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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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than, um die Kritik der Jahrbücher immer für die seinige anzuerkennen.--
Im Sinne dieses Geistes sehen wir das Schalten und Watten so man¬
cher abenteuernden Mitstreiter der Jahrbücher nur mit Unwillen an, de¬
ren Kritik über Sachen der Kunst und Poesie uns zu oft wie das Ge-
bährden erhitzter Sensenmänner vorkommt. - Die schöne Literatur hat von
denselben zu harte Backenstreiche erlitten, welche sast eher aus der über¬
reizten Lust zu'fechten und zu schlagen, als aus der wissenschaftlichen
Einsicht in das Wesen derselben entsprungen zu sein scheinen/ Wenn
wir mit Vergnügen der Ironie folgen, welche der Hegelianischen Kritik
so gut steht, wenn wir mit völligem Beifall die Machtsprüche und die
Witzsentenzen aufnehmen, womit die Jahrbücher so glücklich viele literarische
Nichtigkeiten in Staub aufgelöst haben, -- freilich sind die Verirrungen
und Elendigkeiten unserer deutschen Kleinschreiber nicht neu, nicht unerhört--
so erscheinen uns doch mehrere ganz unbefähigte Anfälle auf Tieck, Uhland
und Rückert, um nur die größten Namen zu nennen, um so nachtheiliger
für das Ansehen jener heroischen Blätter, als sie offenbar den Stempel
des Unvermögens, sich in die eigenthümliche Poesie dieser edlen Dichter
zu vertiefen, auf dem Schilde führen. Es spricht aus dergleichen An¬
griffen, die sich von Zeit zu Zeit in den wunderlichsten Ausweichungen
wiederholen, oft ein Aerger am Schonen, ein Zorn gegen das freie ideale
Gemüth, eine Verdorrtheit der Jmagmatizn, der man es immerhin an-
rathen mag, sich hinter die Formeln der Hörsäle zu verstecken. Die Jury
der deutschen Jahrbücher über Werke der schönen Literatur ist sehr ungleich
zusammengesetzt. Das sehen wir auch dannund wann aus Preiskritiken,
in denen hohe Ehrenbezeugungen für Produktionen decretirt-werden, die
ein- unbefangener Geschmack ungenießbar finden muß. In Anerkennung
so vieler cherrlichen Gaben, welche diese Zeitschrift uns fortwährend bietet,
können wir doch nicht umhin zu gestehen, daß sie in Beurtheilung poe¬
tischer Erzeugnisse uicht selten' in das Niveau der gewöhnlichen Spreu
kritischer Blätter hinabsinkt. Daß eine Unlust an der schonen Kunst bei
vielen Gelehrten und Kritikern unserer Zeit überHand genommen , ist täg¬
lich von allen'Seiten her zu ersehen. Die Herren des strengen Gerichts,
gerade Jene, welche die Werke des Geistes und Gemüthes in jeglichem
Felde fördern sollten, lassen sich zu sehr vom Instinkt der materiellen In¬
dustrie anstecken, um der Kunst und Poesie mit freundlicher Gesinnung
ins Auge zu blicken. Die Kunst fängt an, zu müssig zu erscheinen, --
ich glaube aber auch, daß sie wegen ihrer heitern Sorglosigkeit, der
Mitgift ihrer göttlichen Abkunft, den kritischen Eiferern nicht anstehen will.


than, um die Kritik der Jahrbücher immer für die seinige anzuerkennen.—
Im Sinne dieses Geistes sehen wir das Schalten und Watten so man¬
cher abenteuernden Mitstreiter der Jahrbücher nur mit Unwillen an, de¬
ren Kritik über Sachen der Kunst und Poesie uns zu oft wie das Ge-
bährden erhitzter Sensenmänner vorkommt. - Die schöne Literatur hat von
denselben zu harte Backenstreiche erlitten, welche sast eher aus der über¬
reizten Lust zu'fechten und zu schlagen, als aus der wissenschaftlichen
Einsicht in das Wesen derselben entsprungen zu sein scheinen/ Wenn
wir mit Vergnügen der Ironie folgen, welche der Hegelianischen Kritik
so gut steht, wenn wir mit völligem Beifall die Machtsprüche und die
Witzsentenzen aufnehmen, womit die Jahrbücher so glücklich viele literarische
Nichtigkeiten in Staub aufgelöst haben, — freilich sind die Verirrungen
und Elendigkeiten unserer deutschen Kleinschreiber nicht neu, nicht unerhört—
so erscheinen uns doch mehrere ganz unbefähigte Anfälle auf Tieck, Uhland
und Rückert, um nur die größten Namen zu nennen, um so nachtheiliger
für das Ansehen jener heroischen Blätter, als sie offenbar den Stempel
des Unvermögens, sich in die eigenthümliche Poesie dieser edlen Dichter
zu vertiefen, auf dem Schilde führen. Es spricht aus dergleichen An¬
griffen, die sich von Zeit zu Zeit in den wunderlichsten Ausweichungen
wiederholen, oft ein Aerger am Schonen, ein Zorn gegen das freie ideale
Gemüth, eine Verdorrtheit der Jmagmatizn, der man es immerhin an-
rathen mag, sich hinter die Formeln der Hörsäle zu verstecken. Die Jury
der deutschen Jahrbücher über Werke der schönen Literatur ist sehr ungleich
zusammengesetzt. Das sehen wir auch dannund wann aus Preiskritiken,
in denen hohe Ehrenbezeugungen für Produktionen decretirt-werden, die
ein- unbefangener Geschmack ungenießbar finden muß. In Anerkennung
so vieler cherrlichen Gaben, welche diese Zeitschrift uns fortwährend bietet,
können wir doch nicht umhin zu gestehen, daß sie in Beurtheilung poe¬
tischer Erzeugnisse uicht selten' in das Niveau der gewöhnlichen Spreu
kritischer Blätter hinabsinkt. Daß eine Unlust an der schonen Kunst bei
vielen Gelehrten und Kritikern unserer Zeit überHand genommen , ist täg¬
lich von allen'Seiten her zu ersehen. Die Herren des strengen Gerichts,
gerade Jene, welche die Werke des Geistes und Gemüthes in jeglichem
Felde fördern sollten, lassen sich zu sehr vom Instinkt der materiellen In¬
dustrie anstecken, um der Kunst und Poesie mit freundlicher Gesinnung
ins Auge zu blicken. Die Kunst fängt an, zu müssig zu erscheinen, —
ich glaube aber auch, daß sie wegen ihrer heitern Sorglosigkeit, der
Mitgift ihrer göttlichen Abkunft, den kritischen Eiferern nicht anstehen will.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/155>, abgerufen am 23.07.2024.