Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.könne / seitdem hat die öffentliche Meinung eine außerordentliche Denn die Zeit ist eine gewaltige Socialistin; sie führt die regel¬ könne / seitdem hat die öffentliche Meinung eine außerordentliche Denn die Zeit ist eine gewaltige Socialistin; sie führt die regel¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0237" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/267451"/> <p xml:id="ID_999" prev="#ID_998"> könne / seitdem hat die öffentliche Meinung eine außerordentliche<lb/> Furcht vor jeder heftigen Crisis, die dieses traurige Resultat herbeifüh¬<lb/> ren könnte/ Denn andrerseits täuscht sich die öffentliche Meinung nicht<lb/> darüber, daß die revolutionären Geister unfähig sind, die Gesellschaft<lb/> neu zu gestalten; und darin ruht die Stärke der bestehenden Regierung,<lb/> deren beste Hülfstruppen eben die socialen Parteien sind, deren eigent¬<lb/> licher Charakter durch die politischen Plänkler kaum noch verhüllt wird.<lb/> Das kommunistische Glaubensbekenntniß hat der Sache der Monarchie<lb/> mehr Dienste geleistet als alle noch so beredten Anklagen seiner General-<lb/> Anwälte. Die Verbindung der Legitimität mit dem demokratischen Prin¬<lb/> cip muß die letzte Hoffnung der harrenden Restauration vernichten. So<lb/> zeigt es sich, daß die Vorsehung die Völker nie verläßt; wenn sie auf<lb/> der jähen, abschüssigen Bahn ihren Glauben, ihre Illusionen, ihre<lb/> Kraft, eines nach dem andern, verloren haben, — da läßt sie ihnen<lb/> den Jnstinct der Selbsterhaltung, der ihre Willensfreiheit stützt, bis<lb/> das Land der Verheißung endlich ihren Augen sichtbar wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_1000" next="#ID_1001"> Denn die Zeit ist eine gewaltige Socialistin; sie führt die regel¬<lb/> mäßige Wiederkehr jener säcularischen Jahreszeiten herbei, welche aus<lb/> ihren Keimen die Ideen zur Blüthe, und nach und nach zur Reife brin¬<lb/> gen, bis sie auf dem mystischen Baume der Wissenschaft ganze Büschel<lb/> trefflicher Früchte bilden. Alle großen Philosophen haben die Gegen¬<lb/> wart so genommen, wie sie sie gefunden, und haben sich die Zukunft<lb/> vorbehalten. Denn ihr Vertrauen auf die Nichtigkeit ihres Gedankens<lb/> ist so groß, daß sie weiter nichts verlangen, als daß die Menge das<lb/> Dogma, das sie aufgefunden, kennen lerne; der Triumph desselben ist<lb/> die Sache der Zeit, und sie zweifeln gar nicht daran, daß diese letztere<lb/> ihnen einmal Recht geben wird. Man muß gestehen, es liegt eine ge¬<lb/> wisse Großartigkeit in dieser Sicherheit der Utopisten, und die tiefe<lb/> Verachtung, die sie gegen die größten Männer und die edelsten Ideen<lb/> ihrer Epoche hegen. Se. Simon und Fourier, deren jeder seinerseits sich<lb/> die Herrschaft über die Welt und den Besitz der Zukunft aneignete,<lb/> scheinen fast erhaben, wenn wir sie von ihrer ärmlichen Dachstube aus<lb/> auf jenen Koloß von Macht und Willen, vor dem das Weltall zitterte,<lb/> undAder doch in ihren Augen nur ein Zwerg war, Blicke wohlwollen¬<lb/> den Mitleids werfen sehen; wenn sie in ihrem Elend sich größer dün¬<lb/> ken, als Napoleon auf dem Gipfel seines Ruhmes. Denn in diesen:<lb/> Stolze liegt eine Überlegenheit des Geistes über die Materie, der Idee<lb/> über das Factum. Aber weder diese Philosophen, noch auch die nach</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0237]
könne / seitdem hat die öffentliche Meinung eine außerordentliche
Furcht vor jeder heftigen Crisis, die dieses traurige Resultat herbeifüh¬
ren könnte/ Denn andrerseits täuscht sich die öffentliche Meinung nicht
darüber, daß die revolutionären Geister unfähig sind, die Gesellschaft
neu zu gestalten; und darin ruht die Stärke der bestehenden Regierung,
deren beste Hülfstruppen eben die socialen Parteien sind, deren eigent¬
licher Charakter durch die politischen Plänkler kaum noch verhüllt wird.
Das kommunistische Glaubensbekenntniß hat der Sache der Monarchie
mehr Dienste geleistet als alle noch so beredten Anklagen seiner General-
Anwälte. Die Verbindung der Legitimität mit dem demokratischen Prin¬
cip muß die letzte Hoffnung der harrenden Restauration vernichten. So
zeigt es sich, daß die Vorsehung die Völker nie verläßt; wenn sie auf
der jähen, abschüssigen Bahn ihren Glauben, ihre Illusionen, ihre
Kraft, eines nach dem andern, verloren haben, — da läßt sie ihnen
den Jnstinct der Selbsterhaltung, der ihre Willensfreiheit stützt, bis
das Land der Verheißung endlich ihren Augen sichtbar wird.
Denn die Zeit ist eine gewaltige Socialistin; sie führt die regel¬
mäßige Wiederkehr jener säcularischen Jahreszeiten herbei, welche aus
ihren Keimen die Ideen zur Blüthe, und nach und nach zur Reife brin¬
gen, bis sie auf dem mystischen Baume der Wissenschaft ganze Büschel
trefflicher Früchte bilden. Alle großen Philosophen haben die Gegen¬
wart so genommen, wie sie sie gefunden, und haben sich die Zukunft
vorbehalten. Denn ihr Vertrauen auf die Nichtigkeit ihres Gedankens
ist so groß, daß sie weiter nichts verlangen, als daß die Menge das
Dogma, das sie aufgefunden, kennen lerne; der Triumph desselben ist
die Sache der Zeit, und sie zweifeln gar nicht daran, daß diese letztere
ihnen einmal Recht geben wird. Man muß gestehen, es liegt eine ge¬
wisse Großartigkeit in dieser Sicherheit der Utopisten, und die tiefe
Verachtung, die sie gegen die größten Männer und die edelsten Ideen
ihrer Epoche hegen. Se. Simon und Fourier, deren jeder seinerseits sich
die Herrschaft über die Welt und den Besitz der Zukunft aneignete,
scheinen fast erhaben, wenn wir sie von ihrer ärmlichen Dachstube aus
auf jenen Koloß von Macht und Willen, vor dem das Weltall zitterte,
undAder doch in ihren Augen nur ein Zwerg war, Blicke wohlwollen¬
den Mitleids werfen sehen; wenn sie in ihrem Elend sich größer dün¬
ken, als Napoleon auf dem Gipfel seines Ruhmes. Denn in diesen:
Stolze liegt eine Überlegenheit des Geistes über die Materie, der Idee
über das Factum. Aber weder diese Philosophen, noch auch die nach
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