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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

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viel 'häufiger als in Deutschland, - wo Leipzig gewissermaßen einen Areo-
pag bildet, und die Commissionnäre eine stete polizeiliche Uebersicht über
die Zahlungsfähigkeit dieses oder jenes Hauses ausüben können. Wir wol¬
len nun einmal sehen, wie die Sachen gewöhnlich sich zutragen, und
um nichts zu behaupten, was einer Uebertreibung oder Täuschung ähn¬
lich sieht, werde ich hier die Rolle eines Verlagöhändlcrs spielen.

Ich gebe zwei Octavbände heraus. Die Anzeige davon hat Ih¬
nen die meist gelesene Zeitung in den ausgesuchtesten ^Worten gegeben;
dafür habe ich nicht mehr als 400 Franken gezahlt. Seit acht Tagen
laufe ich beständig herum bei allen denen, die Posaunen des Ruhmes in
ihrer Macht haben; el)e es noch vier Uhr Nachmittags geschlagen, habe
ich jeden Tag schon fleißig die Cour bei den ZcitungSdircktorcn gemacht
und habe meine Zeit nicht unnütz durchgebracht, denn Sie werden gewiß
in ö bis 6 anderen Blättern Anzeigen von einer eigenen Art gelesen ha¬
ben, denen man den eben so Sinn- als bedeutungslosen Namen Reclam
(Lobhudelei' oder Großsprecherei) giebt, und zwar um mich dein Gebrauch
meiner College" anzuschließen. Sie haben also daraus ersehen, daß
mein neuer Artikel ein wahres Meisterstück ist, und daß ich an einem
einzigen Tage mehr als 1000 Exemplare davon abgesetzt habe, wenn
gleich die ganze Auflage nur deren 800 betragen.

Mein Verfasser ist vor Freude ausgelassen, denn er ist naiv genug,
um die Lobhudeleien, die mein Interesse nur vorgeschrieben hat, für so
und so viel per Zeile seinen Ruhm spenden zu lassen, für buchstäblich
'wahr anzunehmen; und ich darf mich noch glücklich schätzen, wenn er
diese nämlichen Lobsprüche mir vor die Nase haltend, seine Forderungen
uicht verhältnißmäßig- steigert, sür das neue Manuseript, das er mir
bringt. Sie werden mir hoffentlich die Mittheilung dieser Familienge-
heinmisse zu gut halten, und mir erlauben, zu meinen zwei Octavbän-
den zurückzukehren. Nachdem alle Auslagen für Papier, Drucklohn,
Anzeigen und Honorar bezahlt sind, kommen diese zwei Bände nur auf
6000 Franken zu stehen. -- Nun wohl! werden Sie sagen, wenn die
800 Exemplare zu 15 Franken abgesetzt worden, so bringt dies gerade
das Zwiefache der Auslage hervor, und das ist denn doch eine ganz
hübsche Operation. -- Das Zwiefache der Auslagen!.., El, el, las¬
sen Sie sich doch enttäuschen. Das Werk, wofür ich Sie als ehrlichen
Privatmann 15 Franken zahlen lasse, muß ich für 10, vielleicht gar
für 9^2 dann meinen Collegen überlassen, die sich mit den Sortiments
vom Detailhandel abgeben. Es ist wahr, auch der deutsche Sortiments-


viel 'häufiger als in Deutschland, - wo Leipzig gewissermaßen einen Areo-
pag bildet, und die Commissionnäre eine stete polizeiliche Uebersicht über
die Zahlungsfähigkeit dieses oder jenes Hauses ausüben können. Wir wol¬
len nun einmal sehen, wie die Sachen gewöhnlich sich zutragen, und
um nichts zu behaupten, was einer Uebertreibung oder Täuschung ähn¬
lich sieht, werde ich hier die Rolle eines Verlagöhändlcrs spielen.

Ich gebe zwei Octavbände heraus. Die Anzeige davon hat Ih¬
nen die meist gelesene Zeitung in den ausgesuchtesten ^Worten gegeben;
dafür habe ich nicht mehr als 400 Franken gezahlt. Seit acht Tagen
laufe ich beständig herum bei allen denen, die Posaunen des Ruhmes in
ihrer Macht haben; el)e es noch vier Uhr Nachmittags geschlagen, habe
ich jeden Tag schon fleißig die Cour bei den ZcitungSdircktorcn gemacht
und habe meine Zeit nicht unnütz durchgebracht, denn Sie werden gewiß
in ö bis 6 anderen Blättern Anzeigen von einer eigenen Art gelesen ha¬
ben, denen man den eben so Sinn- als bedeutungslosen Namen Reclam
(Lobhudelei' oder Großsprecherei) giebt, und zwar um mich dein Gebrauch
meiner College» anzuschließen. Sie haben also daraus ersehen, daß
mein neuer Artikel ein wahres Meisterstück ist, und daß ich an einem
einzigen Tage mehr als 1000 Exemplare davon abgesetzt habe, wenn
gleich die ganze Auflage nur deren 800 betragen.

Mein Verfasser ist vor Freude ausgelassen, denn er ist naiv genug,
um die Lobhudeleien, die mein Interesse nur vorgeschrieben hat, für so
und so viel per Zeile seinen Ruhm spenden zu lassen, für buchstäblich
'wahr anzunehmen; und ich darf mich noch glücklich schätzen, wenn er
diese nämlichen Lobsprüche mir vor die Nase haltend, seine Forderungen
uicht verhältnißmäßig- steigert, sür das neue Manuseript, das er mir
bringt. Sie werden mir hoffentlich die Mittheilung dieser Familienge-
heinmisse zu gut halten, und mir erlauben, zu meinen zwei Octavbän-
den zurückzukehren. Nachdem alle Auslagen für Papier, Drucklohn,
Anzeigen und Honorar bezahlt sind, kommen diese zwei Bände nur auf
6000 Franken zu stehen. — Nun wohl! werden Sie sagen, wenn die
800 Exemplare zu 15 Franken abgesetzt worden, so bringt dies gerade
das Zwiefache der Auslage hervor, und das ist denn doch eine ganz
hübsche Operation. — Das Zwiefache der Auslagen!.., El, el, las¬
sen Sie sich doch enttäuschen. Das Werk, wofür ich Sie als ehrlichen
Privatmann 15 Franken zahlen lasse, muß ich für 10, vielleicht gar
für 9^2 dann meinen Collegen überlassen, die sich mit den Sortiments
vom Detailhandel abgeben. Es ist wahr, auch der deutsche Sortiments-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/113>, abgerufen am 24.07.2024.