Kategorien der<lb/> Metaphysik über den Haufen wirft. Sollte es einem Vertrauten echter<lb/> Philosophie noch einmal belieben, jene Schulen an Haupt und Gliedern<lb/> zu mustern und zu richten, so möge er sich der einfachsten Waffen, weil<lb/> sie ausreichend sind, bedienen; er halte der Scenerie und dem militäri¬<lb/> schen Aufzuge ihrer Theorien und Redensarten immer die unerbittliche<lb/> Frage nach: Sinn , oder Unsinn, entgegen; denn vor dem unbefangnen<lb/> Gedanken, der zu königlich ist, um einer Innung anzugehören/ und zu<lb/> sehr der Sache getreu, um den Ritus und den Dienst des Zeichens zu<lb/> dulden, vor der bloßen Frage nach der Denkbarkeit müssen alle die Gebilde<lb/> eines überwachten Speculirens zerstieben, welche wir so lant und stürmisch,<lb/> als allerbewährteste »c- xlus ultra! Weisheit, in's Feld ziehen sehn..</p><lb/> <p xml:id="ID_1388" next="#ID_1389"> Doch es ist Zeit, noch einen Blick auf das Fichte'sche Werk zu<lb/> werfen. — Man stimmt darin überein, den Anfang der .neuern. Philo¬<lb/> sophie mit Kant zu setzen, in welchem seine Nachfolger sämmtlich wur¬<lb/> zeln. Kant, indem er des allgemeine Problem der Philosophie scharf<lb/> beleuchtete, drängte die philosvphirende. Vernunft, durch die Strenge und<lb/> Aufrichtigkeit seiner Analyse, zu einem äußersten Aufgebot aller Kräfte.<lb/> So steht er, gleich den großen Philosophen des Alterthums, allen Par¬<lb/> teien ehrwürdig da. Wenn man seinem Gedankengange folgt, kann man<lb/> sich, der Verwunderung nicht erwehren, daß dieser Forscher die Idee der<lb/> Metaphysik so klar einsah und so dicht daran streifte, ohne sie doch voll¬<lb/> ziehen zu können. Von Kälte an läßt sich Herr Fichte in eine aus¬<lb/> führliche Darstellung ein, indeß die beiden vorkantischen Jahrhunderte<lb/> nur in Beziehung auf Jenen behandelt werden. Ich muß mich darauf<lb/> beschränken, nur den Inhalt der einzelnen Hauptabschnitte anzugeben.<lb/> Das erste Buch hebt mit Locke an, der nebst Leibnitz, Berkeley,<lb/> H um e, Wol ff u. A. „die auf Kant vorbereitende Epoche" bildet. Das</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0385]
- ' Es ist allbekannt, daß in den Verhandlungen mancher heutigen,
von Hegel ausgegangenen, Schulen die von Herrn Fichte hervorge¬
hobenen Begriffe bis auf die. letzte'Spur ausgetilgt...sind.;^ viele Descen¬
denten des, sogenannten modernen Aristoteles bekennen sich wieder laut
zur altorientalischen aus dem Nichts und in das Nichts hinein proccssi-
renden Abstraktion. Der Streit über die Persönlichkeit Gottes, über Un¬
sterblichkeit und ähnliche Debatten sichern allerdings jenen Schulfmctio-
nen eine wahrhaft scholastische Fortdauer. Doch mag man sich billig
darüber verwundern, daß inmitten des deutschen, sonst nicht zu blasser
Abstraktion geneigten Volks eine Lehrweise sich verbreiten konnte, welche
das -.einfachste Selbstbewußtsein und die elementarsten Kategorien der
Metaphysik über den Haufen wirft. Sollte es einem Vertrauten echter
Philosophie noch einmal belieben, jene Schulen an Haupt und Gliedern
zu mustern und zu richten, so möge er sich der einfachsten Waffen, weil
sie ausreichend sind, bedienen; er halte der Scenerie und dem militäri¬
schen Aufzuge ihrer Theorien und Redensarten immer die unerbittliche
Frage nach: Sinn , oder Unsinn, entgegen; denn vor dem unbefangnen
Gedanken, der zu königlich ist, um einer Innung anzugehören/ und zu
sehr der Sache getreu, um den Ritus und den Dienst des Zeichens zu
dulden, vor der bloßen Frage nach der Denkbarkeit müssen alle die Gebilde
eines überwachten Speculirens zerstieben, welche wir so lant und stürmisch,
als allerbewährteste »c- xlus ultra! Weisheit, in's Feld ziehen sehn..
Doch es ist Zeit, noch einen Blick auf das Fichte'sche Werk zu
werfen. — Man stimmt darin überein, den Anfang der .neuern. Philo¬
sophie mit Kant zu setzen, in welchem seine Nachfolger sämmtlich wur¬
zeln. Kant, indem er des allgemeine Problem der Philosophie scharf
beleuchtete, drängte die philosvphirende. Vernunft, durch die Strenge und
Aufrichtigkeit seiner Analyse, zu einem äußersten Aufgebot aller Kräfte.
So steht er, gleich den großen Philosophen des Alterthums, allen Par¬
teien ehrwürdig da. Wenn man seinem Gedankengange folgt, kann man
sich, der Verwunderung nicht erwehren, daß dieser Forscher die Idee der
Metaphysik so klar einsah und so dicht daran streifte, ohne sie doch voll¬
ziehen zu können. Von Kälte an läßt sich Herr Fichte in eine aus¬
führliche Darstellung ein, indeß die beiden vorkantischen Jahrhunderte
nur in Beziehung auf Jenen behandelt werden. Ich muß mich darauf
beschränken, nur den Inhalt der einzelnen Hauptabschnitte anzugeben.
Das erste Buch hebt mit Locke an, der nebst Leibnitz, Berkeley,
H um e, Wol ff u. A. „die auf Kant vorbereitende Epoche" bildet. Das
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