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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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solchen Augenblicken sang sie uns ihre Lieder. Indem sie plötzlich
den Lauf ihrer Barke einhielt, saß sie mit gekreuzten Armen da,
eine schöne Büste mit hoher Stirn, der der Nahmen des blauen
Sees unter den dunklen Bergen einen magischen Eindruck verlieh,
Canova hat diese Büste in Marmor ausgeführt, und man behaup¬
tet, sie sei eins seiner gelungensten Werke.

Was mag wohl die Pasta veranlaßt haben, den köstlichen Auf¬
enthalt an dem Como-See, ihre Familie und so zahlreiche Freunde
zu verlassen, um von Neuem dem ungewissen Meer der Bühne sich
zuzuwenden? Man behauptet, eS seien materielle Verlegenheiten, zer¬
rüttete Vermögensumstände, die sie dazu gezwungen. Dieß beruht
auf einem Irrthum. Die Donna del Lago besitzt ein so glänzendes
Auskommen, daß sie in einer der schönsten Straßen Mailands ein
prächtiges Hotel, ausgeschmückt mit den seltensten Kunstgegenständen
und Allem, was Comfort und Lurus bieten, ihr eigen nennt; auch
fehlt es ihr nicht an schönen Equipagen und Pferden, um sie nach
ihrem Landhause am Como-See zu bringen. Allerdings bemerkt
man, daß die italienischen Künstler der Habsucht mehr ergeben sind,
als die deutschen, aber so gemeine Motive wollen wir nicht einer
Frau unterlegen, deren Haus als ein Bild altrömischer Gastfreund,
schaft gilt. Wohl aber mag die vulkanisch auflodernde Natur deö
Südländers, auf die ich am Eingange dieses Aufsatzes hingewiesen,
daran Schuld sein; dasselbe Emporraffen, welches Rossini zum Tell
gestachelt und welches man bei den meisten großen Künstlern Ita¬
liens als einen eigenthümlichen Zug ihres Lebens findet.


Th. Vanbeneden,
Großhcrzogl. toskamscher AammmmlMr.


solchen Augenblicken sang sie uns ihre Lieder. Indem sie plötzlich
den Lauf ihrer Barke einhielt, saß sie mit gekreuzten Armen da,
eine schöne Büste mit hoher Stirn, der der Nahmen des blauen
Sees unter den dunklen Bergen einen magischen Eindruck verlieh,
Canova hat diese Büste in Marmor ausgeführt, und man behaup¬
tet, sie sei eins seiner gelungensten Werke.

Was mag wohl die Pasta veranlaßt haben, den köstlichen Auf¬
enthalt an dem Como-See, ihre Familie und so zahlreiche Freunde
zu verlassen, um von Neuem dem ungewissen Meer der Bühne sich
zuzuwenden? Man behauptet, eS seien materielle Verlegenheiten, zer¬
rüttete Vermögensumstände, die sie dazu gezwungen. Dieß beruht
auf einem Irrthum. Die Donna del Lago besitzt ein so glänzendes
Auskommen, daß sie in einer der schönsten Straßen Mailands ein
prächtiges Hotel, ausgeschmückt mit den seltensten Kunstgegenständen
und Allem, was Comfort und Lurus bieten, ihr eigen nennt; auch
fehlt es ihr nicht an schönen Equipagen und Pferden, um sie nach
ihrem Landhause am Como-See zu bringen. Allerdings bemerkt
man, daß die italienischen Künstler der Habsucht mehr ergeben sind,
als die deutschen, aber so gemeine Motive wollen wir nicht einer
Frau unterlegen, deren Haus als ein Bild altrömischer Gastfreund,
schaft gilt. Wohl aber mag die vulkanisch auflodernde Natur deö
Südländers, auf die ich am Eingange dieses Aufsatzes hingewiesen,
daran Schuld sein; dasselbe Emporraffen, welches Rossini zum Tell
gestachelt und welches man bei den meisten großen Künstlern Ita¬
liens als einen eigenthümlichen Zug ihres Lebens findet.


Th. Vanbeneden,
Großhcrzogl. toskamscher AammmmlMr.


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[0066] solchen Augenblicken sang sie uns ihre Lieder. Indem sie plötzlich den Lauf ihrer Barke einhielt, saß sie mit gekreuzten Armen da, eine schöne Büste mit hoher Stirn, der der Nahmen des blauen Sees unter den dunklen Bergen einen magischen Eindruck verlieh, Canova hat diese Büste in Marmor ausgeführt, und man behaup¬ tet, sie sei eins seiner gelungensten Werke. Was mag wohl die Pasta veranlaßt haben, den köstlichen Auf¬ enthalt an dem Como-See, ihre Familie und so zahlreiche Freunde zu verlassen, um von Neuem dem ungewissen Meer der Bühne sich zuzuwenden? Man behauptet, eS seien materielle Verlegenheiten, zer¬ rüttete Vermögensumstände, die sie dazu gezwungen. Dieß beruht auf einem Irrthum. Die Donna del Lago besitzt ein so glänzendes Auskommen, daß sie in einer der schönsten Straßen Mailands ein prächtiges Hotel, ausgeschmückt mit den seltensten Kunstgegenständen und Allem, was Comfort und Lurus bieten, ihr eigen nennt; auch fehlt es ihr nicht an schönen Equipagen und Pferden, um sie nach ihrem Landhause am Como-See zu bringen. Allerdings bemerkt man, daß die italienischen Künstler der Habsucht mehr ergeben sind, als die deutschen, aber so gemeine Motive wollen wir nicht einer Frau unterlegen, deren Haus als ein Bild altrömischer Gastfreund, schaft gilt. Wohl aber mag die vulkanisch auflodernde Natur deö Südländers, auf die ich am Eingange dieses Aufsatzes hingewiesen, daran Schuld sein; dasselbe Emporraffen, welches Rossini zum Tell gestachelt und welches man bei den meisten großen Künstlern Ita¬ liens als einen eigenthümlichen Zug ihres Lebens findet. Th. Vanbeneden, Großhcrzogl. toskamscher AammmmlMr.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/66>, abgerufen am 23.07.2024.