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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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wahre'Absicht 'dieser Einladungen sorgfältig verhehlt. ' Der'KünM vel>
ließ seine Geschäfte und seine Arbeiten 2--3 Wochen, ja Monatelang,
zeichnete-die alte Burg unter allen Ansichten, ,die sie bot, nahm- alle
Punkte-der Umgegend auf, und lehrte endlich nach Paris zurück, ohne
für die Kunst etwas gewonnen zu haben, und mit leerer Börse, da^ihr
Inhalt in den Händen der Bedienten, der Kutscher u. s. w. zurückge¬
blieben war. Aber alles in der Welt nutzt sich ab, selbst die Geschick-
lichkeit; nachdem die Künstler ein Dutzend Male angeführt worden wa¬
ren, nahmen sie sich vor, in Zukunft vorsichtiger zu sein. Heutzutage
richtet man daher selbst mit der größten Liebenswürdigkeit nichts mehr
aus, sondern man muß die Zeichnungen, die man haben will, bezahlen
und das Geheimniß, ein schönes Album zu besitzen, ist fortan kein an¬
deres, als das allgemeine Geheimniß des Handels, nämlich billig ein-
und theuer verkaufen. , , > '

Nachdem die Albums-Mode ihre gehörige Reife in Frankreich er¬
reicht hatte, machte sie ihre gewöhnliche Reise, und langte glücklich bei
uns Deutschen an. Es war dies grade zu der Zeit,,'wo Clauren in
üblen Ruf kam, und man die sentimentale Literatur vom Toilettentische
verbannte, um George Sand Platz zu machen. Der Krieg gegen die
Sentimentalität zeigte sich bald in vielen Einzelnheiten, und die Stamm¬
bücher fielen als erstes Opfer. Man fand die französische Art, Albums
zu organisiren viel hübscher, und die Ausführung war um so bequemer,
da die deutschen Künstler viel bescheidener sind, als die französischen.
Denn, eine Zeichnung von Bendemann ist zehnmal leichter zu erhalten,
als eine Skizze von Horace Vernet; ein Briefchen von Fräulein von
Hagn fünfzigmal leichter als ein Billet von der Dejazct, und ein Au¬
tograph von Lindpaintncr achtzigmal leichter als eines von Ander. Die
französischen Celebritäten wissen ihre Berühmtheit ganz anders zu ver¬
silbern, als die deutschen; wir erinnern nur an Jules Janin und das
Album des Fürsten Metternich. Der berühmte deutsche Staatsmann
wünschte von dem Feuilletonisten der Debats ein Autograph für sein
Album. Herr Janin zögerte nicht, und sandte an den Fürsten ein
Blatt, welches die Worte enthielt: Ke":u ä" N^-. 1o prince alö
WtMernicK soixsnte boutNlles cke FolmnnisKerg'. Deutsche Schrift¬
steller begnügen sich mit Grüneberger. -- In dieser Art, Albums zusam¬
menzustellen ist namentlich die Banquierwelt in Wien und Berlin sehr
ausgezeichnet, und ihr Beispiel beginnt bereits auch in den mittleren'
Klassen Nachahmer zu finden.


wahre'Absicht 'dieser Einladungen sorgfältig verhehlt. ' Der'KünM vel>
ließ seine Geschäfte und seine Arbeiten 2—3 Wochen, ja Monatelang,
zeichnete-die alte Burg unter allen Ansichten, ,die sie bot, nahm- alle
Punkte-der Umgegend auf, und lehrte endlich nach Paris zurück, ohne
für die Kunst etwas gewonnen zu haben, und mit leerer Börse, da^ihr
Inhalt in den Händen der Bedienten, der Kutscher u. s. w. zurückge¬
blieben war. Aber alles in der Welt nutzt sich ab, selbst die Geschick-
lichkeit; nachdem die Künstler ein Dutzend Male angeführt worden wa¬
ren, nahmen sie sich vor, in Zukunft vorsichtiger zu sein. Heutzutage
richtet man daher selbst mit der größten Liebenswürdigkeit nichts mehr
aus, sondern man muß die Zeichnungen, die man haben will, bezahlen
und das Geheimniß, ein schönes Album zu besitzen, ist fortan kein an¬
deres, als das allgemeine Geheimniß des Handels, nämlich billig ein-
und theuer verkaufen. , , > '

Nachdem die Albums-Mode ihre gehörige Reife in Frankreich er¬
reicht hatte, machte sie ihre gewöhnliche Reise, und langte glücklich bei
uns Deutschen an. Es war dies grade zu der Zeit,,'wo Clauren in
üblen Ruf kam, und man die sentimentale Literatur vom Toilettentische
verbannte, um George Sand Platz zu machen. Der Krieg gegen die
Sentimentalität zeigte sich bald in vielen Einzelnheiten, und die Stamm¬
bücher fielen als erstes Opfer. Man fand die französische Art, Albums
zu organisiren viel hübscher, und die Ausführung war um so bequemer,
da die deutschen Künstler viel bescheidener sind, als die französischen.
Denn, eine Zeichnung von Bendemann ist zehnmal leichter zu erhalten,
als eine Skizze von Horace Vernet; ein Briefchen von Fräulein von
Hagn fünfzigmal leichter als ein Billet von der Dejazct, und ein Au¬
tograph von Lindpaintncr achtzigmal leichter als eines von Ander. Die
französischen Celebritäten wissen ihre Berühmtheit ganz anders zu ver¬
silbern, als die deutschen; wir erinnern nur an Jules Janin und das
Album des Fürsten Metternich. Der berühmte deutsche Staatsmann
wünschte von dem Feuilletonisten der Debats ein Autograph für sein
Album. Herr Janin zögerte nicht, und sandte an den Fürsten ein
Blatt, welches die Worte enthielt: Ke«:u ä« N^-. 1o prince alö
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steller begnügen sich mit Grüneberger. — In dieser Art, Albums zusam¬
menzustellen ist namentlich die Banquierwelt in Wien und Berlin sehr
ausgezeichnet, und ihr Beispiel beginnt bereits auch in den mittleren'
Klassen Nachahmer zu finden.


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[0207] wahre'Absicht 'dieser Einladungen sorgfältig verhehlt. ' Der'KünM vel> ließ seine Geschäfte und seine Arbeiten 2—3 Wochen, ja Monatelang, zeichnete-die alte Burg unter allen Ansichten, ,die sie bot, nahm- alle Punkte-der Umgegend auf, und lehrte endlich nach Paris zurück, ohne für die Kunst etwas gewonnen zu haben, und mit leerer Börse, da^ihr Inhalt in den Händen der Bedienten, der Kutscher u. s. w. zurückge¬ blieben war. Aber alles in der Welt nutzt sich ab, selbst die Geschick- lichkeit; nachdem die Künstler ein Dutzend Male angeführt worden wa¬ ren, nahmen sie sich vor, in Zukunft vorsichtiger zu sein. Heutzutage richtet man daher selbst mit der größten Liebenswürdigkeit nichts mehr aus, sondern man muß die Zeichnungen, die man haben will, bezahlen und das Geheimniß, ein schönes Album zu besitzen, ist fortan kein an¬ deres, als das allgemeine Geheimniß des Handels, nämlich billig ein- und theuer verkaufen. , , > ' Nachdem die Albums-Mode ihre gehörige Reife in Frankreich er¬ reicht hatte, machte sie ihre gewöhnliche Reise, und langte glücklich bei uns Deutschen an. Es war dies grade zu der Zeit,,'wo Clauren in üblen Ruf kam, und man die sentimentale Literatur vom Toilettentische verbannte, um George Sand Platz zu machen. Der Krieg gegen die Sentimentalität zeigte sich bald in vielen Einzelnheiten, und die Stamm¬ bücher fielen als erstes Opfer. Man fand die französische Art, Albums zu organisiren viel hübscher, und die Ausführung war um so bequemer, da die deutschen Künstler viel bescheidener sind, als die französischen. Denn, eine Zeichnung von Bendemann ist zehnmal leichter zu erhalten, als eine Skizze von Horace Vernet; ein Briefchen von Fräulein von Hagn fünfzigmal leichter als ein Billet von der Dejazct, und ein Au¬ tograph von Lindpaintncr achtzigmal leichter als eines von Ander. Die französischen Celebritäten wissen ihre Berühmtheit ganz anders zu ver¬ silbern, als die deutschen; wir erinnern nur an Jules Janin und das Album des Fürsten Metternich. Der berühmte deutsche Staatsmann wünschte von dem Feuilletonisten der Debats ein Autograph für sein Album. Herr Janin zögerte nicht, und sandte an den Fürsten ein Blatt, welches die Worte enthielt: Ke«:u ä« N^-. 1o prince alö WtMernicK soixsnte boutNlles cke FolmnnisKerg'. Deutsche Schrift¬ steller begnügen sich mit Grüneberger. — In dieser Art, Albums zusam¬ menzustellen ist namentlich die Banquierwelt in Wien und Berlin sehr ausgezeichnet, und ihr Beispiel beginnt bereits auch in den mittleren' Klassen Nachahmer zu finden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/207>, abgerufen am 24.07.2024.