Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

Bild:
<< vorherige Seite

Und doch ist, wir zögern keinen Augenblick, dieß anzuerkennen,
Kaiser Nikolaus ein ausgezeichneter Fürst; von allen Herrschern, die seit
dein 28. Januar 1625 in Rußland einander gefolgt sind, ist er es, der
das Civilisationswerk Peter des Großen am weitesten fortgeführt hat.
Seine Regierung, wenn gleich bis jetzt in militärischer Beziehung wenig
glorreich, wird durch nützliche Verbesserungen bemerkenswert!); die In¬
dustrie bat unter ihm ungeheure Fortschritte gemacht. Die Militairdis-
ciplin, die unter seinen Vorgängern so rauh war, ist ein wenig milder
geworden; die Officiere, die dem Kaiser in den Straßen von Peters¬
burg begegnen, sind nicht mehr gehalten von ihrem Wagen herabzustei-
gen und ihren Mantel abzuwerfen, um zu zeigen, daß sie in Uniform
sind; es genügt heutzutage, den Mantel zurückzuschlagen. Der Kaiser
nimmt Fremde gut auf; er ist edelmüthig und groß gegen Gelehrte,
großmüthig gegen Künstler. Wenn Alexander Dumas //neue Neisecin-
drttcke" sich in Petersburg wird holen gehn, dann wird er den Kaiser
Nikolaus als den größten Philosophen unter den nicht-constitutionellen Für¬
sten proclamiren. In dieser vom russischen Hofe den Fremden und be¬
sonders in der den Franzosen bewilligten Gunst ist vielleicht etwas von
der interessirten Coquetterie Catharina der Zweiten und Friedrich des
Großen. Der Kaiser M es gern, wenn man von ihm spricht und da¬
her handelt er, wie er muß, wenn man Gutes von ihm sprechen soll;
er weiß es, daß in Paris besonders die Berühmtheiten erzeugt werden
und er schont daher mit außerordentlicher, behutsamer Sorgfalt alle
diejenigen, die in Paris schreiben oder sprechen können. In Deutschland
wo man mehr auf Gemüthlichkeit sieht, da weiß er durch Reisen sich
populär zu machen, und die Leipziger Messe die so vielen Einfluß auf
das deutsche Volk übt, wird hie und da mit einem hübschen Meßgeschenk
über die europäische Triarchie von unbekannten Händen angebunden.
Der Kaiser endlich ist unstreitbar ein vorzüglicher Familienvater und in
Nußland bei Volk und Armee gleich beliebt. Wenn man also nur seine
guten Seiten sieht, so scheint er fast ein großer Mann, dem nur die
günstigen Umstände fehlen.

Der Kaiser Alerander, Haupttheilnchmer der Pariser Verträge vom
30. Ma 1314 und 20. November 1815, sowie auch des Wiener Con-
gresses hat mächtig zur Errichtung des Königreichs der Niederlande bei¬
getragen. An die Fortdauer dieser Stiftung glaubte er so fest, daß er
dem damals muthmaßlichen Erben der neuen Krone, jetzigen König
Wilhelm dem Zweiten, eine seiner Schwestern zur Ehe gab/ Im Jahre


Und doch ist, wir zögern keinen Augenblick, dieß anzuerkennen,
Kaiser Nikolaus ein ausgezeichneter Fürst; von allen Herrschern, die seit
dein 28. Januar 1625 in Rußland einander gefolgt sind, ist er es, der
das Civilisationswerk Peter des Großen am weitesten fortgeführt hat.
Seine Regierung, wenn gleich bis jetzt in militärischer Beziehung wenig
glorreich, wird durch nützliche Verbesserungen bemerkenswert!); die In¬
dustrie bat unter ihm ungeheure Fortschritte gemacht. Die Militairdis-
ciplin, die unter seinen Vorgängern so rauh war, ist ein wenig milder
geworden; die Officiere, die dem Kaiser in den Straßen von Peters¬
burg begegnen, sind nicht mehr gehalten von ihrem Wagen herabzustei-
gen und ihren Mantel abzuwerfen, um zu zeigen, daß sie in Uniform
sind; es genügt heutzutage, den Mantel zurückzuschlagen. Der Kaiser
nimmt Fremde gut auf; er ist edelmüthig und groß gegen Gelehrte,
großmüthig gegen Künstler. Wenn Alexander Dumas //neue Neisecin-
drttcke" sich in Petersburg wird holen gehn, dann wird er den Kaiser
Nikolaus als den größten Philosophen unter den nicht-constitutionellen Für¬
sten proclamiren. In dieser vom russischen Hofe den Fremden und be¬
sonders in der den Franzosen bewilligten Gunst ist vielleicht etwas von
der interessirten Coquetterie Catharina der Zweiten und Friedrich des
Großen. Der Kaiser M es gern, wenn man von ihm spricht und da¬
her handelt er, wie er muß, wenn man Gutes von ihm sprechen soll;
er weiß es, daß in Paris besonders die Berühmtheiten erzeugt werden
und er schont daher mit außerordentlicher, behutsamer Sorgfalt alle
diejenigen, die in Paris schreiben oder sprechen können. In Deutschland
wo man mehr auf Gemüthlichkeit sieht, da weiß er durch Reisen sich
populär zu machen, und die Leipziger Messe die so vielen Einfluß auf
das deutsche Volk übt, wird hie und da mit einem hübschen Meßgeschenk
über die europäische Triarchie von unbekannten Händen angebunden.
Der Kaiser endlich ist unstreitbar ein vorzüglicher Familienvater und in
Nußland bei Volk und Armee gleich beliebt. Wenn man also nur seine
guten Seiten sieht, so scheint er fast ein großer Mann, dem nur die
günstigen Umstände fehlen.

Der Kaiser Alerander, Haupttheilnchmer der Pariser Verträge vom
30. Ma 1314 und 20. November 1815, sowie auch des Wiener Con-
gresses hat mächtig zur Errichtung des Königreichs der Niederlande bei¬
getragen. An die Fortdauer dieser Stiftung glaubte er so fest, daß er
dem damals muthmaßlichen Erben der neuen Krone, jetzigen König
Wilhelm dem Zweiten, eine seiner Schwestern zur Ehe gab/ Im Jahre


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0123" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/267338"/>
          <p xml:id="ID_701"> Und doch ist, wir zögern keinen Augenblick, dieß anzuerkennen,<lb/>
Kaiser Nikolaus ein ausgezeichneter Fürst; von allen Herrschern, die seit<lb/>
dein 28. Januar 1625 in Rußland einander gefolgt sind, ist er es, der<lb/>
das Civilisationswerk Peter des Großen am weitesten fortgeführt hat.<lb/>
Seine Regierung, wenn gleich bis jetzt in militärischer Beziehung wenig<lb/>
glorreich, wird durch nützliche Verbesserungen bemerkenswert!); die In¬<lb/>
dustrie bat unter ihm ungeheure Fortschritte gemacht. Die Militairdis-<lb/>
ciplin, die unter seinen Vorgängern so rauh war, ist ein wenig milder<lb/>
geworden; die Officiere, die dem Kaiser in den Straßen von Peters¬<lb/>
burg begegnen, sind nicht mehr gehalten von ihrem Wagen herabzustei-<lb/>
gen und ihren Mantel abzuwerfen, um zu zeigen, daß sie in Uniform<lb/>
sind; es genügt heutzutage, den Mantel zurückzuschlagen. Der Kaiser<lb/>
nimmt Fremde gut auf; er ist edelmüthig und groß gegen Gelehrte,<lb/>
großmüthig gegen Künstler. Wenn Alexander Dumas //neue Neisecin-<lb/>
drttcke" sich in Petersburg wird holen gehn, dann wird er den Kaiser<lb/>
Nikolaus als den größten Philosophen unter den nicht-constitutionellen Für¬<lb/>
sten proclamiren. In dieser vom russischen Hofe den Fremden und be¬<lb/>
sonders in der den Franzosen bewilligten Gunst ist vielleicht etwas von<lb/>
der interessirten Coquetterie Catharina der Zweiten und Friedrich des<lb/>
Großen. Der Kaiser M es gern, wenn man von ihm spricht und da¬<lb/>
her handelt er, wie er muß, wenn man Gutes von ihm sprechen soll;<lb/>
er weiß es, daß in Paris besonders die Berühmtheiten erzeugt werden<lb/>
und er schont daher mit außerordentlicher, behutsamer Sorgfalt alle<lb/>
diejenigen, die in Paris schreiben oder sprechen können. In Deutschland<lb/>
wo man mehr auf Gemüthlichkeit sieht, da weiß er durch Reisen sich<lb/>
populär zu machen, und die Leipziger Messe die so vielen Einfluß auf<lb/>
das deutsche Volk übt, wird hie und da mit einem hübschen Meßgeschenk<lb/>
über die europäische Triarchie von unbekannten Händen angebunden.<lb/>
Der Kaiser endlich ist unstreitbar ein vorzüglicher Familienvater und in<lb/>
Nußland bei Volk und Armee gleich beliebt. Wenn man also nur seine<lb/>
guten Seiten sieht, so scheint er fast ein großer Mann, dem nur die<lb/>
günstigen Umstände fehlen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_702" next="#ID_703"> Der Kaiser Alerander, Haupttheilnchmer der Pariser Verträge vom<lb/>
30. Ma 1314 und 20. November 1815, sowie auch des Wiener Con-<lb/>
gresses hat mächtig zur Errichtung des Königreichs der Niederlande bei¬<lb/>
getragen. An die Fortdauer dieser Stiftung glaubte er so fest, daß er<lb/>
dem damals muthmaßlichen Erben der neuen Krone, jetzigen König<lb/>
Wilhelm dem Zweiten, eine seiner Schwestern zur Ehe gab/ Im Jahre</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0123] Und doch ist, wir zögern keinen Augenblick, dieß anzuerkennen, Kaiser Nikolaus ein ausgezeichneter Fürst; von allen Herrschern, die seit dein 28. Januar 1625 in Rußland einander gefolgt sind, ist er es, der das Civilisationswerk Peter des Großen am weitesten fortgeführt hat. Seine Regierung, wenn gleich bis jetzt in militärischer Beziehung wenig glorreich, wird durch nützliche Verbesserungen bemerkenswert!); die In¬ dustrie bat unter ihm ungeheure Fortschritte gemacht. Die Militairdis- ciplin, die unter seinen Vorgängern so rauh war, ist ein wenig milder geworden; die Officiere, die dem Kaiser in den Straßen von Peters¬ burg begegnen, sind nicht mehr gehalten von ihrem Wagen herabzustei- gen und ihren Mantel abzuwerfen, um zu zeigen, daß sie in Uniform sind; es genügt heutzutage, den Mantel zurückzuschlagen. Der Kaiser nimmt Fremde gut auf; er ist edelmüthig und groß gegen Gelehrte, großmüthig gegen Künstler. Wenn Alexander Dumas //neue Neisecin- drttcke" sich in Petersburg wird holen gehn, dann wird er den Kaiser Nikolaus als den größten Philosophen unter den nicht-constitutionellen Für¬ sten proclamiren. In dieser vom russischen Hofe den Fremden und be¬ sonders in der den Franzosen bewilligten Gunst ist vielleicht etwas von der interessirten Coquetterie Catharina der Zweiten und Friedrich des Großen. Der Kaiser M es gern, wenn man von ihm spricht und da¬ her handelt er, wie er muß, wenn man Gutes von ihm sprechen soll; er weiß es, daß in Paris besonders die Berühmtheiten erzeugt werden und er schont daher mit außerordentlicher, behutsamer Sorgfalt alle diejenigen, die in Paris schreiben oder sprechen können. In Deutschland wo man mehr auf Gemüthlichkeit sieht, da weiß er durch Reisen sich populär zu machen, und die Leipziger Messe die so vielen Einfluß auf das deutsche Volk übt, wird hie und da mit einem hübschen Meßgeschenk über die europäische Triarchie von unbekannten Händen angebunden. Der Kaiser endlich ist unstreitbar ein vorzüglicher Familienvater und in Nußland bei Volk und Armee gleich beliebt. Wenn man also nur seine guten Seiten sieht, so scheint er fast ein großer Mann, dem nur die günstigen Umstände fehlen. Der Kaiser Alerander, Haupttheilnchmer der Pariser Verträge vom 30. Ma 1314 und 20. November 1815, sowie auch des Wiener Con- gresses hat mächtig zur Errichtung des Königreichs der Niederlande bei¬ getragen. An die Fortdauer dieser Stiftung glaubte er so fest, daß er dem damals muthmaßlichen Erben der neuen Krone, jetzigen König Wilhelm dem Zweiten, eine seiner Schwestern zur Ehe gab/ Im Jahre

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/123
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/123>, abgerufen am 22.12.2024.