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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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aufgerüttelt findet keine Rast.' Auf einer Badereise in Carlsbad wird
Moriz von, dem jetzigen' Staat'sminister, dem Grafen Colowrat'bemerkt.
Dieser Herr war zu jener Zeit Oberstburggraf (Gouverneur) in Prag ;
das Wesen des jungen Künstlers gefiel ihm, er forderte ihn auf, ihm
nach' Prag zu folgen, wo eine größere Stadt ihm einen weitem Wir¬
kungskreis bietet. Moriz' nimmt an, und 'siedelt über nach dem slavischen
Rom/nach der alten Böhmenhauptstadt.

' ' Das Theater in Prag war damals noch zum Theil auf jener Höhe,
auf weiche der in den-deutschen'Theater-Annalen unvergeßliche Licbich es
brachte.' Die Traditionen des'früheren Ruhms belebten noch alle Mit¬
glieder. Dazu "als Publikum'den alten böhmischen Adel) mit dem En¬
thusiasmus eines' Pachta, Sternberg/Kinsky,'Schwarzenberg, Czcrnin,
Auersperg -- alles das spornte und trieb seine Früchte. Eines Tages,
nach einer'glänzenden Borstellung des Don Carlos siel aus einer Sei¬
tenloge ein Kranz erotischer Blumen dem feurigen Infanten'zu Füßen.
Der Vorhang fiel zu gleicher Zeit.' Aber die Neugier, die Phantasie
war aufgeregt -- Nachforschungen wurden angestellt, die unbekannte
Blumenspenderin zu entdecken, und -- nach einem Jahre setzte eine Nach¬
richt die stolze Aristokratie Böhmens in Bewegung: "die junge, durch
Kenntnisse und Talente glänzende Stiftsdame, Gräfin S**"* die einzige
Tochter aus einer der ältesten Adelsfamilien Oesterreichs wird mit dem
Schauspieler Moriz sich vermählen." Man wollte dem Gerüchte nicht
trauen, aber die Bestätigung traf bald ein.
'

Eine so unerhebliche Episode dieß vielleicht denjenigen unserer Leser
scheinen möge, die an viele ähnlichen Begebenheiten des französischen
Künstlerlebens gewöhnt sind, eine so außergewöhnliche ist sie in unserm
Deutschland, wo die Leidenschaft nicht in so heftigen'Ausbrüchen sich zeigt,
und wo der Standesunterschied weit tiefere Gräben und höhere Wälle
schafft, als. jenseits des Rheins. ' Auf die Laufbahn unseres Künstlers
wirkte dies Ereigniß entschieden ein.

- Es giebt einen Zweig der Bühnendarstellung, in welchem selbst un¬
tergeordnete französische Schauspieler oftmals eine Meisterschaft besitzen,
während die deutschen Schauspieler ersten Rangs sich nicht selten als
'Stümper darin zeigen. ' Es sind dieß die Rollen des höhern' Weidmanns,
der dchcaten Zurückhaltung und des leichten Sichgehenlassens, der ari--
''se'oMtischen Persönlichkeit, der raffinirten Convenienz der erclüsiven Kreise.
'Der/deutsche' Schauspieler, - der' keine Centralstadt, wie Parks, zur sehnte
-hay dem' durch den 'KMngeist' 'HBMm^Vaterland'S'' bie' AM' der


aufgerüttelt findet keine Rast.' Auf einer Badereise in Carlsbad wird
Moriz von, dem jetzigen' Staat'sminister, dem Grafen Colowrat'bemerkt.
Dieser Herr war zu jener Zeit Oberstburggraf (Gouverneur) in Prag ;
das Wesen des jungen Künstlers gefiel ihm, er forderte ihn auf, ihm
nach' Prag zu folgen, wo eine größere Stadt ihm einen weitem Wir¬
kungskreis bietet. Moriz' nimmt an, und 'siedelt über nach dem slavischen
Rom/nach der alten Böhmenhauptstadt.

' ' Das Theater in Prag war damals noch zum Theil auf jener Höhe,
auf weiche der in den-deutschen'Theater-Annalen unvergeßliche Licbich es
brachte.' Die Traditionen des'früheren Ruhms belebten noch alle Mit¬
glieder. Dazu "als Publikum'den alten böhmischen Adel) mit dem En¬
thusiasmus eines' Pachta, Sternberg/Kinsky,'Schwarzenberg, Czcrnin,
Auersperg — alles das spornte und trieb seine Früchte. Eines Tages,
nach einer'glänzenden Borstellung des Don Carlos siel aus einer Sei¬
tenloge ein Kranz erotischer Blumen dem feurigen Infanten'zu Füßen.
Der Vorhang fiel zu gleicher Zeit.' Aber die Neugier, die Phantasie
war aufgeregt — Nachforschungen wurden angestellt, die unbekannte
Blumenspenderin zu entdecken, und — nach einem Jahre setzte eine Nach¬
richt die stolze Aristokratie Böhmens in Bewegung: „die junge, durch
Kenntnisse und Talente glänzende Stiftsdame, Gräfin S**"* die einzige
Tochter aus einer der ältesten Adelsfamilien Oesterreichs wird mit dem
Schauspieler Moriz sich vermählen." Man wollte dem Gerüchte nicht
trauen, aber die Bestätigung traf bald ein.
'

Eine so unerhebliche Episode dieß vielleicht denjenigen unserer Leser
scheinen möge, die an viele ähnlichen Begebenheiten des französischen
Künstlerlebens gewöhnt sind, eine so außergewöhnliche ist sie in unserm
Deutschland, wo die Leidenschaft nicht in so heftigen'Ausbrüchen sich zeigt,
und wo der Standesunterschied weit tiefere Gräben und höhere Wälle
schafft, als. jenseits des Rheins. ' Auf die Laufbahn unseres Künstlers
wirkte dies Ereigniß entschieden ein.

- Es giebt einen Zweig der Bühnendarstellung, in welchem selbst un¬
tergeordnete französische Schauspieler oftmals eine Meisterschaft besitzen,
während die deutschen Schauspieler ersten Rangs sich nicht selten als
'Stümper darin zeigen. ' Es sind dieß die Rollen des höhern' Weidmanns,
der dchcaten Zurückhaltung und des leichten Sichgehenlassens, der ari--
''se'oMtischen Persönlichkeit, der raffinirten Convenienz der erclüsiven Kreise.
'Der/deutsche' Schauspieler, - der' keine Centralstadt, wie Parks, zur sehnte
-hay dem' durch den 'KMngeist' 'HBMm^Vaterland'S'' bie' AM' der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/150>, abgerufen am 23.07.2024.