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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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Literaturblätter.



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Die bcUcttristischcn Journale Mit die politischen.

Die letzte Leipziger Ostermesse hat ein merkwürdiges Resultat
gegeben. Die Aussage aller Buchhändler lautet einstimmig dahin,
daß die Theilnahme des deutschen Publikums an bellettristischen Er-
zengnissen auf eine entschiedene Weise abgenommen hat, das In
teresse aber an ernsten, besonders an politischen Schriften im gleiche"
Grade sich steigert. Wenn es noch eines Beweises bedarf, daß
Deutschland mit jedem Tage an Kraft und Nationalbewußtsein ge¬
winnt, so ist er hier zu finden. Unter den drei großen Nationen,
welche jetzt an der Spitze der europäischen Bildung stehen, hat die
gemeine Belletristik nirgends einen so breiten Boden für ihre Wu^
cherpflanzen gefunden, als bei den Deutschen. Ist es nicht merkwür-
dig, daß in Deutschland, wo der Volksunterricht und die Durch
schnittsbildung weit blühender sind, als bei jeder anderen Nation, eine
so heillose Masse der rohesten Erzeugnisse in die Reihe der schöne"
Literatur sich drängen darf? Daß die Poesie- und geschmacklosesten
Producte von dem Straußmagen des Publikums gierig verschlungen
werden? Daß eS noch zahlreiche Buchhandlungen giebt, die einen
ellenlangen Verlagskatalog von Ritter-, Räuber- und Gespensterge¬
schichten besitzen? Auch in Frankreich und England fehlt es nicht 'an
bellettristischcm Abschaum; aber in allen solchen Büchern findet man
Spuren, die mit dem Nationalleben zusammenhängen. Die unsinnig-
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Literaturblätter.



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Die bcUcttristischcn Journale Mit die politischen.

Die letzte Leipziger Ostermesse hat ein merkwürdiges Resultat
gegeben. Die Aussage aller Buchhändler lautet einstimmig dahin,
daß die Theilnahme des deutschen Publikums an bellettristischen Er-
zengnissen auf eine entschiedene Weise abgenommen hat, das In
teresse aber an ernsten, besonders an politischen Schriften im gleiche»
Grade sich steigert. Wenn es noch eines Beweises bedarf, daß
Deutschland mit jedem Tage an Kraft und Nationalbewußtsein ge¬
winnt, so ist er hier zu finden. Unter den drei großen Nationen,
welche jetzt an der Spitze der europäischen Bildung stehen, hat die
gemeine Belletristik nirgends einen so breiten Boden für ihre Wu^
cherpflanzen gefunden, als bei den Deutschen. Ist es nicht merkwür-
dig, daß in Deutschland, wo der Volksunterricht und die Durch
schnittsbildung weit blühender sind, als bei jeder anderen Nation, eine
so heillose Masse der rohesten Erzeugnisse in die Reihe der schöne»
Literatur sich drängen darf? Daß die Poesie- und geschmacklosesten
Producte von dem Straußmagen des Publikums gierig verschlungen
werden? Daß eS noch zahlreiche Buchhandlungen giebt, die einen
ellenlangen Verlagskatalog von Ritter-, Räuber- und Gespensterge¬
schichten besitzen? Auch in Frankreich und England fehlt es nicht 'an
bellettristischcm Abschaum; aber in allen solchen Büchern findet man
Spuren, die mit dem Nationalleben zusammenhängen. Die unsinnig-
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[0089] Literaturblätter. l. Die bcUcttristischcn Journale Mit die politischen. Die letzte Leipziger Ostermesse hat ein merkwürdiges Resultat gegeben. Die Aussage aller Buchhändler lautet einstimmig dahin, daß die Theilnahme des deutschen Publikums an bellettristischen Er- zengnissen auf eine entschiedene Weise abgenommen hat, das In teresse aber an ernsten, besonders an politischen Schriften im gleiche» Grade sich steigert. Wenn es noch eines Beweises bedarf, daß Deutschland mit jedem Tage an Kraft und Nationalbewußtsein ge¬ winnt, so ist er hier zu finden. Unter den drei großen Nationen, welche jetzt an der Spitze der europäischen Bildung stehen, hat die gemeine Belletristik nirgends einen so breiten Boden für ihre Wu^ cherpflanzen gefunden, als bei den Deutschen. Ist es nicht merkwür- dig, daß in Deutschland, wo der Volksunterricht und die Durch schnittsbildung weit blühender sind, als bei jeder anderen Nation, eine so heillose Masse der rohesten Erzeugnisse in die Reihe der schöne» Literatur sich drängen darf? Daß die Poesie- und geschmacklosesten Producte von dem Straußmagen des Publikums gierig verschlungen werden? Daß eS noch zahlreiche Buchhandlungen giebt, die einen ellenlangen Verlagskatalog von Ritter-, Räuber- und Gespensterge¬ schichten besitzen? Auch in Frankreich und England fehlt es nicht 'an bellettristischcm Abschaum; aber in allen solchen Büchern findet man Spuren, die mit dem Nationalleben zusammenhängen. Die unsinnig- ^ v

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/89>, abgerufen am 23.07.2024.