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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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genug druckt. Diese fast gleiche Lage würde sicherlich auch schon ähnliche
Folgen herbeigeführt haben, wenn sie nicht aus jüngerer Zeit sich
herschriebe und wenn nicht, -- dies ist ein Hauptgrund -- der
glückliche Umstand des Baues seines großen Eisenbahn-Netzes eini¬
germaßen abgeholfen und viel Tausenden von Armen Beschäftigung
gegeben hätte. Aber dies letztere ist nur eine vorübergehende That¬
sache, deren Resultate in diesem Punkte nicht länger dauern werden,
als das Factum selbst, während daS Uebel und seine Ursachen un¬
verändert bleiben. Der Augenblick steht bevor, wo jene Kräfte, für
welche eine Zeit lang ein Spielraum gewonnen worden, diesen ver¬
lieren werden und es ist gar eine wichtige Aufgabe für Belgiens
Staatsmänner, daran zu denken, wie sie diesen Tausenden von
Eristenzen, welche jetzt durch die großen Staatsbauten beschäftigt
werden, eine neue Nahrung verschaffen können.

So ist es also durchaus wahr, daß auch Belgien, wenn gleich
für den Augenblick in geringerer Gefahr, als seine Nachbarn, doch
einer Zukunft voll stürmischer Wirren entgegen geht. Grundbesitz,
Capital und Arbeit stehen auch hier kämpfend einander gegenüber
und sind in fortwährendem Anstoß begriffen. Aus ihrem Ringen
wird dann ebenfalls jener äußerste Zustand des Pauperismus her¬
vorgehen, für den, wie wir gesehen, das waltende Geschick Mein
ein Heilmittel geben zu können scheint. Es ist also hohe Zeit, sich
zu beeilen, aus den vorbereitenden Bahnen herauözuschreiten, von
der theoretischen Besprechung zur praktischen Anwendung, von den
Ideen zu den Thatsachen überzugehen und die Erfahrungen, die
andere Nationen auf ihre Unkosten gesammelt haben, zu benutzen.




II.

Ganz abgesehen von den Ursachen, welche Moralisten und
Psychologen den Versuchen der modernen Reformatoren unterschieben,
giebt eS in den rein materiellen Zuständen unserer gesellschaft¬
lichen Lage Elemente genug, welche eine hinreichende Quelle für
Entstehung jener Versuche sein konnten. Anfangs waren sie meist
blos von dem Wunsche beseelt, an einigen isolirten Punkten beten-


genug druckt. Diese fast gleiche Lage würde sicherlich auch schon ähnliche
Folgen herbeigeführt haben, wenn sie nicht aus jüngerer Zeit sich
herschriebe und wenn nicht, — dies ist ein Hauptgrund — der
glückliche Umstand des Baues seines großen Eisenbahn-Netzes eini¬
germaßen abgeholfen und viel Tausenden von Armen Beschäftigung
gegeben hätte. Aber dies letztere ist nur eine vorübergehende That¬
sache, deren Resultate in diesem Punkte nicht länger dauern werden,
als das Factum selbst, während daS Uebel und seine Ursachen un¬
verändert bleiben. Der Augenblick steht bevor, wo jene Kräfte, für
welche eine Zeit lang ein Spielraum gewonnen worden, diesen ver¬
lieren werden und es ist gar eine wichtige Aufgabe für Belgiens
Staatsmänner, daran zu denken, wie sie diesen Tausenden von
Eristenzen, welche jetzt durch die großen Staatsbauten beschäftigt
werden, eine neue Nahrung verschaffen können.

So ist es also durchaus wahr, daß auch Belgien, wenn gleich
für den Augenblick in geringerer Gefahr, als seine Nachbarn, doch
einer Zukunft voll stürmischer Wirren entgegen geht. Grundbesitz,
Capital und Arbeit stehen auch hier kämpfend einander gegenüber
und sind in fortwährendem Anstoß begriffen. Aus ihrem Ringen
wird dann ebenfalls jener äußerste Zustand des Pauperismus her¬
vorgehen, für den, wie wir gesehen, das waltende Geschick Mein
ein Heilmittel geben zu können scheint. Es ist also hohe Zeit, sich
zu beeilen, aus den vorbereitenden Bahnen herauözuschreiten, von
der theoretischen Besprechung zur praktischen Anwendung, von den
Ideen zu den Thatsachen überzugehen und die Erfahrungen, die
andere Nationen auf ihre Unkosten gesammelt haben, zu benutzen.




II.

Ganz abgesehen von den Ursachen, welche Moralisten und
Psychologen den Versuchen der modernen Reformatoren unterschieben,
giebt eS in den rein materiellen Zuständen unserer gesellschaft¬
lichen Lage Elemente genug, welche eine hinreichende Quelle für
Entstehung jener Versuche sein konnten. Anfangs waren sie meist
blos von dem Wunsche beseelt, an einigen isolirten Punkten beten-


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[0576] genug druckt. Diese fast gleiche Lage würde sicherlich auch schon ähnliche Folgen herbeigeführt haben, wenn sie nicht aus jüngerer Zeit sich herschriebe und wenn nicht, — dies ist ein Hauptgrund — der glückliche Umstand des Baues seines großen Eisenbahn-Netzes eini¬ germaßen abgeholfen und viel Tausenden von Armen Beschäftigung gegeben hätte. Aber dies letztere ist nur eine vorübergehende That¬ sache, deren Resultate in diesem Punkte nicht länger dauern werden, als das Factum selbst, während daS Uebel und seine Ursachen un¬ verändert bleiben. Der Augenblick steht bevor, wo jene Kräfte, für welche eine Zeit lang ein Spielraum gewonnen worden, diesen ver¬ lieren werden und es ist gar eine wichtige Aufgabe für Belgiens Staatsmänner, daran zu denken, wie sie diesen Tausenden von Eristenzen, welche jetzt durch die großen Staatsbauten beschäftigt werden, eine neue Nahrung verschaffen können. So ist es also durchaus wahr, daß auch Belgien, wenn gleich für den Augenblick in geringerer Gefahr, als seine Nachbarn, doch einer Zukunft voll stürmischer Wirren entgegen geht. Grundbesitz, Capital und Arbeit stehen auch hier kämpfend einander gegenüber und sind in fortwährendem Anstoß begriffen. Aus ihrem Ringen wird dann ebenfalls jener äußerste Zustand des Pauperismus her¬ vorgehen, für den, wie wir gesehen, das waltende Geschick Mein ein Heilmittel geben zu können scheint. Es ist also hohe Zeit, sich zu beeilen, aus den vorbereitenden Bahnen herauözuschreiten, von der theoretischen Besprechung zur praktischen Anwendung, von den Ideen zu den Thatsachen überzugehen und die Erfahrungen, die andere Nationen auf ihre Unkosten gesammelt haben, zu benutzen. II. Ganz abgesehen von den Ursachen, welche Moralisten und Psychologen den Versuchen der modernen Reformatoren unterschieben, giebt eS in den rein materiellen Zuständen unserer gesellschaft¬ lichen Lage Elemente genug, welche eine hinreichende Quelle für Entstehung jener Versuche sein konnten. Anfangs waren sie meist blos von dem Wunsche beseelt, an einigen isolirten Punkten beten-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/576>, abgerufen am 23.07.2024.