Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.DaS sind nicht 'mehr besoldete oder gemiethete 'Ruderer; das sind Man-- Erfüllt die Luft Mit Harmoniern, Die hold sich ziehen. Wie Blumenduft, und überall schaukelt der Abendwind die Laternen von rothem und grü¬ Diese, wie ein Traum phantastische Promenade war DaS sind nicht 'mehr besoldete oder gemiethete 'Ruderer; das sind Man-- Erfüllt die Luft Mit Harmoniern, Die hold sich ziehen. Wie Blumenduft, und überall schaukelt der Abendwind die Laternen von rothem und grü¬ Diese, wie ein Traum phantastische Promenade war <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0346" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/267559"/> <p xml:id="ID_1318" prev="#ID_1317"> DaS sind nicht 'mehr besoldete oder gemiethete 'Ruderer; das sind Man--<lb/> ner, die sich ergötzen, Ringer, die das Spiel erhitzt, und man muß sie<lb/> hören, wie sie von einer Gondel zur andern Witzworte, Spöttereien,<lb/> nie Beleidigungen austauschen, wenn eine von ihnen glücklicher als die<lb/> andere die entscheidende Linie der Krümmung durchschnitten hat. Und<lb/> base ist noch nicht Alles; an den Ufern ist die Menge nicht minder groß,<lb/> da trinkt man, da tanzt man, da springt man, wie nur italienische Beine<lb/> springen können, und nicht der Schatten vom Hute eines Gendarmen,<lb/> um diese Heiterkeit in Schranken zu halten. Auf der Lagune selbst ha¬<lb/> ben andre dem Lärm abgeneigte Gesellschaften ihre Gondeln fcstgeankert<lb/> an den alten grün gewordenen Pfählen, die unabsehbar hin ihre mit<lb/> Muscheln umgebenen Spitzen erheben; das sind Philosophen, die sich<lb/> von der Welt zurückgezogen; sie lassen das Geräusch vnd die Ermü¬<lb/> dung und die etwas hohle Coquetterie der tollen Jugend; sie sind gesetzter,<lb/> haben „die Anker im Ocean der Jahre// geworfen; sie haben ausdem<lb/> unbeweglichen Boden ihrer Barken ihren Tisch aufgeschlagen; sie essen!<lb/> im Angesicht des todten Venedigs, im Angesicht Hadria's, der Wittwe<lb/> Venedigs, die beide unter dem Purpur- und goldstrahlenden Feuer er-<lb/> röthen, mit dem Sieber untergehende Sonnenball übergießt!- Der Krei¬<lb/> sel'der Menge bewegt sich ein Wenig weiter hin und geht blendend an<lb/> ihnen vorbei,', wie eine höllische Runde. Sie aber soupiren ruhig; sie<lb/> leeren ihre Gläser voll des guten Weins der Terra firma; sie brin-'<lb/> gen Gesundheiten aus; sie trinken auf ihre Liebe, mit den Ellbogen auf<lb/> den Tisch gestützt, den ein Windstoß verschleudern könnte. Um ihre sü¬<lb/> ßen Empfindungen zu vervollständigen girrt indeß ein hübsches Fischer¬<lb/> kind eine zärtliche Romanze den Lagunen; ein verborgenes Orchester,<lb/> da unten/ in einer mit Laub bedeckten Gondel:</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_6" type="poem"> <l> Erfüllt die Luft<lb/> Mit Harmoniern,<lb/> Die hold sich ziehen.<lb/> Wie Blumenduft,</l> </lg><lb/> <p xml:id="ID_1319"> und überall schaukelt der Abendwind die Laternen von rothem und grü¬<lb/> nem Papier, deren Lichter unstät von dem immer düstrem Wasserspiegel<lb/> rückstrahlen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1320" next="#ID_1321"> Diese, wie ein Traum phantastische Promenade war<lb/> der einzige Ort, wo ich Venedigs Frauen schauen konnte. Die übrige<lb/> Zeit sind sie unsichtbar hinter den Vorhängen ihrer Fenster oder in den</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0346]
DaS sind nicht 'mehr besoldete oder gemiethete 'Ruderer; das sind Man--
ner, die sich ergötzen, Ringer, die das Spiel erhitzt, und man muß sie
hören, wie sie von einer Gondel zur andern Witzworte, Spöttereien,
nie Beleidigungen austauschen, wenn eine von ihnen glücklicher als die
andere die entscheidende Linie der Krümmung durchschnitten hat. Und
base ist noch nicht Alles; an den Ufern ist die Menge nicht minder groß,
da trinkt man, da tanzt man, da springt man, wie nur italienische Beine
springen können, und nicht der Schatten vom Hute eines Gendarmen,
um diese Heiterkeit in Schranken zu halten. Auf der Lagune selbst ha¬
ben andre dem Lärm abgeneigte Gesellschaften ihre Gondeln fcstgeankert
an den alten grün gewordenen Pfählen, die unabsehbar hin ihre mit
Muscheln umgebenen Spitzen erheben; das sind Philosophen, die sich
von der Welt zurückgezogen; sie lassen das Geräusch vnd die Ermü¬
dung und die etwas hohle Coquetterie der tollen Jugend; sie sind gesetzter,
haben „die Anker im Ocean der Jahre// geworfen; sie haben ausdem
unbeweglichen Boden ihrer Barken ihren Tisch aufgeschlagen; sie essen!
im Angesicht des todten Venedigs, im Angesicht Hadria's, der Wittwe
Venedigs, die beide unter dem Purpur- und goldstrahlenden Feuer er-
röthen, mit dem Sieber untergehende Sonnenball übergießt!- Der Krei¬
sel'der Menge bewegt sich ein Wenig weiter hin und geht blendend an
ihnen vorbei,', wie eine höllische Runde. Sie aber soupiren ruhig; sie
leeren ihre Gläser voll des guten Weins der Terra firma; sie brin-'
gen Gesundheiten aus; sie trinken auf ihre Liebe, mit den Ellbogen auf
den Tisch gestützt, den ein Windstoß verschleudern könnte. Um ihre sü¬
ßen Empfindungen zu vervollständigen girrt indeß ein hübsches Fischer¬
kind eine zärtliche Romanze den Lagunen; ein verborgenes Orchester,
da unten/ in einer mit Laub bedeckten Gondel:
Erfüllt die Luft
Mit Harmoniern,
Die hold sich ziehen.
Wie Blumenduft,
und überall schaukelt der Abendwind die Laternen von rothem und grü¬
nem Papier, deren Lichter unstät von dem immer düstrem Wasserspiegel
rückstrahlen.
Diese, wie ein Traum phantastische Promenade war
der einzige Ort, wo ich Venedigs Frauen schauen konnte. Die übrige
Zeit sind sie unsichtbar hinter den Vorhängen ihrer Fenster oder in den
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