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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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im, Freiheit der wirkenden Kräfte und Personen" Herr Fichte dringt
mit Recht darauf, daß man die'Geschichte nicht als einestarr nothwen¬
dige Consequenz allgemeiner Gesetze des Geistes betrachte,-daß man her
Macht der 'Individualität '-- dem Urquell aW Lebens- ^- ihren Raum
gestatte, .daß man, nicht durch plumpe Übertragung abstrakter', Grund¬
sätze die Erscheinung in' ihrem freien Werden und Bestehen störe und
ihre eigne und innerste Natur in die Idee verflüchtigend' aufgehen lasset
Das Wirkliche, die That und Begebenheit, ist immer ein' Bestimmtes
und Einzelnstes, welches für sich memals der Idee ganz adäquat),aber
auch niemals außer der, Idee ist". Den Anhängern speculativer Schulen
begegnet es so leicht, daß sie in der Geschichte und nicht minder in der
Kmist.weiter nichts als eine Selbstspiegelung' ihrer formalen Lehrsätze
finden. Von dieser Manier,, wie täuschend sie auch den ,Schein wissen¬
schaftlicher Gründlichkit um sich hängt/ giebt es gar/keinen Uebergang
zu der gesunden Betrachtung der wirklichen Dinge, denn, sie läugnet das
eigeMliche Sein und Wesen derselben weg;, gespenstisch'stürmt sie in die
WM der Wachenden,, bei denen doch' ihre Zauberformeln.nicht ^ mehr'
anWagen. , , - - ' -,.....,'---,-

,/ - In dem. Fichteschen,, Geschichtswerke können, wir beständig der ge-
sctzmäßigenWewegung , der ^Philosophie im Ganzen nachfolgen, ohne dar¬
über, den. individuellen Charakter , der Denker'aus dem Auge, zu verlie¬
ren; vielmehr ist es grade dieser> was sich, immer kenntlicher und freier
aus dem allgemeinen Leben Herausarbeitet. Zugleich erblicken wir den
ununterbrochenen Faden, der System an System reihet, wir beobachten
deutlich, wie ein Prineip sich aus dem andern hervordrängt, wie das
frühere System dem folgenden die Bahn bereitet, und, obgleich auf sei¬
nem Standpunkte wurzelnd, schon dem nach ihm kommenden die Hand
entgegenstreckt, und wie es, indem es in sich selber inconseaueut zu wer¬
den droht, zugleich die näcMünftige Richtung des p'hilvsophirenden Gei¬
stes ,/prophetisch" durchblicken läßt.. Denn die Anlage zur Jnconfecmmz,
der Keim zur Auflösung, den man, in jedem beschränkten Systeme wird
aufweisen können, ist der Ausgangspunkt für eine neue, und, in auf¬
steigenden Bildungsperioden, für eine höhere Wahrheit, welche von die¬
ser Stelle aus die engenden Formen durchbricht, um die Theilendes
Systems sich zerstreuen, , partieuweis ausleben und. allmälig in-andere
Kreise übergehen zu lassen. Herr Fichte hat aufs Gründlichste darge-
t'han, wie gegenwärtig die hegelianischen Parteien sich in einem solchen
innersten Conflict befinden, namentlich in Bezug auf rationale Theolo-


im, Freiheit der wirkenden Kräfte und Personen» Herr Fichte dringt
mit Recht darauf, daß man die'Geschichte nicht als einestarr nothwen¬
dige Consequenz allgemeiner Gesetze des Geistes betrachte,-daß man her
Macht der 'Individualität '— dem Urquell aW Lebens- ^- ihren Raum
gestatte, .daß man, nicht durch plumpe Übertragung abstrakter', Grund¬
sätze die Erscheinung in' ihrem freien Werden und Bestehen störe und
ihre eigne und innerste Natur in die Idee verflüchtigend' aufgehen lasset
Das Wirkliche, die That und Begebenheit, ist immer ein' Bestimmtes
und Einzelnstes, welches für sich memals der Idee ganz adäquat),aber
auch niemals außer der, Idee ist». Den Anhängern speculativer Schulen
begegnet es so leicht, daß sie in der Geschichte und nicht minder in der
Kmist.weiter nichts als eine Selbstspiegelung' ihrer formalen Lehrsätze
finden. Von dieser Manier,, wie täuschend sie auch den ,Schein wissen¬
schaftlicher Gründlichkit um sich hängt/ giebt es gar/keinen Uebergang
zu der gesunden Betrachtung der wirklichen Dinge, denn, sie läugnet das
eigeMliche Sein und Wesen derselben weg;, gespenstisch'stürmt sie in die
WM der Wachenden,, bei denen doch' ihre Zauberformeln.nicht ^ mehr'
anWagen. , , - - ' -,.....,'---,-

,/ - In dem. Fichteschen,, Geschichtswerke können, wir beständig der ge-
sctzmäßigenWewegung , der ^Philosophie im Ganzen nachfolgen, ohne dar¬
über, den. individuellen Charakter , der Denker'aus dem Auge, zu verlie¬
ren; vielmehr ist es grade dieser> was sich, immer kenntlicher und freier
aus dem allgemeinen Leben Herausarbeitet. Zugleich erblicken wir den
ununterbrochenen Faden, der System an System reihet, wir beobachten
deutlich, wie ein Prineip sich aus dem andern hervordrängt, wie das
frühere System dem folgenden die Bahn bereitet, und, obgleich auf sei¬
nem Standpunkte wurzelnd, schon dem nach ihm kommenden die Hand
entgegenstreckt, und wie es, indem es in sich selber inconseaueut zu wer¬
den droht, zugleich die näcMünftige Richtung des p'hilvsophirenden Gei¬
stes ,/prophetisch" durchblicken läßt.. Denn die Anlage zur Jnconfecmmz,
der Keim zur Auflösung, den man, in jedem beschränkten Systeme wird
aufweisen können, ist der Ausgangspunkt für eine neue, und, in auf¬
steigenden Bildungsperioden, für eine höhere Wahrheit, welche von die¬
ser Stelle aus die engenden Formen durchbricht, um die Theilendes
Systems sich zerstreuen, , partieuweis ausleben und. allmälig in-andere
Kreise übergehen zu lassen. Herr Fichte hat aufs Gründlichste darge-
t'han, wie gegenwärtig die hegelianischen Parteien sich in einem solchen
innersten Conflict befinden, namentlich in Bezug auf rationale Theolo-


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[0382] im, Freiheit der wirkenden Kräfte und Personen» Herr Fichte dringt mit Recht darauf, daß man die'Geschichte nicht als einestarr nothwen¬ dige Consequenz allgemeiner Gesetze des Geistes betrachte,-daß man her Macht der 'Individualität '— dem Urquell aW Lebens- ^- ihren Raum gestatte, .daß man, nicht durch plumpe Übertragung abstrakter', Grund¬ sätze die Erscheinung in' ihrem freien Werden und Bestehen störe und ihre eigne und innerste Natur in die Idee verflüchtigend' aufgehen lasset Das Wirkliche, die That und Begebenheit, ist immer ein' Bestimmtes und Einzelnstes, welches für sich memals der Idee ganz adäquat),aber auch niemals außer der, Idee ist». Den Anhängern speculativer Schulen begegnet es so leicht, daß sie in der Geschichte und nicht minder in der Kmist.weiter nichts als eine Selbstspiegelung' ihrer formalen Lehrsätze finden. Von dieser Manier,, wie täuschend sie auch den ,Schein wissen¬ schaftlicher Gründlichkit um sich hängt/ giebt es gar/keinen Uebergang zu der gesunden Betrachtung der wirklichen Dinge, denn, sie läugnet das eigeMliche Sein und Wesen derselben weg;, gespenstisch'stürmt sie in die WM der Wachenden,, bei denen doch' ihre Zauberformeln.nicht ^ mehr' anWagen. , , - - ' -,.....,'---,- ,/ - In dem. Fichteschen,, Geschichtswerke können, wir beständig der ge- sctzmäßigenWewegung , der ^Philosophie im Ganzen nachfolgen, ohne dar¬ über, den. individuellen Charakter , der Denker'aus dem Auge, zu verlie¬ ren; vielmehr ist es grade dieser> was sich, immer kenntlicher und freier aus dem allgemeinen Leben Herausarbeitet. Zugleich erblicken wir den ununterbrochenen Faden, der System an System reihet, wir beobachten deutlich, wie ein Prineip sich aus dem andern hervordrängt, wie das frühere System dem folgenden die Bahn bereitet, und, obgleich auf sei¬ nem Standpunkte wurzelnd, schon dem nach ihm kommenden die Hand entgegenstreckt, und wie es, indem es in sich selber inconseaueut zu wer¬ den droht, zugleich die näcMünftige Richtung des p'hilvsophirenden Gei¬ stes ,/prophetisch" durchblicken läßt.. Denn die Anlage zur Jnconfecmmz, der Keim zur Auflösung, den man, in jedem beschränkten Systeme wird aufweisen können, ist der Ausgangspunkt für eine neue, und, in auf¬ steigenden Bildungsperioden, für eine höhere Wahrheit, welche von die¬ ser Stelle aus die engenden Formen durchbricht, um die Theilendes Systems sich zerstreuen, , partieuweis ausleben und. allmälig in-andere Kreise übergehen zu lassen. Herr Fichte hat aufs Gründlichste darge- t'han, wie gegenwärtig die hegelianischen Parteien sich in einem solchen innersten Conflict befinden, namentlich in Bezug auf rationale Theolo-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/382>, abgerufen am 23.07.2024.