den Ortschaften ihrer Heimath, und obschon die beiden Heerführer aus Löwen und Assche waren, ließ man den brüsseler Edlen und Bürgern, als Ehre für Gottfried, den Vorrang vorauszumarschieren. , Nun Palten unsere Brüsseler den sonderbaren Einfalt, ganz unerwartet an¬ langen und ihre Familien überraschen zu wollen, wobei sie sich manchen Spaß versprachen. Ihnen zu Gefallen, zogen alle übrige, deren Weg über Brüssel führte, um die Stadt, die damals kaum 3 bis 400 Hä'u- serchen zählte, in diesem Stadtviertel, wo wir uns jetzt befinden, und unsere Helden hielten, am Abend des 19. Jänner Anno 1100 ihren stillen Einzug in die Stadt und begaben sich jeder nach seiner ei¬ genen Wohnung, doch mit der Abrede, um, wenn sie alles nach Wunsch gefunden haben würden, noch am nämlichen Abende aus dem Se. Gerv- Platz, damals der geräumigste und bekanntlich die Wiege Brüssels, zu¬ sammenzukommen und zu jubeln'. Da die damaligen Bürgersleute sehr frühe zu Bette gingen, so stellten die rückkehrenden Krieger sich vor, ihre Eltern und Verwandte schlafend und manche ihrer Frauen, die seit 4 Jahren nicht die geringste Nachricht von ihnen erhalten hatten und sie vielleicht todt glauben mußten, in den Armen anderer Männer zu fin¬ den; wie mußten diese alle nicht überrascht seyn, so überfallen zu wer¬ den! Aber o Wunder, was geschah? als ob man allenthalben die An¬ kunft der Krieger geahndet hätte, niemand hatte sich noch zu Bette begeben, nur wenige der zurückgebliebenen Alten waren unterdessen ge¬ storben, und keine einzige Frau hatte sich wieder verheirathet! Wer waren nun die Ueberraschten? Die Eheherrcn, so froh die Ueber- raschung sie machen mußte, zogen sich ihre Gesichter doch etwas in die Länge, weil man sich auf keinen Fall getäuscht haben will. Die Frauen merkten es ihnen an, öffneten Schränke und Keller, die lieben Gäste zu bewirthen, und diese ließen sich den Willkommgruß so wohl schmecken, daß sie ganz das Rendezvous auf dem Se. Gero-Platze ver¬ gaßen, und von ihren Ehehälften schlafend und weintrunken zu Bette getragen werden mußten. Ja, so lautet die Legende, und es ist zugleich dabei bemerkt, daß allgemein beschlossen wurde, den 19. Jänner jähr¬ lich auf ähnliche Weise zu feiern, daß aber die Eheherren an diesem Tage ihren Frauen ein Geschenk machen müssen. Dieser Gebrauch blieb bis in die letzten Zeiten ohne alle Veränderung im Gebrauch, und nur erst als französische Moden und Sitten oder Unsitten lD drückte sich unser Schulmeister aus) auch bei den Bürgersleuten Eingang fanden,
den Ortschaften ihrer Heimath, und obschon die beiden Heerführer aus Löwen und Assche waren, ließ man den brüsseler Edlen und Bürgern, als Ehre für Gottfried, den Vorrang vorauszumarschieren. , Nun Palten unsere Brüsseler den sonderbaren Einfalt, ganz unerwartet an¬ langen und ihre Familien überraschen zu wollen, wobei sie sich manchen Spaß versprachen. Ihnen zu Gefallen, zogen alle übrige, deren Weg über Brüssel führte, um die Stadt, die damals kaum 3 bis 400 Hä'u- serchen zählte, in diesem Stadtviertel, wo wir uns jetzt befinden, und unsere Helden hielten, am Abend des 19. Jänner Anno 1100 ihren stillen Einzug in die Stadt und begaben sich jeder nach seiner ei¬ genen Wohnung, doch mit der Abrede, um, wenn sie alles nach Wunsch gefunden haben würden, noch am nämlichen Abende aus dem Se. Gerv- Platz, damals der geräumigste und bekanntlich die Wiege Brüssels, zu¬ sammenzukommen und zu jubeln'. Da die damaligen Bürgersleute sehr frühe zu Bette gingen, so stellten die rückkehrenden Krieger sich vor, ihre Eltern und Verwandte schlafend und manche ihrer Frauen, die seit 4 Jahren nicht die geringste Nachricht von ihnen erhalten hatten und sie vielleicht todt glauben mußten, in den Armen anderer Männer zu fin¬ den; wie mußten diese alle nicht überrascht seyn, so überfallen zu wer¬ den! Aber o Wunder, was geschah? als ob man allenthalben die An¬ kunft der Krieger geahndet hätte, niemand hatte sich noch zu Bette begeben, nur wenige der zurückgebliebenen Alten waren unterdessen ge¬ storben, und keine einzige Frau hatte sich wieder verheirathet! Wer waren nun die Ueberraschten? Die Eheherrcn, so froh die Ueber- raschung sie machen mußte, zogen sich ihre Gesichter doch etwas in die Länge, weil man sich auf keinen Fall getäuscht haben will. Die Frauen merkten es ihnen an, öffneten Schränke und Keller, die lieben Gäste zu bewirthen, und diese ließen sich den Willkommgruß so wohl schmecken, daß sie ganz das Rendezvous auf dem Se. Gero-Platze ver¬ gaßen, und von ihren Ehehälften schlafend und weintrunken zu Bette getragen werden mußten. Ja, so lautet die Legende, und es ist zugleich dabei bemerkt, daß allgemein beschlossen wurde, den 19. Jänner jähr¬ lich auf ähnliche Weise zu feiern, daß aber die Eheherren an diesem Tage ihren Frauen ein Geschenk machen müssen. Dieser Gebrauch blieb bis in die letzten Zeiten ohne alle Veränderung im Gebrauch, und nur erst als französische Moden und Sitten oder Unsitten lD drückte sich unser Schulmeister aus) auch bei den Bürgersleuten Eingang fanden,
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den Ortschaften ihrer Heimath, und obschon die beiden Heerführer aus
Löwen und Assche waren, ließ man den brüsseler Edlen und Bürgern,
als Ehre für Gottfried, den Vorrang vorauszumarschieren. , Nun
Palten unsere Brüsseler den sonderbaren Einfalt, ganz unerwartet an¬
langen und ihre Familien überraschen zu wollen, wobei sie sich manchen
Spaß versprachen. Ihnen zu Gefallen, zogen alle übrige, deren Weg
über Brüssel führte, um die Stadt, die damals kaum 3 bis 400 Hä'u-
serchen zählte, in diesem Stadtviertel, wo wir uns jetzt befinden,
und unsere Helden hielten, am Abend des 19. Jänner Anno 1100
ihren stillen Einzug in die Stadt und begaben sich jeder nach seiner ei¬
genen Wohnung, doch mit der Abrede, um, wenn sie alles nach Wunsch
gefunden haben würden, noch am nämlichen Abende aus dem Se. Gerv-
Platz, damals der geräumigste und bekanntlich die Wiege Brüssels, zu¬
sammenzukommen und zu jubeln'. Da die damaligen Bürgersleute sehr
frühe zu Bette gingen, so stellten die rückkehrenden Krieger sich vor,
ihre Eltern und Verwandte schlafend und manche ihrer Frauen, die seit
4 Jahren nicht die geringste Nachricht von ihnen erhalten hatten und sie
vielleicht todt glauben mußten, in den Armen anderer Männer zu fin¬
den; wie mußten diese alle nicht überrascht seyn, so überfallen zu wer¬
den! Aber o Wunder, was geschah? als ob man allenthalben die An¬
kunft der Krieger geahndet hätte, niemand hatte sich noch zu Bette
begeben, nur wenige der zurückgebliebenen Alten waren unterdessen ge¬
storben, und keine einzige Frau hatte sich wieder verheirathet! Wer
waren nun die Ueberraschten? Die Eheherrcn, so froh die Ueber-
raschung sie machen mußte, zogen sich ihre Gesichter doch etwas in die
Länge, weil man sich auf keinen Fall getäuscht haben will. Die
Frauen merkten es ihnen an, öffneten Schränke und Keller, die lieben
Gäste zu bewirthen, und diese ließen sich den Willkommgruß so wohl
schmecken, daß sie ganz das Rendezvous auf dem Se. Gero-Platze ver¬
gaßen, und von ihren Ehehälften schlafend und weintrunken zu Bette
getragen werden mußten. Ja, so lautet die Legende, und es ist zugleich
dabei bemerkt, daß allgemein beschlossen wurde, den 19. Jänner jähr¬
lich auf ähnliche Weise zu feiern, daß aber die Eheherren an diesem
Tage ihren Frauen ein Geschenk machen müssen. Dieser Gebrauch blieb
bis in die letzten Zeiten ohne alle Veränderung im Gebrauch, und nur
erst als französische Moden und Sitten oder Unsitten lD drückte sich
unser Schulmeister aus) auch bei den Bürgersleuten Eingang fanden,
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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/130>, abgerufen am 22.12.2024.
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