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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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Die Firma Isidorus Orientalis.

Die Seelenwanderung, welche unlängst eine französische Novelle durch ver¬
schiedene deutsche Zeitungen machte, die im Jahre 1840 in der "Posaune" als
Uebersetzung, im Jahre 1841 in der "Eleganten" als Originalarbeit und im
Jahre 1842 unter der Firma eines deutschen Literaten als eine "türkische Re¬
volution" im "Pilot" erschien, bringt uns auf diese Firma, welche den prun¬
kenden Namen Isidorus Orientalis führt. Seit langer Zeit begegnen
wir den langweiligen und saftlosen Machwerken dieses Herrn in allerlei Zeit¬
schriften und Taschenbüchern. Wir glaubten in diesem Pseudonym einen jun¬
gen Mann suchen zu müssen', den, wie manchen andern, ungünstige Lcbens-
Wcrhciltnisse auf den Erwerb seiner literarischen Productionen angewiesen
haben. Seit wir aber wissen, daß ein Mann von gereiftem Alter mit einem
klingenden Titel unter dieser Hülle steckt, halten wir es sür unsere Pflicht,
der Ossip dieses Jsidor zu sein, und diesem Stiefsohn unserer novellistischen
Literatur die ihm gebührenden Schranken anzuweisen. Der unkräftigen Jugend
steht die^ Hoffnung zur Seite; aus einem schlechten, jungen Novellisten kann
bei reiferer Weltanschauung noch ein tüchtiger Romanschreiber werden. Dem
kraftlosen Alter aber ziemt der Ruhestand. Die deutschen Journale müssen
manche mittelmäßige Arbeit des jungen Anfängers honoriren; es ist ein Ab¬
schlag auf die Zukunft, ''eine Unterstützung, die der collcgiale Geist gerne be¬
willigt, selbst aus die Gefahr hin, daß er in seiner Hoffnung sich getäuscht
sieht. Dem vorgerückten Manne aber, dem auch sonst seine gesellschaftliche
Stellung bereits gesichert ist, steht es doch schlecht an, auf die beschränkten
Mittel der bellcttristischen Journale zu speculiren, um so mehr, wenn er, wie
Herr Isidorus Orientalis, gezwungen ist, Uebersetzungen für eigene Poductio-
nien auszugeben und somit über die Impotenz seines Talentes im Klaren
sein muß. Wir wissen es nicht nur aus eigener Erfahrung, daß der erwähnte
Herr bei jeder neu auftauchenden Zeitschrift, bevor er die Form, den Gehalt,
die Richtung derselben kennt, sogleich um ihre Honororbedingungcn aufragt.
Solche Schriftsteller gehören auf den Markt, nicht in die Literatur; aber
selbst aus dem Markt ist Redlichkeit die erste Bedingung. Uebersetztes und
Gedrucktes, abgenutzte Waare für neue zu verkaufen, bringt orientalische, wie
occidentalische Firmen mit Recht in Verruf.




Die Firma Isidorus Orientalis.

Die Seelenwanderung, welche unlängst eine französische Novelle durch ver¬
schiedene deutsche Zeitungen machte, die im Jahre 1840 in der „Posaune" als
Uebersetzung, im Jahre 1841 in der „Eleganten" als Originalarbeit und im
Jahre 1842 unter der Firma eines deutschen Literaten als eine „türkische Re¬
volution" im „Pilot" erschien, bringt uns auf diese Firma, welche den prun¬
kenden Namen Isidorus Orientalis führt. Seit langer Zeit begegnen
wir den langweiligen und saftlosen Machwerken dieses Herrn in allerlei Zeit¬
schriften und Taschenbüchern. Wir glaubten in diesem Pseudonym einen jun¬
gen Mann suchen zu müssen', den, wie manchen andern, ungünstige Lcbens-
Wcrhciltnisse auf den Erwerb seiner literarischen Productionen angewiesen
haben. Seit wir aber wissen, daß ein Mann von gereiftem Alter mit einem
klingenden Titel unter dieser Hülle steckt, halten wir es sür unsere Pflicht,
der Ossip dieses Jsidor zu sein, und diesem Stiefsohn unserer novellistischen
Literatur die ihm gebührenden Schranken anzuweisen. Der unkräftigen Jugend
steht die^ Hoffnung zur Seite; aus einem schlechten, jungen Novellisten kann
bei reiferer Weltanschauung noch ein tüchtiger Romanschreiber werden. Dem
kraftlosen Alter aber ziemt der Ruhestand. Die deutschen Journale müssen
manche mittelmäßige Arbeit des jungen Anfängers honoriren; es ist ein Ab¬
schlag auf die Zukunft, ''eine Unterstützung, die der collcgiale Geist gerne be¬
willigt, selbst aus die Gefahr hin, daß er in seiner Hoffnung sich getäuscht
sieht. Dem vorgerückten Manne aber, dem auch sonst seine gesellschaftliche
Stellung bereits gesichert ist, steht es doch schlecht an, auf die beschränkten
Mittel der bellcttristischen Journale zu speculiren, um so mehr, wenn er, wie
Herr Isidorus Orientalis, gezwungen ist, Uebersetzungen für eigene Poductio-
nien auszugeben und somit über die Impotenz seines Talentes im Klaren
sein muß. Wir wissen es nicht nur aus eigener Erfahrung, daß der erwähnte
Herr bei jeder neu auftauchenden Zeitschrift, bevor er die Form, den Gehalt,
die Richtung derselben kennt, sogleich um ihre Honororbedingungcn aufragt.
Solche Schriftsteller gehören auf den Markt, nicht in die Literatur; aber
selbst aus dem Markt ist Redlichkeit die erste Bedingung. Uebersetztes und
Gedrucktes, abgenutzte Waare für neue zu verkaufen, bringt orientalische, wie
occidentalische Firmen mit Recht in Verruf.




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[0544] Die Firma Isidorus Orientalis. Die Seelenwanderung, welche unlängst eine französische Novelle durch ver¬ schiedene deutsche Zeitungen machte, die im Jahre 1840 in der „Posaune" als Uebersetzung, im Jahre 1841 in der „Eleganten" als Originalarbeit und im Jahre 1842 unter der Firma eines deutschen Literaten als eine „türkische Re¬ volution" im „Pilot" erschien, bringt uns auf diese Firma, welche den prun¬ kenden Namen Isidorus Orientalis führt. Seit langer Zeit begegnen wir den langweiligen und saftlosen Machwerken dieses Herrn in allerlei Zeit¬ schriften und Taschenbüchern. Wir glaubten in diesem Pseudonym einen jun¬ gen Mann suchen zu müssen', den, wie manchen andern, ungünstige Lcbens- Wcrhciltnisse auf den Erwerb seiner literarischen Productionen angewiesen haben. Seit wir aber wissen, daß ein Mann von gereiftem Alter mit einem klingenden Titel unter dieser Hülle steckt, halten wir es sür unsere Pflicht, der Ossip dieses Jsidor zu sein, und diesem Stiefsohn unserer novellistischen Literatur die ihm gebührenden Schranken anzuweisen. Der unkräftigen Jugend steht die^ Hoffnung zur Seite; aus einem schlechten, jungen Novellisten kann bei reiferer Weltanschauung noch ein tüchtiger Romanschreiber werden. Dem kraftlosen Alter aber ziemt der Ruhestand. Die deutschen Journale müssen manche mittelmäßige Arbeit des jungen Anfängers honoriren; es ist ein Ab¬ schlag auf die Zukunft, ''eine Unterstützung, die der collcgiale Geist gerne be¬ willigt, selbst aus die Gefahr hin, daß er in seiner Hoffnung sich getäuscht sieht. Dem vorgerückten Manne aber, dem auch sonst seine gesellschaftliche Stellung bereits gesichert ist, steht es doch schlecht an, auf die beschränkten Mittel der bellcttristischen Journale zu speculiren, um so mehr, wenn er, wie Herr Isidorus Orientalis, gezwungen ist, Uebersetzungen für eigene Poductio- nien auszugeben und somit über die Impotenz seines Talentes im Klaren sein muß. Wir wissen es nicht nur aus eigener Erfahrung, daß der erwähnte Herr bei jeder neu auftauchenden Zeitschrift, bevor er die Form, den Gehalt, die Richtung derselben kennt, sogleich um ihre Honororbedingungcn aufragt. Solche Schriftsteller gehören auf den Markt, nicht in die Literatur; aber selbst aus dem Markt ist Redlichkeit die erste Bedingung. Uebersetztes und Gedrucktes, abgenutzte Waare für neue zu verkaufen, bringt orientalische, wie occidentalische Firmen mit Recht in Verruf.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/544>, abgerufen am 23.07.2024.