Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester.

Bild:
<< vorherige Seite
Der deutsche und der französische Buchhandel.
Von Philipp P--.



Das Gedeihen und die Richtung einer Nationalliteratur hängt oft
von vielen kleinen Umständen ab; der Buchhandel übt hierin einen mäch¬
tigen Einfluß aus. Die Schriftsteller haben Unrecht, sich als den Reiter
und den Buchhändler blos als das Roß zu betrachten, welches sie trägt,
Weil sie dessen nicht entbehren können. Der Buchhandel hat bei jeder
modernen Nation, wo die Gestaltung der Literatur eine entschiedene Aus¬
dehnung erhalten hat, zum wenigsten ein Drittheil dazu beigetragen.
Daß Deutschland der erste Litcraturstaat der modernen Welt ist, hat un¬
streitig zum Theil 'darin seinen Grund, weil der deutsche Buchhandel
der bestorganifirte unter allen andern ist. Warum hat das heutige
Italien keine Literatur? Fehlt es der reichen südlichen Phantasie an
Elasticität und Zeugungsfähigkeit, an großen Mustern, an literarischen
Schätzen, an Naturschönheit? Warum hat das neue Spanien keine-
Literatur? Weil in beiden Reichen der Buchhandel keine tiefere Wur¬
zeln hat, und nur wie auf sandigem Boden in einzelnem Gestrüppe sich
Zeigt. In Italien hat der Nachdruck jede Verlagsunternehmung bisher
getödtet. Der lombardische Buchhändler fürchtete von seinem Nachbarn,
dem toskanischen, nachgedruckt zu werden; der toskanische fürchtete den
römischen, den sicilianischen u. s. w. -- So wagte keiner ein größeres
Unternehmen aus eigene Kosten zu beginnen, aus Furcht, sein Nachbar
werde fein Faß abzapfen, und den abgezapften Wein um die Hälfte
verkaufen. Der italienische Schriftsteller fand keine Auswege für seinen
Fleiß, für seine Phantasie; nur der Reiche konnte seine Erzeugnisse ans
Licht bringen, auf eigne Kosten oder mit bedeutender Entschädigung; aber
der Reiche ist nicht immer zugleich der Geistreiche, der Kenntnißreiche.



Das Nachdruckgcsetz, waches' in neuester Zelt von der österreichischen Regie¬
rung in Italien eingeführt wurde, Hat hierin viel geändert.
17
Der deutsche und der französische Buchhandel.
Von Philipp P—.



Das Gedeihen und die Richtung einer Nationalliteratur hängt oft
von vielen kleinen Umständen ab; der Buchhandel übt hierin einen mäch¬
tigen Einfluß aus. Die Schriftsteller haben Unrecht, sich als den Reiter
und den Buchhändler blos als das Roß zu betrachten, welches sie trägt,
Weil sie dessen nicht entbehren können. Der Buchhandel hat bei jeder
modernen Nation, wo die Gestaltung der Literatur eine entschiedene Aus¬
dehnung erhalten hat, zum wenigsten ein Drittheil dazu beigetragen.
Daß Deutschland der erste Litcraturstaat der modernen Welt ist, hat un¬
streitig zum Theil 'darin seinen Grund, weil der deutsche Buchhandel
der bestorganifirte unter allen andern ist. Warum hat das heutige
Italien keine Literatur? Fehlt es der reichen südlichen Phantasie an
Elasticität und Zeugungsfähigkeit, an großen Mustern, an literarischen
Schätzen, an Naturschönheit? Warum hat das neue Spanien keine-
Literatur? Weil in beiden Reichen der Buchhandel keine tiefere Wur¬
zeln hat, und nur wie auf sandigem Boden in einzelnem Gestrüppe sich
Zeigt. In Italien hat der Nachdruck jede Verlagsunternehmung bisher
getödtet. Der lombardische Buchhändler fürchtete von seinem Nachbarn,
dem toskanischen, nachgedruckt zu werden; der toskanische fürchtete den
römischen, den sicilianischen u. s. w. — So wagte keiner ein größeres
Unternehmen aus eigene Kosten zu beginnen, aus Furcht, sein Nachbar
werde fein Faß abzapfen, und den abgezapften Wein um die Hälfte
verkaufen. Der italienische Schriftsteller fand keine Auswege für seinen
Fleiß, für seine Phantasie; nur der Reiche konnte seine Erzeugnisse ans
Licht bringen, auf eigne Kosten oder mit bedeutender Entschädigung; aber
der Reiche ist nicht immer zugleich der Geistreiche, der Kenntnißreiche.



Das Nachdruckgcsetz, waches' in neuester Zelt von der österreichischen Regie¬
rung in Italien eingeführt wurde, Hat hierin viel geändert.
17
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0109" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/267324"/>
          </div>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Der deutsche und der französische Buchhandel.<lb/><note type="byline"> Von Philipp P&#x2014;.</note></head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p xml:id="ID_667" next="#ID_668"> Das Gedeihen und die Richtung einer Nationalliteratur hängt oft<lb/>
von vielen kleinen Umständen ab; der Buchhandel übt hierin einen mäch¬<lb/>
tigen Einfluß aus. Die Schriftsteller haben Unrecht, sich als den Reiter<lb/>
und den Buchhändler blos als das Roß zu betrachten, welches sie trägt,<lb/>
Weil sie dessen nicht entbehren können. Der Buchhandel hat bei jeder<lb/>
modernen Nation, wo die Gestaltung der Literatur eine entschiedene Aus¬<lb/>
dehnung erhalten hat, zum wenigsten ein Drittheil dazu beigetragen.<lb/>
Daß Deutschland der erste Litcraturstaat der modernen Welt ist, hat un¬<lb/>
streitig zum Theil 'darin seinen Grund, weil der deutsche Buchhandel<lb/>
der bestorganifirte unter allen andern ist. Warum hat das heutige<lb/>
Italien keine Literatur? Fehlt es der reichen südlichen Phantasie an<lb/>
Elasticität und Zeugungsfähigkeit, an großen Mustern, an literarischen<lb/>
Schätzen, an Naturschönheit? Warum hat das neue Spanien keine-<lb/>
Literatur? Weil in beiden Reichen der Buchhandel keine tiefere Wur¬<lb/>
zeln hat, und nur wie auf sandigem Boden in einzelnem Gestrüppe sich<lb/>
Zeigt. In Italien hat der Nachdruck jede Verlagsunternehmung bisher<lb/>
getödtet. Der lombardische Buchhändler fürchtete von seinem Nachbarn,<lb/>
dem toskanischen, nachgedruckt zu werden; der toskanische fürchtete den<lb/>
römischen, den sicilianischen u. s. w. &#x2014; So wagte keiner ein größeres<lb/>
Unternehmen aus eigene Kosten zu beginnen, aus Furcht, sein Nachbar<lb/>
werde fein Faß abzapfen, und den abgezapften Wein um die Hälfte<lb/>
verkaufen. Der italienische Schriftsteller fand keine Auswege für seinen<lb/>
Fleiß, für seine Phantasie; nur der Reiche konnte seine Erzeugnisse ans<lb/>
Licht bringen, auf eigne Kosten oder mit bedeutender Entschädigung; aber<lb/>
der Reiche ist nicht immer zugleich der Geistreiche, der Kenntnißreiche.</p><lb/>
          <note xml:id="FID_8" place="foot"> Das Nachdruckgcsetz, waches' in neuester Zelt von der österreichischen Regie¬<lb/>
rung in Italien eingeführt wurde, Hat hierin viel geändert.</note><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 17</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0109] Der deutsche und der französische Buchhandel. Von Philipp P—. Das Gedeihen und die Richtung einer Nationalliteratur hängt oft von vielen kleinen Umständen ab; der Buchhandel übt hierin einen mäch¬ tigen Einfluß aus. Die Schriftsteller haben Unrecht, sich als den Reiter und den Buchhändler blos als das Roß zu betrachten, welches sie trägt, Weil sie dessen nicht entbehren können. Der Buchhandel hat bei jeder modernen Nation, wo die Gestaltung der Literatur eine entschiedene Aus¬ dehnung erhalten hat, zum wenigsten ein Drittheil dazu beigetragen. Daß Deutschland der erste Litcraturstaat der modernen Welt ist, hat un¬ streitig zum Theil 'darin seinen Grund, weil der deutsche Buchhandel der bestorganifirte unter allen andern ist. Warum hat das heutige Italien keine Literatur? Fehlt es der reichen südlichen Phantasie an Elasticität und Zeugungsfähigkeit, an großen Mustern, an literarischen Schätzen, an Naturschönheit? Warum hat das neue Spanien keine- Literatur? Weil in beiden Reichen der Buchhandel keine tiefere Wur¬ zeln hat, und nur wie auf sandigem Boden in einzelnem Gestrüppe sich Zeigt. In Italien hat der Nachdruck jede Verlagsunternehmung bisher getödtet. Der lombardische Buchhändler fürchtete von seinem Nachbarn, dem toskanischen, nachgedruckt zu werden; der toskanische fürchtete den römischen, den sicilianischen u. s. w. — So wagte keiner ein größeres Unternehmen aus eigene Kosten zu beginnen, aus Furcht, sein Nachbar werde fein Faß abzapfen, und den abgezapften Wein um die Hälfte verkaufen. Der italienische Schriftsteller fand keine Auswege für seinen Fleiß, für seine Phantasie; nur der Reiche konnte seine Erzeugnisse ans Licht bringen, auf eigne Kosten oder mit bedeutender Entschädigung; aber der Reiche ist nicht immer zugleich der Geistreiche, der Kenntnißreiche. Das Nachdruckgcsetz, waches' in neuester Zelt von der österreichischen Regie¬ rung in Italien eingeführt wurde, Hat hierin viel geändert. 17

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/109
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Erstes Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_267214/109>, abgerufen am 22.12.2024.