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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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Werfen wir noch einen Blick auf die Abfassung des hier nur nach
einigen der wichtigsten Punkte besprochnen Werkes, so erfreut uns be¬
sonders die klare, geistvolle Zeichnung einer so großen Reihe von Au¬
toren, wodurch uns das Buch durch oft dunkle und verworrene Jahr¬
hunderte, denen erst die Kunst des Historikers ihr wahres Interesse wie¬
derverleiben mußte,' zum Führer wird. Wir haben neulich in diesen
Blättern die Literaturgeschichte eines deutschen Schriftstellers dem Leser
vorgeführt. Sie bildet in mancher Hinsicht ein Gegenstück zu der ge¬
genwärtigen Schrift. Wenn der deutsche Historiker von vorn herein den
allgemeinen Gang der Literaturentwickelung im Auge hatte, und die In¬
dividualitäten, je nach ihrem Berufe, als auftauchende Kräfte des Volks¬
und Zeitgeistes schilderte, indem er alles Besondere, Litercirischcs und
Biographisches, beständig als Einschlag in das Gesammtbild vertheilte;
so hat dagegen der französische Geschichtsforscher die zu bearbeitenden Fel¬
deraufs bestimmteste unterschieden und abgetrennt. Er führt in zuerst gedräng¬
ter Darstellung die bedeutendsten Tendenzen, Talente und Werke auf,
die in einer Epoche zu Tage gekommen find, und nachdem er die verschie¬
denen Arten der Rede und des Styles abgehandelt hat, zeigt er uns in
umfassenden Uebersichten die Berührungspunkte des literarischen Lebens
mit dem sittlichen, religiösen und politischen. Diese Abschnitte eröffnen
uns viele lehrreiche Aussichten, namentlich für die Würdigung des 16.
Jahrhunderts. Durch den freisinnigen Gedanken und die reine Form,
worin es gehalten ist, kommt das Baron'sche Werk dem Bedürfnisse
auch der deutschen höhern Lehranstalten entgegen, wo die Lehrbücher,
gewöhnlich mit Vorliebe für einzelne Autoren und Zeiten abgefaßt, dem
Studirenden kein volles und. stetiges Bild der literarischen Welt Frank¬
reichs geben. -- Möchte es dem gelehrten Versasser, der um das Ver¬
ständniß seiner vaterländischen Literatur in Belgien, dem Lande der Aus¬
gleichung und gerechter Aneignung, die anerkanntesten Verdienste hat, ge¬
fallen, die folgenden Bände seines Geschichtswerkes bald ans Licht treten
Zu lassen.




Werfen wir noch einen Blick auf die Abfassung des hier nur nach
einigen der wichtigsten Punkte besprochnen Werkes, so erfreut uns be¬
sonders die klare, geistvolle Zeichnung einer so großen Reihe von Au¬
toren, wodurch uns das Buch durch oft dunkle und verworrene Jahr¬
hunderte, denen erst die Kunst des Historikers ihr wahres Interesse wie¬
derverleiben mußte,' zum Führer wird. Wir haben neulich in diesen
Blättern die Literaturgeschichte eines deutschen Schriftstellers dem Leser
vorgeführt. Sie bildet in mancher Hinsicht ein Gegenstück zu der ge¬
genwärtigen Schrift. Wenn der deutsche Historiker von vorn herein den
allgemeinen Gang der Literaturentwickelung im Auge hatte, und die In¬
dividualitäten, je nach ihrem Berufe, als auftauchende Kräfte des Volks¬
und Zeitgeistes schilderte, indem er alles Besondere, Litercirischcs und
Biographisches, beständig als Einschlag in das Gesammtbild vertheilte;
so hat dagegen der französische Geschichtsforscher die zu bearbeitenden Fel¬
deraufs bestimmteste unterschieden und abgetrennt. Er führt in zuerst gedräng¬
ter Darstellung die bedeutendsten Tendenzen, Talente und Werke auf,
die in einer Epoche zu Tage gekommen find, und nachdem er die verschie¬
denen Arten der Rede und des Styles abgehandelt hat, zeigt er uns in
umfassenden Uebersichten die Berührungspunkte des literarischen Lebens
mit dem sittlichen, religiösen und politischen. Diese Abschnitte eröffnen
uns viele lehrreiche Aussichten, namentlich für die Würdigung des 16.
Jahrhunderts. Durch den freisinnigen Gedanken und die reine Form,
worin es gehalten ist, kommt das Baron'sche Werk dem Bedürfnisse
auch der deutschen höhern Lehranstalten entgegen, wo die Lehrbücher,
gewöhnlich mit Vorliebe für einzelne Autoren und Zeiten abgefaßt, dem
Studirenden kein volles und. stetiges Bild der literarischen Welt Frank¬
reichs geben. — Möchte es dem gelehrten Versasser, der um das Ver¬
ständniß seiner vaterländischen Literatur in Belgien, dem Lande der Aus¬
gleichung und gerechter Aneignung, die anerkanntesten Verdienste hat, ge¬
fallen, die folgenden Bände seines Geschichtswerkes bald ans Licht treten
Zu lassen.




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[0226] Werfen wir noch einen Blick auf die Abfassung des hier nur nach einigen der wichtigsten Punkte besprochnen Werkes, so erfreut uns be¬ sonders die klare, geistvolle Zeichnung einer so großen Reihe von Au¬ toren, wodurch uns das Buch durch oft dunkle und verworrene Jahr¬ hunderte, denen erst die Kunst des Historikers ihr wahres Interesse wie¬ derverleiben mußte,' zum Führer wird. Wir haben neulich in diesen Blättern die Literaturgeschichte eines deutschen Schriftstellers dem Leser vorgeführt. Sie bildet in mancher Hinsicht ein Gegenstück zu der ge¬ genwärtigen Schrift. Wenn der deutsche Historiker von vorn herein den allgemeinen Gang der Literaturentwickelung im Auge hatte, und die In¬ dividualitäten, je nach ihrem Berufe, als auftauchende Kräfte des Volks¬ und Zeitgeistes schilderte, indem er alles Besondere, Litercirischcs und Biographisches, beständig als Einschlag in das Gesammtbild vertheilte; so hat dagegen der französische Geschichtsforscher die zu bearbeitenden Fel¬ deraufs bestimmteste unterschieden und abgetrennt. Er führt in zuerst gedräng¬ ter Darstellung die bedeutendsten Tendenzen, Talente und Werke auf, die in einer Epoche zu Tage gekommen find, und nachdem er die verschie¬ denen Arten der Rede und des Styles abgehandelt hat, zeigt er uns in umfassenden Uebersichten die Berührungspunkte des literarischen Lebens mit dem sittlichen, religiösen und politischen. Diese Abschnitte eröffnen uns viele lehrreiche Aussichten, namentlich für die Würdigung des 16. Jahrhunderts. Durch den freisinnigen Gedanken und die reine Form, worin es gehalten ist, kommt das Baron'sche Werk dem Bedürfnisse auch der deutschen höhern Lehranstalten entgegen, wo die Lehrbücher, gewöhnlich mit Vorliebe für einzelne Autoren und Zeiten abgefaßt, dem Studirenden kein volles und. stetiges Bild der literarischen Welt Frank¬ reichs geben. — Möchte es dem gelehrten Versasser, der um das Ver¬ ständniß seiner vaterländischen Literatur in Belgien, dem Lande der Aus¬ gleichung und gerechter Aneignung, die anerkanntesten Verdienste hat, ge¬ fallen, die folgenden Bände seines Geschichtswerkes bald ans Licht treten Zu lassen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/226>, abgerufen am 22.07.2024.