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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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gar 5 Hectaren Land in seinem Bereiche hat, darf einen Theil davon
für den Flachsbau verwenden, und ihm bleibt noch genug für eine ziem¬
lich gute Erndte. Wer dagegen die Schafzucht treiben will, muß un¬
ermeßliche Pachtungen, ausgedehnte Landstrecken, geraume Weiden zu
seiner Verfügung haben. In Spanien, wo ganze Hälften von Provin¬
zen zu bloßen Viehweiden eingerichtet waren und es noch sind, läßt sich'S
leicht begreifen/wie jene zahlreiche Heerden von 20, 30, 40 Tausend
Schafen bestehen konnten, welche den Hauptreichthun: der Familie Medina-
Coeli, Osscma, del Jnsantado und anderer ausmachten. In Deutschland,
wo es so viele und große landesherrschaftliche Güter giebt, tritt der
nämliche Fall ein; wie nicht weniger in England, wo die Anzahl der
Pachthöfe zwar bedeutend ist, eS aber deren viele von 1000 bis 2000
Hectaren Ausdehnung giebt, und wo überdies der hohe Preis des ge¬
schlachteten Viehes dem Pachter großen Gewinn bietet, wenn er durch-
gehends den dritten Theil seiner Ländereien zu Wiesen verwendet. In
Frankreich endlich, wo das Verhältniß der Bevölkerung zum Boden ein
solches ist, daß l^.is Hectar auf jeden Einwohner kömmt -- also mehr
als das Zweifache von Belgien, wo nur 0,70 Hectaren auf eine Person,
kömmt -- wird es noch immer möglich, sich im Großen aus die Schaf-,
zucht zu legen, weshalb man da auch einzelne Heerden antrifft, wie die,
von naz (im Departement de lÄix) und die des Grafen von Polignac
zu Outreloise (Calvados) die 6 bis 8000 Schafe zählen.

In Belgien hingegen, dessen Bevölkerung kompakter ist, als in ir-,
gerd einem andern Lande der Erde, und das sich einer Ländervertheilung
zu freuen hat, die theils von der Bevölkerung deö Landbaues, theils
von der Concurrenz der Hände, welche zur Arbeit bereit sind, herrührt,,
kann die Schafszucht nur ausnahmsweise mit Vortheil betrieben werden.

Wie wäre es auch möglich, sich irgend eine Vorstellung zu machen
von > einer gewissermaßen bedeutenden Menge Schafe, mit deren Zucht
man sich z. B. in Ostflandern abgeben solle, da man doch zu vermu¬
then berechtigt ist, daß innerhalb der nächsten zehn Jahre keine zehn
Pachtgiiter von mehr als hundert Hectaren Landes anzutreffen seyn wer¬
den! Es giebt freilich belgische Provinzen, wo eine geringere Zerstücke¬
lung, der einzelnen Besitztümer die Schafzucht eher 'möglich machen
dürfte, allein da ist die Beschaffenheit des Bodens selbst hinderlich, der'
nur eine magere und nicht einmal immer hinreichende Nahrung darbie¬
tet. Aus diesem Allen geht hervor, daß es nicht befremden muß zu ver¬
nehmen, daß Belgien nicht über die 600,000 Schaft besitzt/während '


gar 5 Hectaren Land in seinem Bereiche hat, darf einen Theil davon
für den Flachsbau verwenden, und ihm bleibt noch genug für eine ziem¬
lich gute Erndte. Wer dagegen die Schafzucht treiben will, muß un¬
ermeßliche Pachtungen, ausgedehnte Landstrecken, geraume Weiden zu
seiner Verfügung haben. In Spanien, wo ganze Hälften von Provin¬
zen zu bloßen Viehweiden eingerichtet waren und es noch sind, läßt sich'S
leicht begreifen/wie jene zahlreiche Heerden von 20, 30, 40 Tausend
Schafen bestehen konnten, welche den Hauptreichthun: der Familie Medina-
Coeli, Osscma, del Jnsantado und anderer ausmachten. In Deutschland,
wo es so viele und große landesherrschaftliche Güter giebt, tritt der
nämliche Fall ein; wie nicht weniger in England, wo die Anzahl der
Pachthöfe zwar bedeutend ist, eS aber deren viele von 1000 bis 2000
Hectaren Ausdehnung giebt, und wo überdies der hohe Preis des ge¬
schlachteten Viehes dem Pachter großen Gewinn bietet, wenn er durch-
gehends den dritten Theil seiner Ländereien zu Wiesen verwendet. In
Frankreich endlich, wo das Verhältniß der Bevölkerung zum Boden ein
solches ist, daß l^.is Hectar auf jeden Einwohner kömmt — also mehr
als das Zweifache von Belgien, wo nur 0,70 Hectaren auf eine Person,
kömmt — wird es noch immer möglich, sich im Großen aus die Schaf-,
zucht zu legen, weshalb man da auch einzelne Heerden antrifft, wie die,
von naz (im Departement de lÄix) und die des Grafen von Polignac
zu Outreloise (Calvados) die 6 bis 8000 Schafe zählen.

In Belgien hingegen, dessen Bevölkerung kompakter ist, als in ir-,
gerd einem andern Lande der Erde, und das sich einer Ländervertheilung
zu freuen hat, die theils von der Bevölkerung deö Landbaues, theils
von der Concurrenz der Hände, welche zur Arbeit bereit sind, herrührt,,
kann die Schafszucht nur ausnahmsweise mit Vortheil betrieben werden.

Wie wäre es auch möglich, sich irgend eine Vorstellung zu machen
von > einer gewissermaßen bedeutenden Menge Schafe, mit deren Zucht
man sich z. B. in Ostflandern abgeben solle, da man doch zu vermu¬
then berechtigt ist, daß innerhalb der nächsten zehn Jahre keine zehn
Pachtgiiter von mehr als hundert Hectaren Landes anzutreffen seyn wer¬
den! Es giebt freilich belgische Provinzen, wo eine geringere Zerstücke¬
lung, der einzelnen Besitztümer die Schafzucht eher 'möglich machen
dürfte, allein da ist die Beschaffenheit des Bodens selbst hinderlich, der'
nur eine magere und nicht einmal immer hinreichende Nahrung darbie¬
tet. Aus diesem Allen geht hervor, daß es nicht befremden muß zu ver¬
nehmen, daß Belgien nicht über die 600,000 Schaft besitzt/während '


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/164>, abgerufen am 22.12.2024.