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Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester.

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dare gerettet wird und Hand in Hand mit dem wahren Prinzen nach Eng¬
land zieht! Wir sind nicht der Meinung, daß ein durch Ehrgeiz zum Betrug
verlockter, sonst aber edler Mensch nicht der Held eines Dramas werden
könne. Aber die Vergeltung, die tragische Nemesis muß ihn treffen; er muß
durch seinen Tod seine Verirrung sühnen, wenn sich das Ganze poetisch ab¬
runden soll. Der Warbck, wie er im Nachlasse Schiller's sich vorfindet, ist
eines jener Croquis, die das Genie beim ersten Einfalle rasch auf's Papier
hinwirft mit dem Vorsätze, es spater einmal auszuführen; dann aber bei reif¬
licher Ueberlegung und Anordnung die Mängel des Entwurfs erkennt, ihn in
den Papierkorb wirft und zu einer neuen - lebenskräftigen Schöpfung eilt.
Der Bearbeiter des vorliegenden Buches hat mit vielem Fleiß und großer
Pietät sich an den Stoff gemacht, wir haben um so mehr Ursache zu glau¬
ben, daß Pietät für das Andenken unseres edelsten Dichters ihn zu dieser
Arbeit bewogen hat, als er so bescheiden war, seinen Namen nicht zu nennen.
Bei allem Fleiße und einer oftmals mit Kraft sich aufschwingenden Sprache
ist es ihm jedoch nicht gelungen, etwas Anderes als eine weite schlotternde auf
243 Seiten sich ausdehnende Haupt- und Staatsaction mit langen geschichtli¬
chen Erplicati'oren aus diesem Warbek zu machen. Auf die Söhne des Hau¬
ses kommen wir bei den nachfolgenden Lieferungen zurück.

---Vor Kurzem brachte der Nürnberger Korrespondent die Nachricht,
daß die österreichische Regierung beim Bundestag darauf angetragen habe, den
dramatischen Dichtern die Nutznießung ihrer Stücke noch auf drei Jahre, nach¬
dem sie im Druck erschienen sind, bei den darstellenden Bühnen zu sichern.
Was die hohe Weisheit der übrigen Versammlung bewogen hat, diesen An¬
trag abzulehnen und die armen Hofbühnen gegen die ohnehin von dem Staate so
reich unterstützten deutschen Dichter in Schutz zu nehmen -- ist ein tiefes
Staatsgcheimniß geblieben. Indessen haben wir zu der Ehrliebe und dem ge¬
sunden Menschenverstande der deutschen Bühnenvorstände das Vertrauen, daß
sie dasjenige, was ihnen nicht vom Gesetze geboten wird, aus eigener Einsicht
beobachten werden. Wir geben in einer unserer nächsten Lieferungen das von mehrern
Bühnen zur Aufführung angenommene Trauerspiel Jsaura von Castilien, von
Gustav Kühne. Wir hoffen, daß die Veröffentlichung dieses Dramas keine deut¬
sche Bühne veranlassen wird, sich an fremdem Eigenthum zu vergreifen und dem
Dichter die vroits ä' ^utsur zu entziehen. Es gilt einen Versuch! Sollten
wir jedoch in unserer Hoffnung uns betrogen haben, so werden wir nicht unter¬
lassen, den Namen jener ehr- und gewissenlosen Bühne der Indignation des


dare gerettet wird und Hand in Hand mit dem wahren Prinzen nach Eng¬
land zieht! Wir sind nicht der Meinung, daß ein durch Ehrgeiz zum Betrug
verlockter, sonst aber edler Mensch nicht der Held eines Dramas werden
könne. Aber die Vergeltung, die tragische Nemesis muß ihn treffen; er muß
durch seinen Tod seine Verirrung sühnen, wenn sich das Ganze poetisch ab¬
runden soll. Der Warbck, wie er im Nachlasse Schiller's sich vorfindet, ist
eines jener Croquis, die das Genie beim ersten Einfalle rasch auf's Papier
hinwirft mit dem Vorsätze, es spater einmal auszuführen; dann aber bei reif¬
licher Ueberlegung und Anordnung die Mängel des Entwurfs erkennt, ihn in
den Papierkorb wirft und zu einer neuen - lebenskräftigen Schöpfung eilt.
Der Bearbeiter des vorliegenden Buches hat mit vielem Fleiß und großer
Pietät sich an den Stoff gemacht, wir haben um so mehr Ursache zu glau¬
ben, daß Pietät für das Andenken unseres edelsten Dichters ihn zu dieser
Arbeit bewogen hat, als er so bescheiden war, seinen Namen nicht zu nennen.
Bei allem Fleiße und einer oftmals mit Kraft sich aufschwingenden Sprache
ist es ihm jedoch nicht gelungen, etwas Anderes als eine weite schlotternde auf
243 Seiten sich ausdehnende Haupt- und Staatsaction mit langen geschichtli¬
chen Erplicati'oren aus diesem Warbek zu machen. Auf die Söhne des Hau¬
ses kommen wir bei den nachfolgenden Lieferungen zurück.

---Vor Kurzem brachte der Nürnberger Korrespondent die Nachricht,
daß die österreichische Regierung beim Bundestag darauf angetragen habe, den
dramatischen Dichtern die Nutznießung ihrer Stücke noch auf drei Jahre, nach¬
dem sie im Druck erschienen sind, bei den darstellenden Bühnen zu sichern.
Was die hohe Weisheit der übrigen Versammlung bewogen hat, diesen An¬
trag abzulehnen und die armen Hofbühnen gegen die ohnehin von dem Staate so
reich unterstützten deutschen Dichter in Schutz zu nehmen — ist ein tiefes
Staatsgcheimniß geblieben. Indessen haben wir zu der Ehrliebe und dem ge¬
sunden Menschenverstande der deutschen Bühnenvorstände das Vertrauen, daß
sie dasjenige, was ihnen nicht vom Gesetze geboten wird, aus eigener Einsicht
beobachten werden. Wir geben in einer unserer nächsten Lieferungen das von mehrern
Bühnen zur Aufführung angenommene Trauerspiel Jsaura von Castilien, von
Gustav Kühne. Wir hoffen, daß die Veröffentlichung dieses Dramas keine deut¬
sche Bühne veranlassen wird, sich an fremdem Eigenthum zu vergreifen und dem
Dichter die vroits ä' ^utsur zu entziehen. Es gilt einen Versuch! Sollten
wir jedoch in unserer Hoffnung uns betrogen haben, so werden wir nicht unter¬
lassen, den Namen jener ehr- und gewissenlosen Bühne der Indignation des


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[0542] dare gerettet wird und Hand in Hand mit dem wahren Prinzen nach Eng¬ land zieht! Wir sind nicht der Meinung, daß ein durch Ehrgeiz zum Betrug verlockter, sonst aber edler Mensch nicht der Held eines Dramas werden könne. Aber die Vergeltung, die tragische Nemesis muß ihn treffen; er muß durch seinen Tod seine Verirrung sühnen, wenn sich das Ganze poetisch ab¬ runden soll. Der Warbck, wie er im Nachlasse Schiller's sich vorfindet, ist eines jener Croquis, die das Genie beim ersten Einfalle rasch auf's Papier hinwirft mit dem Vorsätze, es spater einmal auszuführen; dann aber bei reif¬ licher Ueberlegung und Anordnung die Mängel des Entwurfs erkennt, ihn in den Papierkorb wirft und zu einer neuen - lebenskräftigen Schöpfung eilt. Der Bearbeiter des vorliegenden Buches hat mit vielem Fleiß und großer Pietät sich an den Stoff gemacht, wir haben um so mehr Ursache zu glau¬ ben, daß Pietät für das Andenken unseres edelsten Dichters ihn zu dieser Arbeit bewogen hat, als er so bescheiden war, seinen Namen nicht zu nennen. Bei allem Fleiße und einer oftmals mit Kraft sich aufschwingenden Sprache ist es ihm jedoch nicht gelungen, etwas Anderes als eine weite schlotternde auf 243 Seiten sich ausdehnende Haupt- und Staatsaction mit langen geschichtli¬ chen Erplicati'oren aus diesem Warbek zu machen. Auf die Söhne des Hau¬ ses kommen wir bei den nachfolgenden Lieferungen zurück. ---Vor Kurzem brachte der Nürnberger Korrespondent die Nachricht, daß die österreichische Regierung beim Bundestag darauf angetragen habe, den dramatischen Dichtern die Nutznießung ihrer Stücke noch auf drei Jahre, nach¬ dem sie im Druck erschienen sind, bei den darstellenden Bühnen zu sichern. Was die hohe Weisheit der übrigen Versammlung bewogen hat, diesen An¬ trag abzulehnen und die armen Hofbühnen gegen die ohnehin von dem Staate so reich unterstützten deutschen Dichter in Schutz zu nehmen — ist ein tiefes Staatsgcheimniß geblieben. Indessen haben wir zu der Ehrliebe und dem ge¬ sunden Menschenverstande der deutschen Bühnenvorstände das Vertrauen, daß sie dasjenige, was ihnen nicht vom Gesetze geboten wird, aus eigener Einsicht beobachten werden. Wir geben in einer unserer nächsten Lieferungen das von mehrern Bühnen zur Aufführung angenommene Trauerspiel Jsaura von Castilien, von Gustav Kühne. Wir hoffen, daß die Veröffentlichung dieses Dramas keine deut¬ sche Bühne veranlassen wird, sich an fremdem Eigenthum zu vergreifen und dem Dichter die vroits ä' ^utsur zu entziehen. Es gilt einen Versuch! Sollten wir jedoch in unserer Hoffnung uns betrogen haben, so werden wir nicht unter¬ lassen, den Namen jener ehr- und gewissenlosen Bühne der Indignation des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 2, 1842, Zweites Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_282160_266616/542>, abgerufen am 29.09.2024.